Fremdgehen ohne Sex„Ein Spiel mit dem Feuer“ – so schlimm ist der emotionale Betrug
Köln – Wenn wir von Fremdgehen sprechen, dann meinen wir damit meistens einen körperlichen Betrug: Für viele muss Sex oder zumindest Knutschen im Spiel sein, um von Fremdgehen zu sprechen. Dabei kennen Paartherapeuten auch den emotionalen Betrug. Aber was verbirgt sich hinter diesem Phänomen?
Und wo beginnt emotionales Betrügen? Wenn wir uns auf einer Party mit einer Person, die wir attraktiv finden, besonders lange unterhalten? Oder erst, wenn wir uns mit dieser Person zu einem Kinobesuch verabreden, ohne unseren Partner jemals erwähnt zu haben?
Das Verschweigen der dritten Person ist eine Schlüsseleigenschaft
„Emotionaler Betrug beginnt da, wo wir dem Partner eine andere Person, die für uns immer wichtiger wird, verschweigen“, erklärt der Lübecker Paartherapeut Peter Bartning. Das Verschweigen der dritten Person ist demnach die Schlüsseleigenschaft der emotionalen Affäre.
Das kann etwa eine neue nette Kollegin im Job oder ein neuer attraktiver Vater in der Krabbelgruppe des Kindes sein. Nicht nur die „Überstunden“ mit der netten Kollegin und die ausgedehnten Spaziergänge mit dem Krabbelgruppe-Vater bleiben unerwähnt, der Partner weiß gar nichts von ihrer jeweiligen Existenz. Dabei sind Frauen für eine emotionale Affäre anfälliger als Männer, die eher sexuelle Abenteuer suchen.
„Ich fühle mich so verstanden von ihm“
Charakteristika des emotionalen Betrugs sind Bartning zufolge außerdem, dass man immer mehr Zeit mit dieser anderen Person verbringt und mit ihr auch allmählich intimere Gespräche führt als mit dem Partner. Oft erklärten die Betroffenen: „Ich fühlte mich so verstanden von ihm/ihr.“ Nicht selten werde – wie im Verliebtsein - alles Gute auf denjenigen projiziert. Oft leugneten die Betroffenen auch vor sich selbst, was für eine große Anziehungskraft diese neue Person auf sie habe.
Doch warum muss es überhaupt so weit kommen? Was sind die Gründe für die Grenzüberschreitung? „Dahinter steckt in der Regel eine tiefe Unzufriedenheit mit der eigenen Beziehung“, weiß der Paartherapeut. „Meistens rührt das daher, dass man mit dem Partner lange nicht über seine Bedürfnisse gesprochen hat oder sie nicht verständlich machen konnte.“ Denn: „Reden ist der Schlüssel zu einer glücklichen Beziehung.“ Unzufriedenheit sollte man in Partnerschaften in jedem Fall ansprechen – am besten bevor man sich anderweitig vergnügt.
„Das Verliebtheits-Gefühl ziehen lassen“
In Beziehungen könne es durchaus vorkommen, dass man sich hin und wieder in jemand anderen vergucke, weiß der Paartherapeut. „Aber man sollte dieses Verliebtheits-Gefühl dann als solches annehmen und wieder ziehen lassen und sich nicht auf diese andere Person einlassen – wenn man seinen Partner liebt und behalten will“, so Bartning. „Alles andere ist ein Spiel mit dem Feuer“.
Doch was sollte man tun, wenn der Betrug schon geschehen ist? „Wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, empfehle ich eine Paartherapie“, so der Experte. Denn nach diesem Schock helfe es häufig nicht nur, endlich über die eigenen Bedürfnisse zu sprechen. „In einer Paartherapie kann man auch die tieferen Ursachen für das Verhalten der Partner ausfindig machen und daran arbeiten. Praktisch immer stecken nämlich unterbewusst unerfüllte Bedürfnisse schon aus der Kindheit dahinter, die man in einer Paartherapie zutage fördern muss. Sonst ist die Gefahr von Wiederholungstaten gegeben.“
Frauen verzeihen eher körperlichen als emotionalen Betrug
Dabei könne man nicht sagen, was für den Betrogenen schlimmer sei: ein körperlicher oder ein emotionaler Betrug. „Das kommt immer auf die jeweilige Person an“, sagt Bartning, der zum Thema schon das Buch „Das innere Kind in der Paarbeziehung“ veröffentlicht hat. „Aus der Erfahrung in meiner Praxis kann ich sagen, dass Frauen eher bereit sind, einen körperlichen Betrug wie einen One-Night-Stand zu verzeihen; wenn dagegen mehr Gefühle als „nur“ Sex im Spiel waren, sind sie dazu kaum bereit.“
Bei den Männern ist es dagegen genau anders herum: „Viele Männer finden meiner Erfahrung nach einen emotionalen Betrug weniger schlimm als einen körperlichen“, sagt Bartning. „Und bei jüngeren Paaren gibt es häufig eine Null-Frustrations-Toleranz. Reifere Paare sind eher dazu bereit zu vergeben, weil sie eher gewillt sind, für die Beziehung zu kämpfen.“
Durch die Krise kann man eine reifere Liebe erreichen
Aber hat das überhaupt einen Sinn? Ist die Vertrauensbasis je wieder herzustellen? Kann man einen so großen Riss in der Beziehung wieder kitten? Die gute Nachricht: „Keineswegs muss ein Betrug, egal ob emotional oder körperlich, das Ende einer Beziehung bedeuten“, so Bartning. Oft fängt die eigentliche Beziehung durch so eine Krise erst richtig an, weil die Partner lernen, sich über ihre Bedürfnisse und ihre Liebe immer wieder auszutauschen.“
Und der Therapeut macht Hoffnung: „Viele Paare sagen, dass sie nach dem ersten Schock und der anstrengenden Phase der Aufarbeitung eine viel reifere Liebe erreicht haben.“ (rer)