„Kompletter Schwachsinn“Keller-Wut über Fifa-Hammer – so geht's mit Paqarada und FC-Verträgen weiter

Die Fifa hat den 1. FC Köln wegen der Verpflichtung von Jaka Cuber Potocnik mit einer Transfersperre für zwei Wechselperioden bestraft. Geschäftsführer Christian Keller äußert sich.

von Martin Zenge  (mze)Tobias Schrader  (tsc)

Der 1. FC Köln am Tag nach der Schock-Strafe. Mittwoch (29. März 2023) ging am Geißbockheim das Hammer-Urteil der Fifa ein: Der Bundesligist soll U19-Torjäger Jaka Cuber Potocnik (17) zum Vertragsbruch mit Ex-Klub Olimpija Ljubljana angestiftet haben, darf nun die komplette kommende Saison keine neuen Spieler registrieren – de facto eine Transfersperre.

Der FC wehrt sich, geht beim Internationalen Sportgerichtshof (Cas) in Berufung. Doch es bleiben viele Fragen. Jetzt spricht Sport-Geschäftsführer Christian Keller (44) über den Potocnik-Fall und seine Folgen!

Christian Keller über die Fifa-Strafe und die Folgen für den 1. FC Köln

Wie bewertet der FC das Urteil?„Die Fifa hat aus unserer Sicht ein komplett absurdes Urteil ohne jegliche Grundlage getroffen. Ich betone: Aus unserer Sicht ist es eine Farce! Nicht nur inhaltlich, sondern auch das Zustandekommen.“

Was sind die Hintergründe?„Der Spieler hat bei Ljubljana im Juni 2021 einen Vertrag unterschrieben. In dem Vertrag waren diverse Zusagen enthalten, unter anderem, dass der Spieler in der ersten Herren-Mannschaft trainieren darf. Diese Zusagen wurde nachweisbar nicht eingehalten. Entsprechend hat der Spieler am 30. Januar 2022 seinen Vertrag gekündigt. Am 31. Januar hat der FC den Spieler dann unter Vertrag genommen. Daraufhin gab es einen ersten Klub-Austausch, der nicht von Erfolg gekrönt war. Ich habe mich dessen dann angenommen. Wir haben schriftliche Belege, der Spieler hatte sogar eine schriftlich dokumentierte Ausstiegsklausel. Ich habe Ljubljana den Betrag geboten, der in der Ausstiegsklausel (100.000 Euro, Anm. d. Red.) verankert war, zuzüglich der internationalen Ausbildungsentschädigung.“

Wie liefen die Treffen mit Ljubljana? Die Slowenen fühlten sich laut eigenen Aussagen vom FC nicht ernst genommen, im Juli 2022 nach „25 Minuten“ abgespeist. Die Kölner hätten mehrfach nicht auf Anfragen und Angebote reagiert...„Dazu würde ich gerne sagen, dass manche in der Zeitung eine Riesen-Scheiße erzählen. Es gab ein Treffen mit Olimpija Ljubljana, das war am 30. August 2022, nicht irgendwann im Juli. Zugegen waren Herr Dollinger als Vize-Präsident und Herr Delius als Präsident, letzterer ist auch Eigentümer von Ljubljana. Das Gespräch ging nicht 20 bis 25 Minuten, das ging fast anderthalb Stunden. Im Nachgang haben sich die beiden Gäste schriftlich für das großartige Gespräch und die tolle Atmosphäre bedankt. Dazu gab es ein paar Telefonate mit Herrn Delius. Ljubljana hat vom FC ein Angebot erhalten, um die Sache gütig zu einigen. Das haben sie abgelehnt und daraufhin Klage eingereicht. Das ist die Wahrheit und alles andere ist kompletter Schwachsinn. Auch das ist erfreulicherweise schriftlich belegt.“

Hätte sich der FC bei den Gesprächen mit den Slowenen dennoch anders verhalten können oder sogar müssen?„Im Januar 2022 war ich noch nicht hier. Im Sommer hat sich der 1. FC Köln aufgrund der Rechtsgrundlage und der beratenden Anwälte zu 100 Prozent im Recht gefühlt mit seinem Vorgehen. Wenn dann ein Angebot unterbreitet wird, was die Ausstiegsklausel abdeckt und eine Ausbildungsentschädigung mitgibt, was ein Vielfaches höher war als das jetzige wirtschaftliche Strafmaß der Fifa, dann hat der FC genug dafür getan, um dieses Urteil abzuwenden.“

So geht es beim 1. FC Köln jetzt weiter

Warum ist das Fifa-Urteil für Keller eine Farce? Wie war der Ablauf?„Klage Ljubljana, Klage-Erwiderung FC, jeweils nur zwei Schriftsätze. In unserem sind aber jede Menge Zeugen benannt, unter anderem der ehemalige Präsident von Ljubljana, der die vertraglichen Zusagen an Jaka Cuber Potocnik und die Ausstiegsklausel bezeugen kann. Es gab aber keine mündliche Anhörung bei der Fifa, sondern es ziehen sich drei Richter vom Tribunal in ein Kämmerlein zurück und treffen so ein Urteil, was ja wirklich drakonischer kaum geht. Dafür fehlt mir jedes Verständnis! Wir waren massiv überrascht von dem Urteil. Ein weiterer Punkt, der zu der Farce beiträgt: Dieses Verfahren war am 1. Februar und wir haben Mittwoch das Urteil erhalten. Jetzt frage ich mich, warum es zwei Monate dauert, bis wir ein Urteil bekommen und was in der Zwischenzeit passiert ist.“

