BlutstutenBrutaler Aderlass – wie Pferde für unser Schweinefleisch leiden

Blutstuten in Island. Ein Tier wurde in einen engen Käfig gesperrt, um ihm Blut zu entnehmen. Die Bilder wurden von Animal Welfare Foundation bereitgestellt

Stute in Panik. Unter qualvollen Bedingungen wird einer trächtigen Isländerstute literweise Blut entnommen. Das undatierte Foto stammt aus der Doku von Animal Welfare, sie ist auf YouTube zu sehen.

Fast kaum jemand weiß, wie sehr Pferde, sogenannte Blutstuten, leiden müssen, damit einige Landwirte besonders „effektiv“ Schweinefleisch erzeugen können.

von Alexandra Miebach  (mie)

Es sind Bilder, die schockieren. Trächtige Stuten, mit vor Angst weit aufgerissenen Augen, in enge Boxen geprügelt, die Köpfe brutal hochgerissen und fixiert. Dann kommt eine dicke Kanüle, sie wird in den Hals gerammt und dann fließt literweise das Blut. Die Bilder stammen aus Island, zeigen die sogenannten Blutstuten. Was die wenigsten wissen: Diese Tiere leiden für unser Schweinefleisch...

Aber was hat Blut von Pferde mit Schweinen zu tun? „Aus dem Blut der trächtigen Stuten wird das Hormon PMSG (Pregnant Mare Serum Gonadotropin) gewonnen“, erklärt uns Lea Schmitz vom Deutschen Tierschutzbund. „Das Hormon wird in der Schweinezucht den Sauen gespritzt und bewirkt, dass deren Zyklus bis hin zur Geburt der Ferkel synchronisiert wird.“ Heißt: Alle Sauen werfen dann gleichzeitig, die Bauern haben so weniger Arbeit, können effizienter viele Schweine gleichzeitig betreuen.

Blutstuten: Pferde müssen leiden – obwohl es längst Alternativen gibt

Ein Hormon von Pferden, das Schweinen gespritzt wird – das klingt einfach falsch – wird aber tatsächlich seit Jahrzehnten so gemacht. Trotzdem hat bisher kaum jemand von den Blutstuten und PMSG gehört. Warum ist das so? „Das ist ein Fachthema, mit dem sich der normale Verbraucher eher nicht beschäftigt“, erklärt uns Dr. Frank Volz von der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG). „Inzwischen ist die Branche aber kurz davor, das abzuschaffen. In der Praxis ist das eigentlich bei den guten Betrieben kein Thema mehr. Da werden andere Methoden eingesetzt“, sagt er.

Das sieht Professor Axel Wehrend, Fachtierarzt für Reproduktionsmedizin an der Universität Gießen, anders. „Ja, es gibt Alternativen – sowohl mit synthetischen Hormonen, als auch durch angepasstes Management. Aber die werden von vielen Betrieben nicht genutzt, weil viele Landwirte sie noch nicht probiert haben und lieber auf das Altbewährte setzen.“ Frei nach dem Motto: Was der Bauer nicht kennt...

Der Tiermediziner erklärt, dass man eine ähnliche Wirkung z. B. durch eine Kombination aus Stimulation, Tierbeobachtung und optimaler Umgebungsgestaltung bzw. Fütterung erzielen könne. Die so animierten Sauen kommen dann in die sogenannte „Rausche“, werden paarungsbereit und können dann besamt werden. Es muss also nicht zwingend das Hormon einer anderen Tierart verabreicht werden, um den Zyklus der Sauen zu synchronisieren.

Da sich weltweit Bauern aber noch weigern, neue Verfahren zur Zyklussynchronisation auszuprobieren, leiden auf Island – und auch in Südamerika, wo es ebenfalls viele Blutfarmen gibt – weiterhin tausende Stuten täglich. Viele von ihnen werden bei der Blutentnahme verletzt, sind verstört und entkräftet und verlieren zum Teil ihre Fohlen. „Je nach Land und Betrieb werden den Stuten bis zu 16 Liter Blut pro Woche entnommen“, weiß Sabrina Gurtner von der Animal Welfare Foundation.

