Was „Verbotenes“ in unserem Essen stecktLebensmittel auf Droge

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Süchtig nach Leckereien: In unserem Essen stecken stimmungsbeeinflussende Stoffe - die sind so wirkungsvoll, dass wir glücklicher, schmerzfreier leben.
München – Von Kokain, Heroin oder Marihuana haben Sie stets die Finger gelassen? Nie Stimmungsaufheller geschluckt, Ecstasy probiert?
Trotzdem nehmen Sie täglich Drogen zu sich, werden von ihnen „high“. Denn in unserem Essen stecken Stoffe, die wir dort nie vermuten würden.
Lebensmittelchemiker Udo Pollmer hat in seinem neuen Buch „Opium fürs Volk“ (Rororo, ab 1. Oktober erhältlich) Wissen aus Pharmazie, Lebensmittelchemie und Psychologie zusammengetragen und nach den legalen Drogen gefahndet - mit erstaunlichen Ergebnissen.
„Gefährlich sind die Wirkstoffe nicht“, beruhigt er, „es sei denn, man würde die Lebensmittel kiloweise verputzen. Das macht zum Glück der Magen nicht mit.“ Drogenfahnder müssen also nicht ausrücken. Doch die Erkenntnisse erklären, warum wir nach einigen Speisen so verrückt sind...
Muskatnüsse verleihen nicht nur dem Kartoffelpüree Geschmack: Die Aromastoffe Elemicin und Myristicin sorgen für Halluzinationen, unsere Leber wandelt sie in ein Aufputschmittel um. Folge: Euphorie und Hochgefühle wie bei einem Trip mit Speed. Schon eine ganze Nuss kann tödlich wirken.
Ernährungstechnisch ist die Tomate kein Brüller, warum mögen wir sie? Weil sie Tryptamin und Serotonin enthält - Stimmungsaufheller. Kommen die konzentriert in eine Ketchup-Flasche, bildet sich das Halluzinogen Bufotenin, das man von Krötenhaut kennt, die in Südamerika wegen ihrer Rauschwirkung gerne abgeschleckt wird.
Opium hat jeder von uns gekostet - zumindest Salat-Opium (erkennbar an der bitteren Note in Kopfsalat, Radicchio oder Endiviensalat). Das grüne Opium Thridax macht schläfrig, weswegen es in der Antike gerne noch mit Schlafmohn (dem stärksten Lebensmittel-Opiat) verzehrt wurde - als Ur-Schlaftablette quasi. Das Salat-Opium wirkt übrigens auch schmerzlindernd. Extrahiert ist es doppelt so wirksam wie die gleiche Menge Ibuprofen.
Psychoaktive Inhaltsstoffe machen die „Waldfrüchte“ zu effektiven Rauschmitteln – und damit beliebt bei ganz bestimmten „Naturfreunden“. Vor allem Porlinge verursachen einen Rausch, der übrigens auf den Giftgehalt im Pilz zurückzuführen ist. Wie bei fast allen Pflanzen sollte die Droge ursprünglich vor Fressfeinden schützen. Wer den falschen Pilz erwischt, war das letzte Mal im Leben „high“.
Das Küchenkraut Basilikum enthält Eugenol und Methyleugenol - beides Stoffe, die gerne als Betäubungsmittel eingesetzt werden. Zehn Kilo Basilikum und es haut Sie von den Socken. Auch Petersilie ist nicht ohne: Zeitweise wurde es wegen seiner berauschenden Stoffe gar zusammen mit Haschisch geraucht, das Öl der Pflanze wird tatsächlich zur Herstellung von Phenylethylaminen verwendet, das wie Ecstasy wirkt.
Was haben ein Glas Saft, ein Glas Wein und ein Joint gemein? Antwort: Acetaldehyd. Das ist der Stoff, aus dem der dicke Brummschädel ist. Er steckt in vielen Lebensmitteln - am meisten in Fruchtsaft und sorgt für ein entspanntes Feeling. Biertrinker nehmen noch mehr weiche Drogen zu sich: Hopfen ist ein Verwandter des Hanf mit gleichen Wirkstoffen. Früher wurde Hopfen deswegen auch geraucht.
In Milch stecken sogenannte Exorphine (Aminosäureketten), die sich während der Verdauung so umwandeln, dass sie nicht mehr von Morphium unterscheidbar sind. „Exorphine sind sogar in der Muttermilch zu finden, was erklärt, dass Kinder oft an der Brust einschlafen“, sagt Pollmer. Die Wirkstoffe werden von Drogenjunkies geschätzt. Quark mindert tatsächlich Entzugserscheinungen.
In der Weihnachtsbäckerei, gibt's so manche Drogenpanscherei: Nelken und Sternanis liefern Amphetamine, Bittermandel Blausäure, die Vanille Anisaldehyd. Im Backofen vermischt sich das im Plätzchen- oder Lebkuchenteig zu einer Drogenmischung mit halluzinogener Wirkung. Gut kommt auch der Glühwein: Der Alkohol bringt die Gewürze erst richtig zur Wirkung.
Beim Genuss von Käse werden Exorphine freigesetzt, die Ängste mildern und Schmerzen lindern. Das sogenannte Beta-Casomorphin im Käse macht nicht nur, dass das Produkt vollmundig schmeckt, es macht uns auch ein wenig süchtig. Je öfter wir es essen, desto mehr gewöhnen wir uns daran (und wollen es immer wieder). Die gleichen Stoffe finden sich auch im Fleisch.
Bananen haben in ihrem Fruchtfleisch eine erhöhte Konzentration der Botenstoffe Serotonin und Dopamin, die der Körper komplett aufnimmt, da ein weiterer Stoff - Salsolinol - die Aufspaltung hemmt. Wir bekommen einen „Happy-Kick“. „Das erklärt, warum Bananen vor allem im Winter beliebt sind“, sagt Udo Pollmer. Übrigens: Bananen mit dunklen Stellen machen besonders glücklich – in ihnen steckt mehr Salsolinol und der Alkohol Ethanol.