Colorado ist Wintersportstaat Nummer eins in den USA. Etliche Skigebiete werben um die Gunst der Gäste. Die beiden bekanntesten verbindet eine Rivalität wie in Deutschland nur die Karnevalshochburgen.
Top-US-SkigebieteBayern-Double und Eitelkeiten - Aspen und Vail im Vergleich
Luftlinie sind es gerade mal 63 Kilometer von Aspen nach Vail. Und dennoch trennen die berühmtesten Skigebiete der USA Welten. Aspen oder Vail? Das ist für US-Skifahrer und Snowboarder eine Glaubensfrage.
Für Außenstehende ist diese Rivalität genauso unverständlich wie die zwischen den deutschen Karnevalshochburgen. Skifans aber können ewig darüber streiten, wer die wahre Nummer eins der US-Skiszene ist.
„Vail hat den Berg, Aspen die Stadt“, lautet ein alter Spruch – und da ist etwas Wahres dran. Als das Vail Ski Resort 1962 auf Viehweiden neben dem Highway Interstate 70 aus dem Boden gestampft wurde, war Aspen schon berühmt: Das Städtchen mit Backsteingebäuden und bunten viktorianischen Holzhäusern war einst eine schillernde Silberminenstadt, bevor es sich nach dem Niedergang der Bergwerke 1946 als Skiort neu erfand.
Vail dagegen ist nur entstanden, weil der Vail Mountain wie für ein Skigebiet gemacht schien. Pete Seibert, ein früherer Gebirgsjäger aus Colorado, baute mit Hilfe von Geldgebern die ersten Pisten und Lifte in den White River National Forrest. Wo inzwischen 5.000 Einwohner leben, gab es zunächst nur einen Skiverleih, einen Skishop und ein Hotel mit Restaurant, den Gasthof Pepi Gramshammer.
Vail - ein bayerisches Fake-Dorf
Der frühere österreichische Skirennläufer Gramshammer baute sein Hotel im typischen Alpenstil in die Rocky Mountains und wurde damit zum Trendsetter. Vail wuchs und glich anfangs einem bayerischen oder österreichischen Dorf. An Balkonen blühten im Sommer Geranien, die Hausfassaden wurden mit Lüftlmalerei verziert, und in holzvertäfelten Stuben kamen Schweinsbraten und Kaiserschmarrn auf den Tisch.
Vail ist ein Fake-Bayern-Dorf - so witzelten viele Aspener. In den Spott mischte sich aber auch Neid. Das „Little Bavaria in Colorado“ kam nämlich gut an. Vail boomte, auch dank neuer Investoren wie Karlheinz Fäßler aus Deutschland. Wie Gramshammer war auch Fäßler ein ehemaliger Weltklasse-Skirennläufer, bevor er Hotelier wurde. Der Bayer erkannte Vails Potenzial und eröffnete dort eine einfache Dependance seiner Allgäuer Sonnenalp.
Diese ist inzwischen ein Top-Hotel und ein Aushängeschild des Ortes. Fäßlers Sohn, Johannes, ist als Hoteldirektor so etwas wie der inoffizielle Botschafter des Freistaats in den Rockys. Mit diplomatischer Bescheidenheit spielt er die Bedeutung seiner Familie am Aufstieg des Ortes herunter. „Als wir nach Vail kamen, hatten Leute wie Gramshammer und andere schon den Grundstein gelegt.“
Tatsächlich aber ist die Sonnenalp, in der zur Ski-WM 2015 in Vail und Beaver Creek das Team des Deutschen Skiverbands rund um Felix Neureuther abstieg, zu einer bayerischen Institution in Vail geworden. Die Hotelbetten haben gedrechselte Pfosten, über den Kaminen hängen Geweihe, das Gourmetrestaurant heißt „Ludwigs Stüberl“ und im „Swiss Chalet“ gibt es zur „Hüttenmusi“ Wiener Schnitzel, Zürcher Geschnetzeltes, Fondue und deutsches Bier.
