Gärtnern kann glücklich machen, gut für die Gesundheit ist es allemal. Wir haben mit einem Experten über das Glück, das in den Beeten liegt, gesprochen. Außerdem gibt's einen „Gartentypen-Selbsttest“.
Alles im grünen BereichGroßer Check: Welcher Gartentyp bin ich?
„Ich brauche keinen Therapeuten, ich habe einen Garten“: In gefühlt jeder zweiten Privatparzelle hängt ein Blechschild mit diesem Spruch. Lustig, aber auch wahr? Macht Gärtnern wirklich glücklich? Und wenn ja, sind es eher die abgezirkelten Rabatten oder der lässig-bienenfreundliche Wildwuchs, die das Herz erfreuen und die Seele befrieden?
Andreas Niepel ist Gartentherapeut, Autor des Buches „Wohlfühlgärtnern“ (Hogrefe Verlag; 29,95 Euro) er kennt sich aus mit großen Emotionen und kleinen Schwächen zwischen Kräuterspirale und Staudenbeet.
Gartentherapeut erklärt: Nach dem Scheitern kommt das Glück
Herr Niepel, wie ist das denn jetzt mit dem Garten und dem Glück? „Ich glaube ganz ehrlich, dass das Gärtnern eine ständige Aneinanderreihung von Scheitern schafft: Der Giersch ist mühsam gejätet und schon wieder da, die Läuse haben die Rosen in Ruhe gelassen, da haben die weißen Fliegen die Tomaten entdeckt und der Rasen hat sein Faible für Moos entwickelt. Irgendwann einmal erlebt man aber den Punkt, wo man das anerkennt und auch erträgt, wo man sich davon löst, wie toll der Garten irgendwann aussehen muss – man ist einfach zufrieden mit dem Moment“, sagt er dem EXPRESS: „Gärtnern kann uns ein wenig besser darin machen, Misserfolge zu ertragen. Und das ist wahrscheinlich dann eine gute Erklärung, warum man, wie auf dem Blechschild geschrieben, keinen Therapeuten braucht.“
Wichtig sei, sich klarzumachen, was man vom Garten erwarte und sich nicht zu übernehmen. Für ihn bedeutet Gärtnern auch, dass man sich im System Natur pflegend, bewahrend und gestaltend bewegt.
So gut kann Gartenarbeit für die Gesundheit sein
Und ein Garten kann wirklich glücklich machen. Andreas Niepel beschreibt es in seinem Buch anschaulich so: „Spätestens seit Corona, als stolze Gartenbesitzer angesichts der neidischen Blicke von Nicht-Gartenbesitzern das Gefühl hatten, dass dieser Garten plötzlich so etwas wie ein neues Statussymbol war – der Sylt-Aufkleber der 2020er Jahre –ist der Garten eine Art Sehnsuchtsort für viele geworden.“
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Glück im Garten entsteht, so erläutert es der Therapeut im Gespräch mit EXPRESS, durch Gärtnern, die Interaktion zwischen uns und der Umwelt. „Wir kennen es auch aus anderen Situationen: Dass wir uns immer dann gut fühlen, wenn wir spüren, dass wir gebraucht werden und Positives bewirken. In der Familie, im Verein oder am Arbeitsplatz.“ Und Gärtnern bedeute, dass man sich in der Natur pflegend, bewahrend und gestaltend bewegt: „Das kann durchaus ein Glücksgefühl erzeugen!“
Vielen Studien zufolge kann Gärtnern entstressen: Unter anderem sinken der Level des „Stresshormons“ Cortisol sowie der Blutdruck, die Atmung verbessert sich, der Blutkreislauf wird angeregt, die Seele wird gestreichelt. Doch entspanntes Glück im Garten kommt nicht von ungefähr. „Es reicht nicht, dass ich anfange, meinen Kartoffelacker umzugraben und zack! – bin ich innerlich neu geordnet“, sagt Niepel. „Geglücktes Gärtnern ist ein Lernprozess, bei dem fiese alte Leitsätze und innere Antreiber wie ‚Wenn es gut sein soll, mach es selbst‘ oder ‚Ohne Fleiß kein Preis‘ durchaus entschärft werden können. Beim Gärtnern kann man diese ersetzen etwa durch ‚Du kannst und musst nicht alles hier kontrollieren‘ oder ‚Irgendwas gibt's am Ende immer zu ernten‘.“
Den Rheinländern, so Niepel, könne das vertraut vorkommen: „Stichwort Et kütt, wie et kütt und et hätt noch immer jot jejange sowas sagt mir auf jeden Fall mein Gärtnern seit Jahrzehnten!“
Die besten Pflanztipps für Garten-Einsteiger
Der Wille und der Platz sind da, aber was pflanzt der „Glücksgärtner“ idealerweise? Therapeut Niepel sagt: „Einsteigern empfehle ich Pflanzen, die man von Aussaat bis Ernte begleiten kann. Dann solche, die ziemlich gut gelingen (z. B. Salvien). Schließlich jene, um die man sich immer ein wenig kümmern muss, die das aber auch quittieren. Das spricht für einjährige Pflanzen, die man im Frühjahr sät und dann über den Sommer bringt. Die sind umso besser drauf, je mehr man sich um sie kümmert, im Idealfall aber auch Fehler verzeihen. Konkret ist wohl genau aus diesem Grund die Tomate die Lieblingspflanze aller Hobbygärtner! Ich rate auch zu Kartoffeln oder Erbsen und Bohnen, die sind nicht ganz so divenhaft.“
- Studenten- und Sonnenblumen: „Von ihnen lassen sich Sämereien fürs nächste Jahr gewinnen. Das bindet uns zusätzlich in den natürlichen Jahresprozess ein.“
- Gleiches gelte für Dahlien und Gladiolen, von denen schon Oma und Opa im Spätherbst die Knollen ausbuddelten und im Frühjahr wieder einsetzten.
- Wenn's um die Ernte gehe, komme die große Anzahl an Kräutern und Gewürzen, von Lavendel bis Schnittlauch, hinzu.
- Und dann, so rät er, „kann man sich Stück für Stück in zunehmend kompliziertere Felder hineinarbeiten wie Stauden, Kleingehölze, und viele mehr. “
Beim Gärtnern kommt's doch auf die Größe an
Geht großes Gärtnerglück nur im Garten? Andreas Niepel: „Okay, machen wir uns nix vor: Die Größe zählt! Insbesondere, wenn ein Garten die Chance bieten soll, eine kleine Alltags-Flucht zu schaffen. Weg-Sein ist eine der positivsten Eigenschaften, die einem ein Garten verschaffen kann. Und das fällt natürlich schwer beim Kübelgärtnern auf dem Balkon.“
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Aber es gibt aus Expertensicht auch positiv Überraschendes im Kleinen, gerade für Anfänger: „Nehmen Sie einen Blumenkasten, holen Sie sich ein wenig Boden vom nächsten Acker (vorher um Erlaubnis bitten!) und warten Sie ab, was so von sich aus keimt. Im nächsten Schritt versuchen, ein paar dieser Zufallspflanzen besonders zu unterstützen, später vielleicht das Ganze gezielt zu ergänzen. Macht auf jeden Fall mehr Spaß, als fertige Stauden aus dem Gartencenter nach Vorgabe einzusetzen!“