Prägende Figuren sind im deutschen Alpinsport rar geworden. Bei der WM in Österreich fährt die junge Emma Aicher ins Rampenlicht. Sie ist die große Hoffnung für die Zukunft - und die Team-Kombination.
WM in Saalbach-HinterglemmSki-Juwel Aicher: Neue Hoffnung auf alten Glanz
Am liebsten hätten sie die Emma gemeinsam mit der Aicher in die Team-Kombination geschickt, scherzte Wolfgang Maier. Da das natürlich nicht geht in diesem neuen Zweier-Format, startet Emma Aicher bei der WM in Saalbach-Hinterglemm am Dienstag (10.00 und 13.15 Uhr/ZDF und Eurosport) nun mit Lena Dürr. Ein Duo, das „Potenzial für eine Medaille“ hat, wie der Sportvorstand des Deutschen Skiverbands (DSV) findet.
Sehnsucht nach Erfolgen von einst
Dürr, vor zwei Jahren WM-Dritte im Slalom, hat sich längst zu einem Zugpferd der deutschen Mannschaft entwickelt. Die gut zwölf Jahre jüngere Aicher ist aber die große Hoffnung für die Zukunft.
Nicht erst ihre starken Auftritte und sechsten Plätze im Super-G und in der Abfahrt bei dieser WM haben gezeigt, dass die 21-Jährige ein Toptalent ist. Womöglich wächst da eine Athletin heran, die dem DSV nicht nur neue Erfolge, sondern perspektivisch auch wieder mehr Strahlkraft beschert. Eine, die in der Ski-Welt richtig oben ankommt. Eine, nach der sich der Verband so sehr sehnt.
„Die Emma ist ein eigenes Kapitel“, sagte Sportchef Maier zur Halbzeit der WM in Österreich, bei der bislang vor allem die Gastgeber und die Schweizer jubeln durften. Wenn er über Aicher spricht, ist der 64-Jährige spürbar Feuer und Flamme. Der erfahrene Funktionär hat goldene Zeiten im deutschen Ski-Sport hautnah miterlebt, etwa bei den Olympia-Siegen von Katja Seizinger und Hilde Gerg in den 1990ern bis zu den Triumphen von Maria Höfl-Riesch und Viktoria Rebensburg. Er weiß genau, welche Chancen die junge Aicher mitbringt. Jetzt gilt es, dieses Juwel weiter akribisch zu schleifen.
Ohne Weltcup-Erfahrung zur ersten WM
Das große Potenzial der Allrounderin haben sie im Verband schon vor Jahren erkannt - zur WM in Cortina d'Ampezzo durfte Aicher 2021 mit, ohne vorher ein einziges Weltcup-Rennen bestritten zu haben. Sie trug prompt zu Bronze im Teamevent bei - und ein Jahr später sogar zu Mannschaftssilber bei Olympia.
Ihre Paradedisziplin ist der Slalom. Und ihre technische Grundausbildung im Riesentorlauf ist womöglich auch ein Trumpf für die Speed-Wettbewerbe. Mit Blick auf die Abfahrt habe Aicher einen entscheidenden Schritt in ihrer Entwicklung gemacht, befand Maier nach den bisherigen Auftritten bei dieser WM. Sie scheine nun zu verstehen, worauf es ankommt. Dieses Gefühl für die richtigen Schwünge und das richtige Tempo im richtigen Moment, das die Topfahrerinnen haben - das entwickelt offenbar auch Aicher immer besser.
Medaillendruck belastet deutsches Team
Noch nie stand die Tochter einer Schwedin und eines Deutschen auf einem Weltcup-Podest. Ihr bislang bestes Ergebnis war ein fünfter Platz im Super-G von Kvitfjell vor knapp zwei Jahren. Noch fällt sie zu oft aus. Sie selbst sei daher ohne jegliche Erwartungen zur WM in Österreich gereist, erklärte Aicher.
Nun, nach der ersten Woche am Zwölferkogel, sei sie aber „wirklich, wirklich stolz“ auf sich. Sie wolle das gute Skifahren mit in die nächsten Rennen nehmen, der Rest komme dann schon von allein. Vielleicht ja sogar die Medaille, die dem deutschen Team laut Sportchef Maier so viel Druck nehmen würde? In dem Mini-Mannschafts-Wettbewerb am Dienstag bestreitet Aicher die Abfahrt, Dürr den Slalom. Kira Weidle-Winkelmann bildet ein Duo mit Jessica Hilzinger.
Im schwedischen Sundsvall aufgewachsen
Noch ist Aicher vor allem den Experten ein Begriff. Noch sucht sie aber auch - anders als viele ihrer Konkurrentinnen - nicht die Öffentlichkeit. Ihre Interviews dauern oft nicht länger als ihre Fahrten. Aicher antwortet in der Regel kurz und trocken, was nicht unfreundlich gemeint ist - sondern wohl auch einer sich erst nach und nach lösenden Sprachbarriere geschuldet.
Aicher wuchs im schwedischen Sundsvall auf, sprach zu Hause vor allem die Sprache der Mutter und kam erst vor wenigen Jahren nach Deutschland. Sie lebt mittlerweile in Berchtesgaden. Wer ihr näher steht, beschreibt sie gern als aufgeschlossen und fröhlich. Von außen betrachtet ist es vor allem diese Ruhe, die die junge Aichner auszeichnet. Womöglich liegt genau darin ihre Kraft. (dpa)