Der erste Daunenanorak der Welt
Klaus Obermeyer würde sich dort wie zu Hause fühlen. Der gerne jodelnde Bayer aber wohnt ausgerechnet in Aspen. Dort wird der inzwischen 104-Jährige wie eine lebende Ikone verehrt. Als der Oberstaufener Ende der 1940er-Jahre in die USA auswanderte, gab es Vail noch gar nicht.
Weil er als Flugzeugingenieur nach dem Zweiten Weltkrieg keine Arbeit fand, schlug er sich als Skilehrer durch - und wie: Er brachte Hollywood-Stars wie Gary Cooper und Ingrid Bergmann das Skifahren bei. „Na, die Bergmann, die war fesch und so lieb“, erinnert sich Obermeyer. „Aber ihr Ehemann war so eifersüchtig, dass er uns nie aus den Augen gelassen hat.“
Heißblütige Ehemänner machten dem Charmeur aber weniger Probleme als die Kälte in den Rockys. „Mir sind die Skischüler in ihren Wolljacken fast erfroren“, erinnert sich der Bayer. Da kam dem Tüftler die Idee, aus einer Daunendecke einen Anorak zu schneidern. „Darin sah man zwar aus wie der Michelin-Mann, aber er war warm.“
Ein Skischüler zahlte ihm die damals stolze Summe von 250 Dollar für den ersten Daunenanorak der Welt. Schnell perfektionierte er die Jacke, ließ sie in Serie produzieren und schuf so den Grundstein für die Sportmodenfirma Obermeyer Sports.
Auch mit 104 Jahren sitzt der Unermüdliche noch regelmäßig als „President“ im Chefbüro der Firma. Auf die Bretter steigt er aber nicht mehr - wenn auch erst seit Kurzem. „An meinem 103. Geburtstag habe ich 100 Jahre auf Ski gefeiert“, erzählt Obermeyer.
Vom Skilehrer zum Millionär
Für ihn ist der „American Dream“ wahr geworden. Vom Skilehrer hat er es zum Millionär gebracht, auch weil er mit einer Innovation nach der anderen aufwartete: Er erfand unter anderem eine verspiegelte Skisonnenbrille und entwickelte mit dem österreichischen Skirennläufer und Freund Friedl Pfeiffer für die Höhe eine Sunblocker-Creme. Auch die moderne Skiausrüstung brachte er voran, indem er etwa eine frühe Skibremse an die Bretter baute.
Trotz seines Erfolgs ist der lebenslustige Bayer bodenständig geblieben – und damit passt er eigentlich gar nicht so gut in das glamouröse Aspen. Vor allem rund um Weihnachten und Silvester verwandelt sich das „St. Moritz Amerikas“ in eine weiße Bühne der Eitelkeiten. Dann schweben Hunderte Privatjets ein.
Stars und Sternchen bummeln durch Edelboutiquen, führen zum Snow-Polo ihre Pelzmäntel aus, schlemmen in teuren Restaurants und schlürfen Champagner in der Bar des feinen Little Nell-Hotels an der Talabfahrt. A-Promis werden von Paparazzi verfolgt, während die B-Prominenz Instagram-Selfies in die Welt sendet.
„Aspen ist Hollywood – Vail die Wall Street“, sagen sie in Colorado. Oder wie ein altgedienter Skilehrer in Vail einmal süffisant bemerkte: „In Vail haben die Wirtschaftsbosse ihre Häuser, für die die Aspener Promis arbeiten.“
Tatsächlich halten sich die Superreichen in Vail und im benachbarten Schwester-Resort Beaver Creek bedeckter, obwohl ihre Villen nicht kleiner oder billiger sind als die in Aspen. Toplagen kosten mittlerweile auch in Vail Dutzende Millionen Dollar. Neben den alpinen Gasthöfen sind dort längst auch Fünfsternehotels mit kosmopolitischem Flair entstanden.
