Die Kreuzfahrtbranche muss umweltfreundlicher werden, Reedereien setzen aufs Flüssiggas LNG. Wir haben uns an Bord der „MSC Euribia“ umgesehen – auch im Maschinenraum.
Kreuzfahrtriese mit alternativem AntriebNoch vor Jungfernfahrt: EXPRESS checkt „Zukunftsschiff“
Als Schauspieldiva Sophia Loren (88) vor einigen Tagen in Kopenhagen als Taufpatin die Magnum-Champagnerflasche an der Bordwand der „MSC Euribia“ zerschellen ließ, war dies das Startsignal in eine nachhaltigere Zukunft. Nicht nur für ein Schiff, sondern für die gesamte Kreuzschifffahrtsbranche. Das neue Flaggschiff der Schweizer Reederei ist so etwas wie das Übermorgen-Schiff auf den Weltmeeren.
EXPRESS war bei der Taufzeremonie dabei und inspizierte das neue Wunderwerk der Technik noch vor der Jungfernfahrt mit Passagieren und Passagierinnen von Kiel in die norwegischen Fjorde.
Kreuzfahrt: So reist es sich mit Flüssiggas-Antrieb
Als die „AIDAnova“ im Jahr 2018 als erstes Kreuzfahrtschiff mit LNG-Antrieb vom Stapel gelassen wurde und 2019 die „Costa Smeralda“ folgte (beide von der Meyer-Werft in Papenburg bzw. Turku hergestellt), war der Aufschrei groß, dass ausgerechnet der Branchenriese MSC (weltgrößtes privates Kreuzfahrtunternehmen) die Entwicklung verschlafen habe und weiterhin mit Schiffsdiesel über die Weltmeere fahre.
Erst mit der im November 2022 vor der Fußball-WM in Katar in Doha getauften „MSC World Europa“ änderte sich das, und jetzt stellte die Schweizer Reederei mit der „MSC Euribia“ ihr zweites LNG-Schiff in den Dienst. Und der neue Ozeanriese (231 Meter lang, 43 Meter breit und 73,6 Meter hoch, 6334 Passagiere) ist nicht nur auf LNG ausgerichtet, sondern auch schon auf im Moment noch nicht in größeren Mengen verfügbare erneuerbare Kraftstoffe.
„Wir designen ein Schiff für den Zeitraum von 30 Jahren“, erklärt MSC-Senior-Vizepräsident Michele Francioni. Heißt: Da sich MSC selbst verpflichtet, bis zum Jahr 2050 komplett klimaneutrale Kreuzfahrten durchzuführen, ist die „Euribia“ in naher Zukunft auch auf noch effizientere und sauberere Kraftstoffe umrüstbar.
MSC-Chef Pierfrancesco Vago sagt: „Es ist uns wichtig, dass unsere Schiffe, die heute gebaut werden, für die neuen, nachhaltigen Kraftstoffe, die sich am Horizont abzeichnen, bereit sind. Außerdem wollen wir sicherstellen, dass sie problemlos mit neuen Technologien, die zu einer Emissionsreduzierung beitragen, nachgerüstet werden können. Dies ist ein Schiff, das wirklich mit Blick auf die Zukunft gebaut wurde.“
Kreuzfahrten: Reedereien nehmen neue Kraftstoffe ins Visier
Die „Euribia“ wird aber nicht nur mit umweltfreundlicheren Energie-Arten angetrieben, sondern auch energieeffizienter betrieben. Vago: „Die sauberste Energie ist die, die wir nicht verbrauchen! Daher wurde die MSC Euribia nach diesem Prinzip gebaut.“
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Die Überführungsfahrt des Schiffes von der französischen Werft „Chantiers de L'Atlantique“ in St. Nazaire wurde als „erste klimaneutrale Fahrt“ eines Kreuzfahrtschiffs deklariert, dafür hatte die Reederei 400 Tonnen Bio-LNG eingekauft. Als erneuerbare Kraftstoffe der Zukunft gelten übrigens Bio-LNG, synthetisches LNG, grünes Methanol und synthetisches und verflüssigtes Methan.
Die „MSC Euribia“ stößt schon jetzt 19 Prozent weniger Treibhausemissionen pro Passagier und Tag aus als ihre in den Jahren zuvor gebauten Schwesterschiffe, die mit konventionellen Kraftstoffen fahren. Und sie stößt bis zu 44 Prozent weniger Treibhausgas pro Passagier und Tag aus als Schiffe, die noch vor zehn Jahren gebaut wurden und damals als die modernsten und saubersten ihrer Art bezeichnet wurden.