Auf welche Teams bezieht sich die Transfersperre?„Das ist in dem Urteil nicht konkretisiert. Und wenn es nicht konkretisiert ist, sind es erst mal alle Mannschaften. Wenn es konkretisiert würde, dann ist es vielleicht nur die Lizenz-Mannschaft. In vergleichbaren Urteilen ist der Verein von der U16 aufwärts betroffen.“

Wie geht's weiter?„Erst mal werden wir schnellstmöglich Berufung einlegen und in diesem Kontext auf eine Suspension der Strafe hinwirken. Das hieße, dass das Strafmaß erst mal ausgesetzt wird. Denn grundsätzlich gelten die Strafen ab sofort. Bei der Suspension darf die Strafe erst eintreten, wenn das Urteil darüber gefällt worden ist. Das ist jetzt das wichtigste Ziel.“

Wie läuft die Berufung ab?„Meine Informationen sind, dass es vier bis sechs Monate dauert, bis der Cas ein Berufungsurteil spricht. Da geht erfreulicherweise ein Verfahren voraus und nicht nur ein Schriftsatz. Wir müssen abwarten und streben an, dass mit der Berufungs-Einreichung sehr schnell die Suspension bewirkt wird. Ob das passiert und wie schnell, kann ich nicht sagen. Der Berufung muss keiner zustimmen, der Suspension schon. Darüber wird vorab separat entschieden. Wenn das Urteil zunächst ausgesetzt wird und nach der Sommertransfer-Periode bestehen bleibt, macht’s das auch nicht besser, dann trifft es uns die anschließenden beiden Perioden.“

Droht mit der Hammer-Strafe sogar der Verlust von Trainer Steffen Baumgart?„Der Trainer kennt alle Hintergründe. Ein Fifa-Urteil hat sicher keinen Einfluss auf seine Motivation.“

Was passiert mit Leart Paqarada, den der FC bereits ablösefrei von St. Pauli verpflichtet hat?„Leart hat bei uns nach deutschem Arbeitsrecht einen gültigen Vertrag. Wenn das Urteil so bleibt, würde er ab 1. Juli aber kein Spielrecht beim FC bekommen. Ob wir ihn verleihen können, ist eine gute Frage, die wir beantworten müssen. Das steht im Urteil nicht drin. Dort steht nur, dass uns untersagt wird, neue Spieler zu registrieren. Was ist ein neuer Spieler? Auch ein Spieler, der aus einer Leihe zurückkommt? Der ist bislang auch nicht bei uns registriert. Können wir einen Spieler verpflichten, der aktuell geliehen ist, also bei uns registriert ist, Jeff Chabot als Beispiel? All das müssen wir klären.“

Kölns U19-Talente Jaka Cuber Potocnik (l.) und Justin Diehl jubeln gegen Bayer Leverkusen.

Kölns U19-Talent Jaka Cuber Potocnik (M.), hier am 4. März 2023 mit Justin Diehl

Wie läuft die Planung für die kommende Saison bezüglich weiterer Neuzugänge?„Es wird schwer sein, dass ein Spieler hier einen Vertrag unterschreibt. Auch wenn er vielleicht kurz davor ist. Das würde ich als Spieler auch so machen.“

Können auslaufende Verträge verlängert werden und müssen diese Personalien (u.a. Timo Horn) jetzt neu bewertet werden?„Die können wir verlängern, weil die Spieler aktuell für den FC registriert sind. Es gibt jetzt zwei Plan-Szenarien. Das eine ist: Wir können so weitermachen, wie wir das eigentlich machen wollten. Das andere ist: Das Fifa-Urteil hat Bestand, dann brauchen wir einen Plan B.“

Gibt’s neben der Cas-Berufung weitere Möglichkeiten?„Es gäbe natürlich die Möglichkeit, irgendwann vor ein ordentliches Gericht zu gehen und zu sagen, dass diese Beweislast-Umkehr im Fifa-Recht komplett dem normalen Recht widerspricht. Ob das ein aussichtsreicher Kampf wäre, weiß ich nicht. Und er würde nicht schnell gelöst werden. In dem Urteil steht nicht, dass der 1. FC Köln den Spieler zum Vertragsbruch angestiftet hat. Da steht drin, dass wir nicht beweisen konnten, dass wir ihn NICHT angestiftet haben. Das ist ein massiver Unterschied! So etwas würde es in Deutschland nicht geben. Da muss nämlich der Kläger beweisen, dass etwas falsch gelaufen ist. Bei der Fifa muss der, der beklagt ist, beweisen, dass er nichts gemacht hat. Aber wie will man etwas beweisen, das man nicht gemacht hat?“