Puderschnee und ultimative Herausforderungen
Das erste Haus am Platz ist inzwischen ein Four Seasons-Resort und dessen „The Remedy Bar“ eine der angesagtesten Après-Ski-Locations der Stadt. Von der Theke blickt man direkt auf das Skigebiet, mit dem alles anfing und das mit Mikaela Shiffrin und Lindsey Vonn zwei der erfolgreichsten Skirennläuferinnen aller Zeiten hervorgebracht hat.
Mit einer befahrbaren Fläche von 21,4 Quadratkilometern ist der Vail Mountain eines der größten und besten Skigebiete der Welt. Die „Front Side“ ist überzogen mit perfekt präparierten Pisten. Auf der Rückseite liegen die Waldabfahrten von „Blue Sky Basin“ und die legendären Tiefschneehänge der Täler „Back Bowls“.
Aspen muss alle seine vier mit Skibussen verbundenen Berge - Aspen Mountain, Highlands, Buttermilk und Snowmass - zusammenrechnen, um auf Vails Größe zu kommen. Dafür punktet es wegen der größeren Entfernung zu Denver mit weniger befahrenen Pisten und steileren Hängen. Mit einem Gefälle von 48 Grad gilt die „Highlands Bowl“ als ultimative Herausforderung.
Der Ski-Weltcup gastiert in beiden Orten. Aspen trägt zudem die X-Games aus, bei denen Trickskifahrer akrobatische Sprünge über Mega-Schanzen vorführen. Die Freestyler passen gut nach Aspen, das neben der wachsenden Schickeria auch noch Platz für alte Hippies und Aussteiger hat. Schon lange bevor Kiffen in Colorado legalisiert wurde, zog in Aspen der süße Duft von Marihuana durch die Straßen. Aspen zelebriert seinen liberalen Lifestyle - auch in Abgrenzung zum konservativeren Vail.
Europäische Wintersportler werden von Aspen und Vail gleichermaßen begeistert sein. Beide locken mit erstklassigem Service, bestens präparierten Pisten, anspruchsvollen Geländeabfahrten durch Wälder, die hier bis in die Gipfelbereiche wachsen, sowie traumhaftem Schnee.
Dank der trockenen und kalten Luft in den Skigebieten ist der „Powder“ oft so fluffig, dass sich nicht mal ein Schneeball daraus formen lässt. Auch die Mengen sind beachtlich: Aspen kam in den vergangenen zehn Jahren durchschnittlich auf rund 7,5 Meter Schnee pro Saison. Das ist mehr als doppelt so viel wie am Arlberg, der in den Alpen als schneereich bekannt ist.
Links, Tipps, Praktisches:
Reiseziel: Die Skigebiete Vail und Aspen Snowmass liegen im Bundesstaat Colorado im Westen der USA in Höhenlagen zwischen 2.500 und 3.800 Metern. Colorado, über weite Teile geprägt von den Rocky Mountains, ist der Skistaat Nummer eins in den USA. Es gibt Dutzende weitere Skigebiete mit top präparierten Pisten und herausfordernden Geländeabfahrten.
An- und Einreise: Deutsche Staatsangehörige benötigen einen gültigen Reisepass sowie eine elektronische Einreisegenehmigung (Esta). Sie kostet 21 Dollar.
Reisezeit und Preise: Die Skisaison geht von Mitte/Ende November bis Mitte April. In beiden Skigebieten sind die Liftpasspreise hoch. Tageskarten kosten an die 300 US-Dollar. Je nach Länge des Aufenthaltes kommt man mit einem Saisonpass billiger weg. Mit Vails „Epic Pass“ können Urlauber in Colorado in Beaver Creek, Breckenridge und Keystone frei fahren. Aspens Ikon-Pass ermöglicht freien Zugang in Copper Mountain und Winter Park, zwei Geheimtipps mit hervorragenden Skigebieten und deutlich günstigeren Preisen.
Währung: 1 US-Dollar entspricht 0,92 Euro (Stand 22.10.2024)
Zeitverschiebung: Denver ist gegenüber Deutschland acht Stunden zurück.
Weitere Auskünfte: Colorado Tourism; Aspen Snowmass; Vail (dpa)