„MSC Euribia“: EXPRESS-Check im Maschinenraum
EXPRESS war bei der neuen „Euribia“ auch im Maschinenkontrollraum, in dem (anders als früher) gar keine Maschinen mehr stehen. Im Zeitalter der Digitalisierung handelt es sich mehr um einen Computerraum, an den Wänden hängen jede Menge Monitore.
Dies ist das Herz des Schiffes, hier werden auch die Befehle/Einstellungen von der Brücke empfangen und durch Ingenieure umgesetzt. Der Raum mit den vier riesigen Maschinen befindet sich noch eine Ebene tiefer im Bauch des Schiffes, hier ist es extrem laut und heiß. Für die Zufuhr des Treibstoffs sind vier kleinere, mit Rohren verbundene Tanks zu sehen, in denen das LNG vom flüssigen in den Gaszustand gebracht wird.
Alle großen Reedereien ringen um die Balance zwischen Umwelt- und Klimafreundlichkeit und dem wirtschaftlich Machbaren. Fakt ist: Schweröl mit dem Ausstoß von Schwefeloxid, Stickoxid, Feinstaub und Ruß ist weitgehend out, selbst ältere Schiffe sind zumindest auf Motoren für Marinediesel umgerüstet. Doch selbst schadstoffreduzierte Treibstoffe wie Marine-Gasöl und Marinediesel emittieren nur geringfügig weniger CO₂. LNG gilt derzeit als beste Alternative.
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Ein weiterer Aspekt, der die Branche bewegt: Schiffe, die im Hafen an Öko-Landstrom angeschlossen sind, und damit Umwelt und Klima schonen. Doch dafür muss die Infrastruktur in den Häfen weltweit verbessert werden. Auch die besten Kreuzfahrtschiffe können Versäumnisse an Land eben nicht wettmachen. In den bedeutendsten deutschen Kreuzfahrthäfen Hamburg und Kiel wurden jetzt die Landstrom-Möglichkeiten geschaffen; erst am vergangenen Wochenende unterzeichnete MSC entsprechende Verträge mit beiden Hafenbehörden.
Das sind die aktuell mit LNG betriebenen Kreuzfahrtschiffe
- „Aidanova“; Baujahr: 2018; maximale Anzahl der Passagiere: 6600
- „Costa Smeralda“; Baujahr: 2019; maximale Anzahl der Passagiere: 6518 Passagiere
- „Iona“ (P&O Cruises); Baujahr: 2020; maximale Anzahl der Passagiere: 5206
- „Mardi Gras“ (Carnival Cruises Line); Baujahr: 2020; maximale Anzahl der Passagiere: 6338
- „Costa Toscana“; Baujahr 2021; maximale Anzahl der Passagiere: 6218
- „Aidacosma“; Baujahr: 2022; maximale Anzahl der Passagiere: 6660
- „MSC World Europa“; Baujahr: 2022; maximale Anzahl der Passagiere: 6762
- „Arvia“ (P&O Cruises); Baujahr 2022, maximale Anzahl der Passagiere 5206
- „Celebration“ (Carnival Cruise Line); Baujahr 2022; maximale Anzahl der Passagiere: 537
- „MSC Euribia“; Baujahr: 2023; maximale Anzahl der Passagiere: 6334
- Darüber hinaus gibt es einige LNG-betriebene Fährschiffe, die natürlich nicht die Größe und Reichweite der Kreuzfahrtschiffe haben. In Deutschland verkehrt seit 2015 die LNG-Fähre ‚Helgoland‘ der Reederei Cassen & Eilts“ zwischen Cuxhaven und Helgoland.
Flüssiggas: So funktioniert das bei der „Euribia“ mit dem LNG-Antrieb
Tief unten im Schiffsrumpf befinden sich zwei große Tanks, die 3600 Kubikmeter LNG („Liquified Natural Gas“) aufnehmen können. Dies hat eine Temperatur von minus 142 Grad Celsius. Um von da aus in die Motoren (die „Euribia“ hat vier Antriebsmotoren, normal fährt sie jedoch nur mit zweien) zu gelangen, durchläuft das LNG im Schiffsrumpf vier kleinere Tanks und wird dabei auf plus 35 Grad erwärmt.
Einmal mit LNG vollgetankt, kann die „Euribia“ zwei Kreuzfahrten von einer Woche Dauer bestreiten. Die vier Wärtsilä Dual Fuel Motoren können alternativ auch mit schwefelarmen Marinegasöl (MGO) betrieben werden.