„Extrem teuer geworden“Während Corona investierten Deutsche noch – jetzt werden Produkte für Garten rar

Jean Hinz verteilt Rindenmulch auf einem neu angelegten Weg in seinem Kleingarten in Lüneburg. Das Foto wurde Ende Februar 2021 aufgenommen. In der Corona-Krise hat das Interesse am Kleingarten stark zugenommen. Vor allem in den Städten ist die Nachfrage groß.

Jean Hinz verteilt Rindenmulch auf einem neu angelegten Weg in seinem Kleingarten in Lüneburg. Das Foto wurde Ende Februar 2021 aufgenommen. In der Corona-Krise hat das Interesse am Kleingarten stark zugenommen. Vor allem in den Städten ist die Nachfrage groß.

In der Corona-Pandemie hat in Deutschland das Interesse am eigenen Garten und Heimwerken stark zugenommen. Doch die aktuelle Entwicklung im Zuge des Ukraine-Krieges schafft neue Hürden für Verbraucherinnen und Verbraucher.

Die Deutschen haben ihre Liebe zum heimischen Garten (wieder) entdeckt. Vielleicht mal ein positiver Effekt der Corona-Pandemie. Die Freude über das schöne Zuhause wird jetzt aber getrübt. Schuld ist, wie auch in vielen anderen Branchen, die Entwicklung vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges.

Für einen schönen Garten wird man künftig tiefer in die Tasche greifen müssen: Inflation und Lieferengpässe machen auch vor dieser Branche keinen Halt. Nach zwei Corona-Heimwerker-Jahren dürfte die Nachfrage sinken, könnte man also meinen. Dem ist jedoch nicht so.

Dünge- und Pflanzenschutzmittel meist aus Ukraine und Russland

Die Folgen des Ukraine-Kriegs machen sich bis in den heimischen Garten bemerkbar. Weil einige Bestandteile von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln vorrangig aus der Ukraine und Russland kommen, steigen die Preise deutlich, wie Anna Hackstein, Geschäftsführerin des Industrieverbands Garten, sagt.

Da der Dünger Blumenerde beigemischt wird, sei diese genauso von Preissteigerungen betroffen. Hinzu kämen auch beim Thema Garten höhere Energiepreise. Die Verarbeitung von Holzfaserprodukten als Alternative zu Torf etwa ist Hackstein zufolge sehr energieintensiv. „Da war die Lage vorher schon angespannt, jetzt ist sie noch angespannter.“

Wegen Ukraine-Krieg: Gartenbranche von Lieferengpässen betroffen

Zudem beeinflussen unterbrochene oder eingeschränkte Lieferketten die Gartenbranche: Viele Unternehmen bezögen zumindest Teile für Möbel, Grills und andere Geräte aus Asien, sagt Hackstein. Manche produzierten komplett dort. „Die sind immens betroffen.“

Noch sind manche Anstiege moderat: Bei Corthum kostet der Kubikmeter Pflanzenerde 58 Euro netto ab Werk, 2 Euro mehr als vergangenes Jahr. Das Unternehmen aus Marxzell im Nordschwarzwald beliefert Garten- und Landschaftsbauer sowie Händler wie Gartencenter vor allem im Süddeutschland.

Kundinnen und Kunden können auch am Werk Produkte wie Pflanzenerde und Rindenmulch kaufen. Die Preislisten gelten eigentlich ein Jahr lang, wie Geschäftsführer Nick Burkhardt sagt. Zum ersten Mal hätten sie nun innerhalb des Jahres einzelne Preise angehoben. „Und nächstes Jahr müssen wir vielleicht etwas stärker anpassen.“

Auch Burkhardt verweist auf den Dünger. „Der ist extrem teuer geworden“, sagt er. Organischer Dünger, den Corthum zu den Erden gibt, sei zeitweise überhaupt nicht lieferbar gewesen. Gestiegene Spritpreise wirken sich auf den Lkw-Fuhrpark aus. Und auch Folie für die Verpackung sei bis zu 40 Prozent teurer geworden, sagt Burkhardt.

