„Anfang vom Ende“Große Mode-Kette vor dem Aus – erste Filialen dicht, jetzt droht der Ausverkauf

Lange Zeit fuhr die Billigmoden-Kette Primark ein Erfolgsmodell: Die Schlangen waren einst lang vor den Filialen, viele wollten die neusten Klamotten-Trends zu Niedrigst-Preisen. Nun aber schließen erste Geschäfte, dem Unternehmen droht der Ausverkauf.

von Martin Gätke  (mg)

Seit 2008 hat sich der Umsatz von Primark sukzessive gesteigert, Billig-Mode zu Tiefst-Preisen, das schien ein Konzept, das lange Erfolg haben wird: Der irische Modediscounter setzte 2008 2,13 Milliarden Britische Pfund um, 2019 schon 7,79 Milliarden. 2009 wurde die erste Filiale in Bremen eröffnet, es entstand ein gewaltiger Hype zur damaligen Zeit: Die Menschen kamen mit Tüten so groß wie Müllbeutel, um billige Jeans, Shirts, Kleider & Co. in Massen zu kaufen.

Neu, billig und vor allem: viel – Jahrelang war das ein Erfolgsmodell, trotz Dauerkritik von Umweltschützern und Menschenrechtlern, die das Fast-Fashion-Modell und die Arbeitsbedingungen ankreideten, wurde expandiert. Doch 13 Jahre später scheint sich etwas gewandelt zu haben: Das Geschäftsmodell zieht nicht mehr. In Deutschland rasen die Umsatzerlöse seit 2019 in den Keller: von einst 916 Millionen auf 380 Millionen im vergangenen Jahr.

Primark: Mode-Discounter musste bereits Filialen dichtmachen

Primark musste in Deutschland bereits erste Filialen dichtmachen. Wie die „Wirtschaftswoche“ berichtet, kündigte der Mutterkonzern ABF vor wenigen Wochen dann an, auf den Wert der Aktivitäten in Deutschland rund 240 Millionen Euro abzuschreiben. Eine „Neupositionierung“ soll das Geschäft „nachhaltig profitabel“ machen, hieß es. Expertinnen und Experten sowie Gewerkschaften rechneten dem Bericht nach mit weitreichenden Einschnitten.

Diese Zeiten scheinen vorbei: 2014 wurde auf dem Alexanderplatz in Berlin eine Primark-Filiale eröffnet, der Andrang war gewaltig.

Diese Zeiten scheinen vorbei: 2014 wurde auf dem Alexanderplatz in Berlin eine Primark-Filiale eröffnet, der Andrang war gewaltig.

Eigentlich profitieren die Discounter derzeit von der hohen Inflation, sind die Kundinnen und Kunden doch vermehrt auf der Suche nach günstigeren Waren. Doch, so heißt es in der Analyse des Branchenmagazins, Primark habe zu ehrgeizig expandiert, riesige Ladenflächen gekauft, die in den Innenstädten viel Geld kosten. Zudem ist die Konkurrenz im Internet gewaltig, dort wird längst ebenfalls aggressiv mit Billig-Preisen geworben.

Jüngstes Beispiel ist der chinesische Online-Billig-Shop Shein, der vor allen Dingen die jüngere Kundschaft anspricht und massiv auf TikTok oder Instagram wirbt. Dass die Kleidung unter fragwürdigen Arbeitsbedingungen hergestellt wird und zuletzt gar giftige Chemikalien gefunden worden sind, scheint den Erfolg nicht zu bremsen.

Primark hingegen betreibt keinen Online-Shop, bewusst nicht. Hinzu kommt, dass die Politik in den letzten Jahren vermehrt gegen Fast Fashion vorgegangen ist und die Unternehmen unter Druck setzt. Es wurde ein staatlich kontrolliertes Siegel für nachhaltige Kleidung eingeführt, 2021 wurde das „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“ verabschiedet.

Primark muss in Deutschland den Rückzug antreten

Primark ist dabei längst nicht das einzige Unternehmen, das nun den Rückzug antreten muss: 240 Filialen schloss auch H&M 2022, bei C&A waren es 13 Standorte, aus denen sie sich zurückzogen. Nach und nach versuchen es die einstigen Textil-Giganten mit einem Strategie- und Image-Wechsel.

Das einstige aggressive Auftreten von Primark, die frühen Erfolge, das sei auch ein Grund für die Probleme, die es nun gibt. „ABF hat, geblendet von den Anfängen, den deutschen Markt überschätzt“, wird ein Ex-Mitarbeiter von der „Wirtschaftswoche“ zitiert. Man sei in zu viele Städte expandiert, habe zu große Läden gepachtet und zu viel Ware angeboten. „Damit wich der Konzern signifikant von der Strategie ab, die er in anderen Ländern verfolgte.“

Die Folge: In Deutschland fielen die Gewinnspannen wesentlich kleiner aus als anderswo. Aktuell kämen hohe Energiepreise hinzu, der Hype von damals ist längst weg. Zudem habe Primark den Online-Handel „verpennt“, so ein Handelsexperte. Am Beispiel Shein zeige sich, wie wichtig eine Online-Strategie ist. Und ohne einen Online-Shop wurde Primark während der Corona-Pandemie besonders hart getroffen.

Primark: „Womöglich der Anfang vom Ende“

Immerhin: Konzernmutter ABF will „Click und Collect“ einführen. Im Netz wird die Ware ausgewählt, vor Ort abgeholt. Die Iren fahren zudem eine neue Nachhaltigkeitsstrategie, die bereits von Greenpeace angezweifelt wird. Ob das reicht?

In Berlin und in Weiterstadt bei Darmstadt ließ Primark bereits Anfang des Jahres Pachtverträge auslaufen und schloss erstmals Filialen. Weitere werden folgen, da sind sich Brancheninsider sicher. „Wir bleiben unseren treuen Kunden in diesem wichtigen Markt verpflichtet und prüfen nun Optionen, um unser Geschäft in Deutschland langfristig wieder rentabel zu machen“, heißt es vonseiten Primark.

Für Analystinnen und Analysten kommen die Neuerungen bei Primark zu spät, man sei zu spät zur Party gekommen und nun zu träge bei Veränderungen. Der Handelsexperte sagte zur Wirtschaftswoche, man erlebe womöglich gerade den „Anfang vom Ende“.