„Kruder Umgang“: Tierärztin über das brutale Prozedere mit den Blutstuten

Sie war selbst in Island unterwegs und hat das Treiben auf den Blutfarmen beobachtet. Die Animal Welfare Foundation hat eine Dokumentation veröffentlicht. Die Aufnahmen sind zum Teil unglaublich brutal.

Professor Stephanie Krämer von der Universität Gießen ist Expertin für Tierversuche, hat sich die Aufnahmen der Tierschützer genauer angeschaut. Die Tiermedizinerin sagt: „Es gab etliche Sequenzen, in denen ein kruder Umgang mit den Stuten zu beobachten war. Die Tiere zeigten eindeutige Zeichen von Stress, Angst, sogar Panik. Die hygienischen Bedingungen waren grenzwertig, wie z.B. das mehrfache Verwenden einer Kanüle für mehrere Stuten.“

Kanülen, mit den Blutstuten aus dem Hals Blut abgezapft wird. Die Bilder wurden von der Animal Welfare Foundation bereitgestellt

Diese XXL-Kanülen werden den Pferden in den Hals gerammt.

Wer also behauptet, die Tierschützer würden die Szenen schlimmer darstellen, der irrt sich. Stellt sich die Frage, warum die Verwendung von PMSG noch nicht verboten ist?

In unserem Nachbarland Schweiz darf das Hormon bereits nicht mehr verwendet werden, Holland und Dänemark wollen jetzt nachziehen. Stephanie Krämer erklärt, dass ein solches Verbot in der Schweiz leichter umzusetzen sei, weil es dort viel weniger Zuchtschweine gebe. Deutschland, im Gegenzug, liefere z. B. auch Schweinefleisch in die Schweiz.

Tierwohl: Verbraucher sollten sensibler einkaufen

Krämer hofft, „dass es zu einem Umdenkprozess kommt“, und man auf tierfreundliche Alternativen umsteige. Was Verbraucher tun können, um dem Ganzen ein Ende zu setzen? Dazu sagt Krämer: „‚Tierwohl‘ ist zu einem Schlagwort geworden und je mehr Verbraucher über die Erzeugung von Lebensmitteln erfahren, desto kritischer werden sie.“

Wichtig sei, über Themen wie „Blutstuten“ zu sprechen, die Menschen zu sensibilisieren. Wer sicher gehen will, dass bei der Schweinezucht kein PMSG verwendet wurde, sollte Bio-Fleisch oder solches mit dem Lable „Für mehr Tierwohl“ kaufen. Diese Betriebe setzten bereits alternative Verfahren ein.

Blutstuten: Umstrittene PMSG-Gewinnung auch in Deutschland

Auch bei uns gibt es Blutfarmen wie in Island und Uruguay. Deutschlandweit ist z.B. das Haflingergestüt Meura in Thüringen für die PMSG-Gewinnung bekannt. Dort wird auch Reiterurlaub angeboten. Auf der Website des Gestüts heißt es: „Unter Aufsicht eines Veterinärmediziners und mit behördlicher Genehmigung wird auf dem Gestüt in Meura niederträchtigen Stuten zwischen dem 40. und 120. Tag der Trächtigkeit – sofern die Schwangerschaft stabil und die Stute uneingeschränkt gesund ist – Plasma abgenommen. Die roten Blutkörperchen werden den Stuten anschließend vollständig zurückgeführt. Außerdem erhalten die Stuten während der Entnahmephase eine Spezialfütterung“, heißt es.

Im Hinblick auf die Praktiken in Island und Südamerika lässt das Gestüt verlauten: „Praktiken dieser Art sind durch nichts zu rechtfertigen und müssen unterbunden werden.“ Trotzdem gibt es auch an der Praxis des Gestüts viel Kritik.