Travestiefachgeschäft„Am besten gehen Brüste“
Schwaig – Hohe Schuhe, Langhaar-Perücken und natürlich Brüste – in diesem Fall aus Silikon: Bei Inka Horvat gibt es alles, was man braucht, um wie eine Frau auszusehen. Zu den Kunden der 54-Jährigen zählen in erster Linie Transvestiten, Transsexuelle und sogenannte Crossdresser oder Damenwäscheträger – also Männer, die sich wie eine Frau kleiden möchten, zumindest ab und zu. In den in Pink und Plüsch gehaltenen Laden in Schwaig bei Nürnberg kommen auch Manager großer Unternehmen und Politiker. Dann wird für andere Kunden zugesperrt.
Besitzerin: „90 Prozent der Kunden sind verheiratet“
„80 Prozent meiner Kunden leben es heimlich“, sagt Horvat. 90 Prozent seien verheiratet. „Die führen permanent ein Doppelleben.“ Sie bekomme immer wieder Anrufe von Ehefrauen, die eine Rechnung gefunden haben und sie beschimpfen, weil sie den Männern Brüste verkauft hat.
Horvats Umsatz hat sich in den vergangenen acht Jahren auf 1,9 Millionen Euro fast verdoppelt. Inzwischen zählt sie 65.000 Kunden weltweit. Auch andere Anbieter registrieren eine wachsende Nachfrage. „Der Markt war schon immer da“, sagt die 54-Jährige. Als sie vor zehn Jahren diese Nische entdeckte, sei es schwierig gewesen, Partner zu finden. „Damals war das ein Tabuthema. Vielen war es zu schmuddelig, niemand wollte an diese Zielgruppe ran.“
Transsexualität ist kein Tabu mehr
Inzwischen finde mehr Aufklärung statt, auch die Medien griffen Themen wie Transsexualität häufiger auf. Menschen, die sich als Transgender bezeichnen, haben das Gefühl, mit dem „falschen“ Geschlecht auf die Welt gekommen zu sein – ein Mann fühlt sich eigentlich als Frau oder umgekehrt.
Etwa 23.000 Menschen in Deutschland hätten in den vergangenen 35 Jahren ein Vornamens- oder Personenstandsänderung nach dem Transsexuellengesetz beantragt, sagt Petra Weitzel. Die Fallzahlen stiegen seit Jahren und lägen derzeit bei etwa 1400 pro Jahr. Schätzungsweise 70 Prozent von ihnen entscheiden sich dann auch zu einer geschlechtsanpassenden Operation.
Ist die Gesellschaft offener geworden?
Nicht ganz freiwillig hatte sich kürzlich das zweite Mitglied des Regie-Duos Wachowski („Matrix“), Lilly Wachowski, das Coming-out als Transgender. Sie habe sich dazu entschieden, weil ein Reporter der britischen Zeitung „Daily Mail“ an ihrer Tür geklingelt habe, sagte die 48-Jährige.
„Die Gesellschaft hat inzwischen kein Problem mehr mit denen, die mit ihrem äußerlichen Anpassungsprozess fertig sind“, sagt Weitzel. „Währenddessen gibt es aber oft noch viele Probleme.“
High-Heels bis Größe 47 im Sortiment
Auch deshalb wollen nicht alle den gesamten – oft steinigen – Weg inklusive Hormontherapie gehen. Einige leben ihre Neigung ganz im Verborgenen, andere wollen auch ohne OP in der Öffentlichkeit als echte Frau wahrgenommen werden. Das Gros ihrer Kunden wolle „so authentisch wie möglich“ aussehen, erzählt Horvat. Dabei helfen sie und ihre acht Mitarbeiterinnen in dem liebevoll eingerichteten Laden.
Neun von zehn ihrer Kunden sind Männer. „Wir haben alles, was es so braucht, um als Frau wieder gehen zu können“, sagt sie. Neben Brustprothesen in allen Größen und Formen, zum Ankleben oder Umschnallen, verkauft die 54-Jährige auch Highheels bis Größe 47 und spezielle Unterhosen, die das männliche Geschlechtsteil verbergen. Viel wird auch über das Internet verkauft.
Welche Produkte besonders von den Kunden nachgefragt werden.
Brustprothesen sind der Dauerbrenner
Am besten gehen Brustprothesen in normalen Größen. Aber auch das größte Paar für 600 Euro – fünf Kilo je Brust – verkaufe sie etwa fünfmal im Monat. Guten Gewissens empfehlen kann Horvat das zwar nicht: „Das geht tierisch auf den Rücken.“ Aber die Nachfrage sei eben da – auch nach falschen Hängebrüsten.
Diese Variante habe sie auf vielfachen Kundenwunsch ins Programm genommen. „Es sind ja auch nicht mehr alle die Jüngsten.“ Ihr ältester Kunde sei 91 Jahre alt. Horvat freut sich stets, wenn ihre Kunden dazu stehen können und manche sogar mit ihrer Frau in den Laden kommen.
Gleiche Produkte in neuer Verpackung
So offen wie Horvat gehen andere Anbieter nicht mit ihren Produkten um – das Geschäft mit Brustprothesen für Männer scheint für viele immer noch anrüchig zu sein, obwohl sie damit Geld verdienen. Der größte Produzent von Brustprothesen in Deutschland etwa hat extra eine eigene Linie für Männer geschaffen. Unter dem Markennamen Amolux vertreibt das Unternehmen aus Raubling in Bayern die exakt gleichen Produkte – nur in anderer Verpackung.
„Es gab eine große Nachfrage danach“, sagt eine Unternehmenssprecherin. In der Öffentlichkeit will die Firma jedoch nicht damit in Zusammenhang gebracht werden. Viele ihrer Hauptkunden – an Brustkrebs erkrankte Frauen mit amputierter Brust – hätten dafür kein Verständnis, sagt die Sprecherin.
Anbieter: Bei Paketen darf der Absender nicht recherchierbar sein
Auch der Anbieter Amatus Secret aus Zeulenroda in Thüringen arbeitet mit einem falschen Namen. Den im Impressum genannten Jens Müller gibt es nicht, wie der Geschäftsinhaber sagt. Auch er will seinen Namen nicht in der Zeitung lesen, denn sein Hauptgeschäft sind Dessous und Miederwaren für Frauen. Außerdem: „Wenn wir Pakete verschicken, darf der Absender nicht recherchierbar sein“, sagt der Firmenchef.
Neugierige Nachbarn sollen schließlich nichts mitbekommen. Die Produkte für Männer seien ein „gutes Zusatzgeschäft“, sagt der Chef von Amatus. Allein davon leben könne er jedoch nicht.
Horvat plant Eröffnung weiterer Fillialen
Auch Horvats Gewinn ist bisher noch bescheiden. Doch die 54-Jährige und ihr Partner Michael Faßnacht wollen in diesem Jahr neue Filialen im Rheinland und in Berlin eröffnen.
Auch in Österreich sei ein neuer „Show-Room“ geplant. „Der Markt ist nicht gesättigt“, sagt sie. „Wir freuen uns über alle unsere Mädels, die keine Mädels sind.“
(dpa)