Heimwerken: Nach starkem Anstieg im ersten Corona-Jahr Nachfrage wieder rückläufig

Der Handelsverband Heimwerken, Bauen und Garten spricht von einer wesentlich höheren Zahl an Preiserhöhungen. Auch spüre die Branche eine gewisse Zurückhaltung der Verbraucherinnen und Verbraucher – gerade im Vergleich zu den beiden Corona-Jahren, in denen viele ihren Garten auf Vordermann brachten und kräftig investierten. „Die haben uns die Bude eingerannt, wortwörtlich“, sagt Corthum-Geschäftsführer Burkhardt.

Allein die Bau- und Heimwerkermärkte in Deutschland erzielten im vergangenen Jahr einen Bruttoumsatz von mehr als 24 Milliarden Euro. Nach einem starken Anstieg im ersten Corona-Jahr war die Tendenz in vielen Segmenten 2021 allerdings eher rückläufig.

„Jetzt scheinen die Menschen eher abzuwarten, wie sich die Lage entwickelt“, sagt Verbandssprecher Jörn Brüningholt. „Was kommt auf uns zu bei Heizkosten, beim Tanken, bei Lebensmitteln?“ Die Leute seien vorsichtiger geworden, ist sein Eindruck. „Im Augenblick hat keiner so richtig Lust zu investieren.“

Allerdings seien Hochbeete nun sehr gefragt, sagt Brüningholt – durchaus auch hochwertige. Sie würden sogar auf Balkone gebaut, auf dass sich die Menschen mit Tomaten, Radieschen, Salat und Co. selbst versorgen. „Aber das rettet so ein Jahr nicht.“

Nutz-Garten im Kommen – auch bei jüngeren Generationen

Dennoch glauben die Branchenvertreter, dass der Garten weiter ein wichtiges Thema bei den Deutschen bleibt. Der Nutzgarten erlebe eine Renaissance, sagt Gardena-Sprecher Heribert Wettels. Anders als früher sei das auch bei 20-Jährigen ein riesiges Thema. „Selbst wenn es nur ein Balkon ist, auf dem sie was pflanzen.“ Deutschland habe sich auch noch nicht so sehr mit dem Thema Wasser und Wasserknappheit auseinandergesetzt. „Das kommt jetzt und es kommt schnell.“

Allerdings ist der Gartenboom aus Sicht des Ulmer Unternehmens nicht nur der Corona-Pandemie zu verdanken.

„Das Thema Garten ist seit Jahren Trend“, sagt Wettels. Erstmals knackte Gardena im vergangenen Jahr die Milliardenschwelle beim Umsatz. Damit habe sich dieser in den vergangenen sechs Jahren verdoppelt. Und im ersten Quartal 2022 betrage das Plus fünf Prozent. „Die Nachfrage ist ungebrochen.“

Garten als neuer Zufluchtsort in der Corona-Pandemie

Vom Garten als Zufluchtsort spricht Verbandssprecher Brüningholt. Hackstein wiederum verweist darauf, dass manche Menschen es gerade in Krisenzeiten zu Hause schön haben wollten.

„Wir gönnen uns was, dazu gehören auch schöne Pflanzen.“ In den Corona-Lockdowns sei der Garten mehr oder weniger alternativlos gewesen, sagt sie – räumt aber ein, diesen Sommer würden sicher wieder mehr Menschen verreisen.

Auch Corthum-Geschäftsführer Burkhardt ist zuversichtlich, dass Erde und Rindenmulch weiter gekauft werden. „Die Landschaftsgärtner haben immer noch volle Bücher“, sagt er. Nur wegen der Corona-Krise und des Ukraine-Kriegs werde der Bau ja nicht eingestellt. Insbesondere wollten viele Städte den Klimaschutz vorantreiben und sich für die Zukunft anpassen – da seien neue Pflanzen ein wichtiges Thema. (dpa)