Powerspine - ein neues Trainingsprogramm soll Rückenschmerzen blitzschnell vertreiben. EXPRESS hat den Test gemacht.
Operateur will weniger OPsZwei-Minuten-Training und Rückenschmerz ade? Wir haben's getestet

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Training in der Kölner Praxis Orthopädie Lindenthal: Julia Tröger (r.) leitet bei den Übungen an, die nicht nur etwas für Jüngere sind. Bisher gibt es im Rheinland nur einen weiteren Powerspine-Standort in Hillesheim in der Eifel, ab Juli wird es einen weiteren in Düsseldorf geben.
Klingt paradox: Ein weltweit renommierter Wirbelsäulen-Operateur setzt sich für WENIGER Rücken-Operationen ein. Er entwickelt die Powerspine-Methode, die Eingriffe fast immer obsolet machen soll. Kämpft unaufhörlich für deren Kassenzulassung. „Rücken“ ist Volkskrankheit. Das spüren viele wieder – gerade nach dem langen Stehen an den tollen Tagen. Aber auch sonst, das ganze Jahr über.
Mit Hightech-OPs könnte Dr. Florian Alfen (60) viel Geld machen. Doch er weiß: Es kann nicht der Weg aus den Schmerzen sein. Er lernte es auf die harte Tour. Als er selbst zum Patienten wurde. Diagnose: Bandscheibenvorfall.
Operateur sagt: Es wird zu viel operiert
„Als ich vor über zwanzig Jahren meine Praxis eröffnete, war es ganz normal, Rückenschmerzen durch OPs zu beseitigen“, sagt Dr. Florian Alfen im Interview. Der Facharzt für Orthopädie, Sportmedizin und Chirotherapie aus Würzburg führte die endoskopische Wirbelsäulenchirurgie in vielen Ländern ein. Davor operierte man bei Bandscheibenvorfällen & Co. am offenen Rücken, die Patienten lagen lange in der Klinik, brauchten monatelang Reha.
Mit dem von ihm entwickelten Eingriff konnten sie am gleichen Tag aus der Klinik spazieren. Alfen ist in der ganzen Welt unterwegs, operiert Leistungssportler, Mitglieder von Königshäusern. Hunderte Eingriffe. Aber selbst diese minimalinvasive Methode will er heute am liebsten gar nicht mehr einsetzen. Denn er ist überzeugt: Es wird zu viel operiert, dabei kann man Schmerzen und Bandscheibenvorfälle vermeiden, sogar bestehende Bandscheibenvorfälle ohne OP so behandeln, dass die Heilung ideal beschleunigt wird und sich der Vorfall meist vollständig zurückbildet. Mit einem Training, das nur zwei Minuten dauert. Und das man nach einer anfänglichen Aufbauphase meist nur einmal im Monat braucht.

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Dr. Florian Alfen vor der Maschine zur Stärkung der Halswirbelsäule. In seinem Buch „Der Rückenoperateur, der sich nicht selbst operieren konnte“ (ab 6. März im Handel, GU-Verlag, 21,99 Euro) schildert er seinen Bandscheibenvorfall.
Die Wende kam für Alfen 2008. Er erlitt selbst einen großen Bandscheibenvorfall. Bewegung kaum noch möglich, Karriere in Gefahr. „Die endoskopische OP kam für mich nicht infrage – ich war ja bis dato der Erfahrenste in dem Bereich. Und mich selbst operieren, ging nicht.“ Alfen tut das, was die meisten mit Diagnose Bandscheibenvorfall tun (und alle mit dauerhaften Rückenschmerzen generell): Schmerzmittel, Cortisonspritzen, Physiotherapie, Massagen, Schonung. Es wird nicht besser. Dann stellt er sich die Frage, die verblüffenderweise gar nicht im Vordergrund steht: Woher kommt das eigentlich?
