Das Nahrungsergänzungsmittel Kreatin war in den vergangenen Jahrzehnten fast nur in der Sport- und Fitness-Szene bekannt. Es ist aber für mehr Menschen interessant. Hier gibt es alle Informationen.
Hype um WundermittelHier gibt es alle Infos zu Kreatin – hilft es bei Long Covid?
Für viele ist es ein sogenanntes Wundermittel: Kreatin (oder Creatin) sorgt seit einigen Monaten nicht nur in Deutschland für einen ungeahnten Hype.
Anfang Januar 2023 schaffte es das weiße Pulver sogar ins Sortiment von Aldi. Die Nachfrage ist aktuell so riesig, dass die Vorräte schon nach wenigen Stunden vergriffen waren. Auch in zahlreichen Drogerieketten wie Rossmann oder in gängigen Internetshops ist Kreatin derzeit kaum lieferbar.
Warum ist das Nahrungsergänzungsmittel plötzlich so gefragt? Für wen ist es sinnvoll? Und was ist Kreatin überhaupt? EXPRESS.de beantwortet die wichtigsten Fragen über Kreatin – wir haben dabei einige wichtige Erkenntnisse zusammengetragen.
Was ist Kreatin?
Kreatin ist eine Kohlenstoff-Stickstoff-Verbindung, die vom Körper selber aus mehreren Aminosäuren gebildet wird. Das Molekül trägt zur Herstellung von ATP bei, dem Hauptenergieträger im Körper, und ist somit ein wichtiger Teil des Energiestoffwechsels.
Kreatin ist als körpereigener Stoff nur in Fleisch und Fisch in geringen Mengen vorhanden.
Was bewirkt Kreatin?
Kreatin sorgt für körperliche Leistungsfähigkeit in allen energieintensiven Körperfunktionen. So wird es zum Beispiel bei intensiver Muskelbeanspruchung zur ATP-Synthese herangezogen. ATP ist die eigentliche Energie, die alle Zellen und somit auch unsere Muskulatur arbeiten lässt.
Kreatin sorgt also bei regelmäßigem und intensiven Training für den Muskelaufbau und die Steigerung von Kraft und Ausdauer. Arne Greskowiak, der als Athletiktrainer die Kölner Haie, die deutsche Basketball Nationalmannschaft sowie zahlreiche Profisportler wie NBA-Star Dennis Schröder und NHL-Spieler Leon Draisaitl betreut, sagt gegenüber EXPRESS.de: „Kreatin ist durchaus ein interessantes und legales Nahrungsergänzungsmittel. Aber wie bei allen Supplements gilt: alleine die Einnahme bringt nichts. Man muss auch entsprechend trainieren.“
Ist Kreatin verboten?
Nein, es handelt sich um ein legales Nahrungsergänzungsmittel und ist auch auf der Positivliste erlaubter Substanzen (Kölner Liste) im Sport. Eine breitere Nutzung wurde im Hochleistungssport rund um die Olympischen Spiele 1992 öffentlich.
Zuvor wurde das Mittel fast ausschließlich im Bodybuilding und Kraftsport wie Gewichtheben eingesetzt. Es handelt sich nicht um ein Dopingmittel, sondern hat als körpereigener Stoff inzwischen Einzug in alle Fitnessbereich gehalten. Auch bei Olympia ist es ausdrücklich zugelassen.
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Wie gut ist Kreatin erforscht?
Kreatin ist das am meisten und am besten erforschte Molekül im Körper. Es gibt rund 62.000 Studien zu Kreatin.
Hat Kreatin negative oder unerwünschte Nebenwirkungen?
Wer zu viel einnimmt, kann Durchfall bekommen. Ansonsten sind bisher keine gravierenden Nebenwirkungen bekannt. Eine Problematik sind allerdings Nierenerkrankungen. Wer Kreatin zu sich nimmt, scheidet automatisch auch mehr Kreatinin über den Urin aus. Da Kreatinin ein Marker für mögliche Erkrankungen der Niere sind, sollte der Ärztin oder dem Arzt vor der Untersuchung mitgeteilt werden, dass man Kreatin zu sich nimmt. Bei einer bestehenden Nierenerkrankung sollte eine zusätzliche Einnahme vermieden werden.
