Dauermüde, infektanfällig?Experten warnen: 90 Prozent der Deutschen mit Vitaminen unterversorgt

Ein Einkaufsnetz mit Gemüse in einem Einkaufswagen.

Viele von uns meinen, sich gesund zu ernähren, doch die Realität sieht anders aus: Tatsächlich erreichen bis zu 80 Prozent der Bevölkerung nicht einmal den Minimalbedarf an Mikronährstoffen.

Vitaminmangel ist gefährlich, Ernährungsexperten sehen darin eine Mitursache für Schlaganfall, Demenz, Depression, Krebs und Osteoporose. Warum das so ist (und was jeder tun kann), erklären wir hier.

von Andrea Kahlmeier  (ak)

Was Vitamine doch ausmachen! Als Forscher US-Gefangenen (auf freiwilliger Basis) eine Vitamin-B6-freie Ernährung vorsetzten, klagten viele schon nach einer Woche über Kopfschmerzen, Apathie und Schlaflosigkeit, nach zwei Wochen über schuppige Haut, nach drei Wochen über Erbrechen und Durchfall.

Schließlich wurde das Experiment abgebrochen. Und dabei ist B6 nur eines von vielen Vitaminen, die unser Körper braucht – und oft nicht bekommt.

Mangel an Mikronährstoffen wie Vitamin D, Jod und Selen trifft uns fast alle

Provokative Frage von Andreas Jopp: „Kämen Sie auf die Idee, Heizöl in einen Ferrari zu tanken?“ Wohl kaum. Doch ohne groß darüber nachzudenken, essen wir hoch verarbeitete Lebensmittel ohne jeglichen Nähr- und Mehrwert für den Körper und wundern uns dann, dass wir dauermüde, gestresst und infektanfällig sind.

Auswertungen von Megastudien belegen: Die meisten Menschen erreichen in Deutschland nicht die empfohlenen Mengen an Vitaminen, Mineralien und Spurenelementen, gar 90 Prozent der Deutschen sind unterversorgt mit Mikronährstoffen wie Vitamin D, Folat, Jod und Selen.

Die Folgen: Mangelnder Zellschutz und schlechte Reparaturvorgänge. „Damit steigt das Risiko für Schlaganfälle, Demenz, Depression, Krebs und Osteoporose erheblich“, weiß der Bestsellerautor nach Auswertung zahlreicher Studien.

Er bekommt für seinen aktuellen Ratgeber „Risikofaktor Vitaminmangel“ Rückendeckung von Prof. Klaus Pietrzik, Professor am Institut für Ernährungswissenschaft der Uni Bonn: Die neuen Nähstoffstudien seien den meisten Ärzten überhaupt nicht bekannt. Dabei sei es doch so wichtig, die vorbeugende Wirkung, etwa bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, oder bei Alzheimer und Demenz auszuschöpfen. Andere Länder würden da weitaus offensiver agieren, so die beiden Experten.

Vitamine automatisch essen: Andere Länder reichern Lebensmittel an

Nur ein Beispiel: 75 Staaten weltweit lassen Grundnahrungsmittel gesetzlich mit Folsäure anreichern. In Deutschland hingegen seien Juristen der Meinung, dass laut Artikel 2 des Grundgesetzes die individuelle Entfaltungsmöglichkeit nicht mehr gewährleistet sei bei einer Zwangsanreicherung von Grundnahrungsmitteln.

Ernährungsexperte und Bestsellerautor Wolfgang Jopp

Der Kölner Andreas Jopp ist Bestsellerautor und Ernährungscoach. Er schwört auf Vitamine, um langsamer zu altern, Krebsrisiken zu senken, Immunsystem und Psyche zu boostern.

Dabei haben einschlägige Studien aus den USA und Kanada (wo Lebensmitteln seit 1998 Folsäure zugesetzt wird) gezeigt, dass es zu einer statistisch bedeutsamen Abnahme von Schlaganfällen gekommen sei, so Pietrzik.

Weitere Studien belegen, dass es bei der richtigen Vitamingabe zu einer Verminderung von Ablagerungen an Gefäßwänden komme. In den USA werde deshalb überlegt, auch Vitamin B12 anzureichern, um ein Fortschreiten von Gefäßschäden im Hirn zu verhindern.

Hier gern an unserer EXPRESS.de-Umfrage teilnehmen:

Viele Staaten lassen übrigens zusätzlich zur Folsäure längst Milch mit Vitamin D und Salz mit Jod anreichern. Jopp erstaunt es nicht, dass gerade die Vitamine, bei denen die meisten Menschen nicht einmal die Minimalzufuhr schaffen (Folat, Vitamin B6 und Vitamin D) mit Krebs in Zusammenhang gebracht werden.

„Dabei können Antioxidantien aus Obst und Gemüse nachweislich das Krebsrisiko dramatisch vermindern“, so der Bestsellerautor. Es bringe allerdings nichts, nur kurzfristig mal Vitamin D einzunehmen oder mit hohen Dosierungen zu pushen, sagt er. Prävention funktioniere am besten über lange Zeiträume. Noch einige Beispiele von vielen:

  1. Laut der Metaanalyse von zig Studien ergebe sich, dass das Schlaganfallrisiko bei hoher Vitamin-C- und E-Zufuhr aus der Ernährung um bis zu 19 Prozent sinke. Die Teilnehmer mit höchster Vitamin-C-Zufuhr hatten nach Analyse von 13 Studien ein 33 Prozent geringeres Risiko für Osteoporose.
  2. Auch eine gute Versorgung mit Zink und Magnesium beeinflusst die Knochendichte positiv.
  3. B-Vitamine, D-Vitamin und Omega 3 verbesserten die Wirkung von Antidepressiva.

Jopps Fazit: „Beim Tierarzt steht immer als Erstes die Futtermittelanalyse an. Erst danach werden Medikamente eingesetzt. Das wäre auch beim Menschenarzt-Besuch ratsam.“