Steht Naturkosmetik vor dem Aus?Konsumfreude nimmt ab – „Es ist normal geworden“

Kunden gehen durch einen Drogeriemarkt dm in Stuttgart (Baden-Württemberg).

Naturkosmetik ist beliebt und hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen, doch nun scheint das Kauf-Wachstum erstmals gestoppt. Das Foto aus dem Jahr 2015 zeigt Regale in einem dm-Markt.

Naturkosmetik ist in den meisten Drogeriemärkten keine Seltenheit mehr, der Konsum hat auch in den letzten Jahren stetig zugenommen. Doch nun scheint das Kaufwachstum erstmals gestoppt, aber wieso?

Naturkosmetik ist längst nicht mehr nur was für Ökos. Von der Reformhaus-Nische hat diese den Sprung in den Massenmarkt geschafft. Seit Jahren erobert natürliche Pflege immer mehr Platz in den Regalen von Drogerien und Parfümerien.

„Es ist normal geworden – und es wird auch erwartet, dass das angeboten wird“, sagt der Geschäftsführer des Bundesverbands Parfümerien, Elmar Keldenich. Doch nun scheint das Wachstum erstmals gestoppt. Eine Trendumkehr sehen die Fachleute jedoch nicht.

„Probierfreudigkeit kommt ins Stocken“: Kein Kaufzuwachs bei Naturkosmetik?

„Das Interesse an Naturkosmetik hält an“, sagt die Marktexpertin Mirja Eckert. „Aktuell machen sich die wirtschaftlichen Einflüsse aber bemerkbar. Die Probierfreudigkeit kommt gerade etwas ins Stocken.“

Genaue Zahlen zur Marktentwicklung will die Herausgeberin des Branchenmonitors Naturkosmetik am Dienstag (14. Februar 2023) zur Eröffnung der Naturkosmetikmesse Vivaness vorstellen, die parallel zur weltgrößten Naturkostmesse Biofach in Nürnberg veranstaltet wird. Bis Freitag (17. Februar 2023) werden auf der Vivaness nach Angaben der Messe rund 200 Unternehmen ihre Neuheiten präsentieren.

Die Naturkosmetik sei bisher Wachstumstreiber in der Körperpflege- und Kosmetikbranche gewesen, erläutert die Expertin Anna Scheepers vom Nürnberger Marktforschungsunternehmen GfK, das auch am Branchenmonitor beteiligt ist.Hier nehmen Sie an unserer EXPRESS.de-Umfrage teil:

„In 2022 sehen wir allerdings keinen Käuferzuwachs.“ Und die, die Naturkosmetik nutzten, griffen verstärkt bei den preiswerteren Eigenmarken des Handels zu. „Durch den höheren Anteil günstigerer Produkte sinkt aktuell auch der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr“, sagt Scheepers.

14,3 Milliarden Euro gaben die Menschen in Deutschland nach Hochrechnungen des Industrieverbands Körperpflege- und Waschmittel 2022 für die Schönheitspflege aus – und damit rund 5 Prozent mehr als im Jahr zuvor.

Der Umsatz mit Naturkosmetik sei dagegen erstmals seit vielen Jahren mit minus 3,5 Prozent rückläufig gewesen und erreichte einen Anteil von etwa 5 Prozent am deutschen Kosmetikmarkt, erläuterte Geschäftsführer Thomas Keiser.

Trotzdem sieht der Handel weiterhin große Potenziale bei der natürlichen Pflege. So will Deutschlands größte Parfümeriekette Douglas ihr Naturkosmetik-Sortiment in den Filialen und im Online-Handel weiter ausbauen.

„Naturkosmetik wird aus unserer Sicht ein Wachstumsmarkt bleiben, da das Thema Nachhaltigkeit sowohl gesamtgesellschaftlich als auch für die jüngeren Generationen immer wichtiger wird“, teilte ein Sprecher mit.

Ähnlich sieht es die Drogeriemarktkette dm. Die Nachfrage nach Naturkosmetik sei in den vergangenen beiden Jahren stark gewachsen und stabilisiere sich nun, sagte der zuständige Geschäftsführer Sebastian Bayer. Die Produkte würden auch künftig eine wichtige Rolle im Sortiment spielen.

Pflege-Dschungel: Keine gesetzliche Regelung für Naturkosmetik

Vor allem bei der Gesichts- und Körperpflege steht im Handel schon viel Naturkosmetik zur Auswahl. Auch bei der Zahnpflege, Lippenbalsam und anderen Produkten zur alltäglichen Pflege erhalte diese zunehmend Einzug, sagt Trendforscherin Eckert.

Bei den Düften und der dekorativen Kosmetik sei ihr Anteil dagegen noch gering. Neben den einstigen Naturkosmetik-Pionieren sind in den Regalen inzwischen auch viele Start-ups vertreten und konventionelle Hersteller und Herstellerinnen mit eigenen Natur-Marken oder „grünen Linien“.

Für Verbraucherinnen und Verbraucher kann es deshalb schwierig sein, sich in dem Pflege-Dschungel zurechtzufinden. Anders als bei Bio-Lebensmitteln gebe es keine gesetzlichen Regelungen für Naturkosmetik, kritisiert Eckert.

Deshalb findet man auf Tuben und Tiegeln zum Teil verschiedene Bezeichnungen wie Naturkosmetik, Biokosmetik, naturnah, vegan, mit Rohstoffen natürlichen Ursprungs, inspiriert von der Natur. „Die Unterscheidung ist für Verbraucherinnen und Verbraucher sehr schwer“, meint auch Keldenich.

So ist Naturkosmetik nicht zwangsläufig auch Bio. Dagegen können konventionelle Produkte mit „Bio“ werben, wenn diese zum Beispiel ein Bio-Limettenöl verwenden, ansonsten aber chemische und synthetische Inhaltsstoffe. Die Verbraucherzentrale empfiehlt deshalb, sich an Siegeln zu orientieren.

Allerdings verzichteten gerade kleinere Hersteller und Herstellerinnen wegen der Kosten auf eine Zertifizierung, merkt Keldenich an. Manche Start-ups entschieden sich sogar bewusst dagegen, meint Eckert. Denn in Deutschland hätten die Siegel zwar eine große Bedeutung, im Ausland aber oft nicht. (dpa/kvk)