Warum gibt es Kreatin als Nahrungsergänzungsmittel, wenn es doch vom eigenen Körper produziert wird?
Weil Kreatin für den Körper so wichtig ist, stellt er rund zwei Drittel des Bedarfs an Kreatin selber her. Wer seine Kreatindepots im Körper vollständig füllen will, müsste am Tag zusätzlich 600 Gramm rohes Fleisch (roh, weil Kreatin hitzeempfindlich ist), 600 Gramm rohen Fisch oder 30 Liter Milch zu sich nehmen. Deshalb gibt es Kreatin als Nahrungsergänzungsmittel.
Wie viel Kreatin sollte am Tag als Nahrungsergänzungsmittel eingenommen werden?
Zwischen 3 und 5 Gramm am Tag werden empfohlen.
Kann ich Kreatin dauerhaft nehmen?
Experten raten, wie bei jedem Supplement, von Zeit zu Zeit zu einer Pause bei der Einnahme. Athletik-Trainer Greskowiak rät: „Man sollte es nicht dauerhaft einnehmen. Nach einer Ladephase (vier bis fünf Tage mit 20 Gramm, empfohlen bei starker sportlicher Belastung, Anm. d. Red.) sind fünf Gramm am Tag ein guter Richtwert. Das Mittel sollte man aber nur phasenweise einnehmen.“
Ist Kreatin nur etwas für Sportlerinnen und Sportler?
Die aktuell hohe Nachfrage resultiert auch aus Studien, die dem Wundermittel für viele Menschen interessante Wirkungen bescheinigen. Die wichtigsten Erkenntnisse: Kraft wird gesteigert, sekundäre Muskulatur wie Herz und Lunge werden gestärkt. Kreatin wirkt zudem positiv auf die kognitive Leistungsfähigkeit, weil es Energie bereitstellt – und unser Gehirn verbraucht täglich rund 20 Prozent der gesamt benötigten Energie.
Ab einem Alter von 30 Jahren nimmt die Muskulatur im Körper im Schnitt um etwas weniger als ein Prozent ab. Mit Kreatin-Zufuhr kann man laut Studien diesen schleichenden Muskelschwund komplett stoppen. Kreatin ist also auch für ältere Menschen interessant. Es gibt speziell für Muskelabbau im Alter (Sarkopenie) entwickelte Kreatinprodukte.
Hilft Kreatin gegen Long Covid?
Erste Untersuchungen zeigen Anhaltspunkte, dass Kreatin einen Beitrag zur Linderung von Symptomen von Long Covid leisten kann. Es laufen bei mehreren Universitäten Untersuchungen, ob eine Kreatinsupplementierung als Bestandteil einer umfassenden Therapie helfen kann, einige Symptome von Long Covid (zum Beispiel Antriebslosigkeit, Belastungsintoleranz) zu lindern.
Wissenschaftliche Beweise hierfür liegen noch nicht abschließend vor, aber erste Zwischenergebnisse lassen hoffen. Aktuell sind weitere Studien geplant.
Gibt es Qualitätsunterschiede bei Kreatin?
Ein Großteil des synthetisch hergestellten Kreatins kommt aus China. Außerhalb Chinas gibt es nur das Unternehmen Alzchem, was Kreatin herstellt, das Produkt heißt Creapure.
Die günstigste Form ist Kreatinmonohydrat – es ist auch das am besten erforschte und wirksamste Kreatin mit einer Bioverfügbarkeit von 99 Prozent.
Wie groß ist der Bedarf an Kreatin?
Weltweit werden aktuell weit über 10.000 Tonnen Kreatin pro Jahr verkauft. Da die Nachfrage extrem steigt, plant das deutsche Unternehmen Alzchem eine zweite Produktionsanlage in Betrieb zu nehmen.
Ist Kreatin als Nahrungsergänzungsmittel vegan?
Ja, das synthetisch hergestellte Kreatin ist ein baugleiches Molekül und wird ohne tierische Produkte hergestellt. Es ist damit auch koscher und halal.