Alfen ist jung, schlank, sportlich. Warum also ein Bandscheibenvorfall? Warum macht der Rücken schlapp? „Die tiefe Rückenmuskulatur spielt eine wichtige Rolle“, erklärt er. Ist sie stark, haben wir weniger Probleme mit „Rücken“. Die Krux: „Diese Muskelpartie liegt sehr nah an der Wirbelsäule, lässt sich nicht willentlich beeinflussen bzw. steuern. Sie muss isoliert trainiert werden. Das geht nur mit speziellen Geräten.“ Und solche werden bei akuten Bandscheibenvorfällen gar nicht eingesetzt, höchstens in der Reha.
Alfen will wissen, ob es nicht Sinn macht, diese autochthone Rückenmuskulatur auch mit Bandscheibenvorfall zu trainieren. Im Selbstversuch beginnt er mit wenig Gewicht und kleinem Winkel. Damals auf Geräten beim Kiesertraining. Steigert das Gewicht stetig. Dann sind die Schmerzen plötzlich weg. Und der Bandscheibenvorfall ist im MRT nicht mehr zu sehen.
„Das hat mich nicht mehr losgelassen, also haben wir damit begonnen, die Maschinen selbst bauen zu lassen, mit Verbesserungen, mit Software, die automatisiert das passende Gewicht und den richtigen Winkel bei verschiedenen Krankheitsbildern des Nackens und Rückens ermittelt.“ Powerspine nennt er diese Methode.
„Damit lassen sich fast neunzig Prozent aller akuten oder chronischen Rückenschmerzen beseitigen oder stark verbessern, das gilt selbst für schwere Diagnosen und Fälle, die bereits einmal oder mehrfach operiert wurden, aber immer noch nicht beschwerdefrei sind“, sagt uns Dr. Florian Alfen. „Man kann präventiv das Risiko für das erstmalige Auftreten von Rückenschmerzen deutlich senken.“
Heute operiert er nur noch drei bis sechs Mal im Monat, „und auch nur dann, wenn der Patient Lähmungs- bzw. Ausfallerscheinungen von Nerven oder Blasen-/Darmschwäche hat“. Den Rest bekommt er mit Powerspine in den Griff. Mit dem Geld, dass er mit seiner Praxis erwirtschaftet, finanziert er Studien zur Wirksamkeit. „Mehrere Studien und Veröffentlichungen, die in Kooperation mit lokalen und internationalen Universitäten durchgeführt wurden, bestätigen die Wirksamkeit.“
Orthopäde kämpft für Kassenzulassung seines Trainings
Er will die Kassenzulassung, damit auch gesetzlich Versicherte diese Behandlung bezahlt bekommen. Bisher geht das nur bei Privatpatienten. Es ist ein Kampf gegen Windmühlen. Dabei wäre es so viel günstiger. Alfen rechnet vor: „Eine OP am offenen Rücken kostet rund 5000 Euro, Rehamaßnahmen sowie mögliche Folgetherapien nicht einkalkuliert. Erfolgsquote: nur rund 60 Prozent.“ Und die Patienten fallen vier bis acht Monate im Job aus. „Eine endoskopische OP kostet auch etwa 5000 Euro. Erfolgsquote immerhin 80 Prozent, man ist nach drei bis vier Wochen wieder fit. Viele sogar früher.“
Aber: Die Kosten für eine medizinische Kräftigungstherapie der tiefen Rückenmuskulatur wie mit Powerspine liegen nur bei 1500 Euro – „die Trefferquote beträgt knapp 90 Prozent“, so der Wirbelsäulenoperateur. „Ohne Reha, ohne Ausfallzeiten.“ Aber: OP-Vermeidung liegt nicht Fokus. Sollte sie aber. Denn die Patienten werden immer mehr – und sie werden immer jünger. „Heute habe ich schon 25 Prozent Patienten unter 30 Jahren bei mir in der Praxis. Wollen wir die alle operieren? Das geht doch nicht! Operieren ist keine ursächliche Therapie!“ Ran an die Ursache, dann kann man Rückenschmerzen verbannen, ist Alfen sicher.
Der Selbsttest: EXPRESS „stemmte“ sich gegen Rückenschmerzen
Ein superkurzes Training, das Rücken- und Nackenschmerzen langfristig verbannt? Unsere Redakteurin (43) plagen Schmerzen im Lendenwirbelbereich und vor allem an Nacken und Schultern. Typisch „Schreibtischtäter“. Immer wieder Physiotherapie, Massagen, Schmerzmittel. Probieren wir Powerspine. Neun Wochen lang geht es zweimal pro Woche in die Kölner Privatpraxis Orthopädie Lindenthal von Dr. Marko Niederhaus. Der hatte Powerspine auf einem Kongress gesehen, sich die MRT-Bilder angeschaut. „Da hat man deutliche Veränderungen gesehen, das hat mich überzeugt.“
Also ran an die Geräte, 120 bis 150 Sekunden jeweils für Lendenwirbel- und Nackenbereich. Man wird festgeschnallt, damit man nur die Tiefenmuskulatur bewegt, und nicht mit Armen oder Beinen nachhilft. Ungewohnt, aber nicht unangenehm. Zuvor eine Untersuchung: Wie sieht die Wirbelsäule aus, was gibt es sonst für Erkrankungen? Und ein Krafttest. Das Ergebnis im Nacken ist ernüchternd: 55 Prozent unter Durchschnitt der Alters- und Gewichtsklasse. Tiefenmuskulatur so stark wie bei einem kleinen Mädchen. Autsch.

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Powerspine-Training in der Privatpraxis Orthopädie Lindenthal Nackenmuskulatur-Maschine, EXPRESS-Redakteurin Marie Schäfers beim Training für die Tiefenmuskulatur der Halswirbelsäule.
Wir beginnen bei der Lendenmuskulatur mit 60, beim Nacken mit 40 Kilo. Nach zwölf Wiederholungen ist alles durch, dauert wirklich nur 2-3 Minuten. Eine Software kontrolliert, ob man die Bewegung richtig macht, die Geschwindigkeit stimmt. Es wird zur Challenge, synchron mit dem vorgegebenen Tempo zu sein. Mit zunehmendem Gewicht wird es schwerer. Mal gibt es Muskelkater am nächsten Tag, aber nicht immer.
Im Lendenwirbelbereich ist nach Sitzung 1 schon was spürbar, nach Sitzung 5 ist kein Schmerz mehr da. Anders beim Nacken. Kurz nach dem Training merkt man, der Kopf lässt sich weiter nach vorne und hinten bewegen. Der Effekt verflüchtigt sich aber wieder.
Powerspine im Selbsttest: Geduld, Gewicht und Mut
In Sitzung 10 sorgt eine komische Bewegung für ein böses Ziehen. Eigene Schuld, zu sehr auf dem Sitz rumgelümmelt. Noch mal mit dem Gewicht runter. Irgendwie fehlt da der Aha-Effekt. Anruf bei Dr. Alfens Team. Muss das so? Gegenfrage: „Wie oft gehen Sie an ihre Grenzen, wie viele Wiederholungen würden noch gehen?“ Zu viele. Es soll anstrengend sein, sonst sei der Reiz für die Tiefenmuskulatur zu gering. „Sie müssen in die Auslastung!“. Gewicht rauf.
Der Durchbruch beim „bösen Nacken“ kommt in Sitzung 15, plötzlich gehen doppelt so viele Kilos wie am Anfang ohne Probleme. Der Krafttest zeigt nach neun Wochen: im Normbereich angekommen. Jetzt kommt die Erhaltungsphase, einmal im Monat Training, zwei Minuten pro Maschine Zeit investieren. Vor allem die Zeit-/Nutzen-Relation ist sehr gut. Keine stundenlangen Trainings, man bleibt in normalen Klamotten, kann die Sitzungen locker vor/nach der Arbeit erledigen. Der Preis ist üppig, aber relativiert sich, wenn man zusammenrechnet, was vorher für Physio, Massage, Schmerzmittel und Wärmepflaster ausgegeben wurde. Und so gut wie schmerzfrei zu sein: unbezahlbar. Aber: Man braucht Geduld. Und Mut, vom Gewicht her an die Grenzen zu gehen.