Die deutsche Nationalmannschaft trifft am Samstag in Berlin auf die Türkei. Diese Paarung gab es schon bei der WM 1954 – mit Kölner Beteiligung auf türkischer Seite.
WM 1954, Deutschland - TürkeiEr war dabei – früherer FC-Spieler erinnert sich
Es ist der 23. Juni 1954. 20.000 Zuschauer bevölkern die Ränge des Hardturm-Stadions in Zürich, Schauplatz des letzten Vorrundenspiels der Gruppe 2 bei der Fußball-Weltmeisterschaft in der Schweiz. Deutschland, noch kann es an diesem Mittwoch niemand ahnen, ist auf dem Weg zum „Wunder von Bern“. Die Herberger-Elf muss dieses Spiel gewinnen – und überrollt die Türkei mit 7:2.
„Es war sehr schönes Wetter“, erinnert sich Coskun Tas (89), als EXPRESS den ehemaligen Stürmer des 1. FC Köln (1959 bis 1961) in seiner Wohnung in Köln-Longerich besucht. Der frühere Linksaußen ist einer der letzten Zeugen der WM – er stand beim Entscheidungsspiel gegen Deutschland für die Türkei auf dem Platz.
Coskun Tas: „Hans Schäfer war damals sehr schnell“
„Sie haben immer neue Lücken gefunden“, sagt er über das Team um Kapitän Fritz Walter und seine späteren Mannschaftskollegen beim FC, Helmut Rahn und Hans Schäfer. Schäfer, das hat Coskun Tas noch vor Augen, „war damals sehr schnell“.
In der Reihe der Duelle der beiden Nationen, zu deren 22. Ausgabe es am Samstag im Berliner Olympiastadion kommt, ist das Entscheidungsspiel von Zürich als das torreichste in die Chronik eingegangen. Überhaupt waren die Umstände bemerkenswert, der Modus umstritten. In der Gruppe 2 waren neben dem WM-Favoriten Ungarn auch die Türken gesetzt, da sie in der Qualifikation das starke Spanien eliminiert hatten – wenn auch, nach einem Remis im letzten Match, durch einen Losentscheid. Ungarn und die Türkei traten also in der WM-Gruppe nicht gegeneinander an.
Nach einem 7:0 gegen Südkorea und der 1:4-Auftaktniederlage gegen Deutschland (am 17. Juni 1954 in Bern) standen die Türkei und die Mannschaft von Trainer Sepp Herberger, die gegen Ungarn eine 3:8-Klatsche hingelegt hatte, mit je einem Sieg und einer Niederlage punktgleich auf Platz zwei. Den Türken nützte das bessere Torverhältnis nicht, um Deutschland aus dem Turnier zu drängen – die Trefferregel existierte in den Fifa-Statuten damals nicht. Es musste also zum erneuten Kräftemessen kommen. Der italienische Trainer der Türken, Sandro Puppo, schickte den 19-jährigen Coskun Tas (Besiktas Istanbul) in seinen ersten WM-Einsatz.
Wieder war Deutschland das überlegene Team und hatte sich in der ersten Halbzeit einen 3:1-Vorsprung herausgespielt. Die Türken kommen nicht mehr zurück, ab der 50. Minute sind sie nur noch zu zehnt, da Cetin Zeybek verletzt ausgeschieden war. Spielerwechsel waren noch nicht erlaubt. An seinen Gegenspieler Fritz Laband erinnert sich Coskun Tas als „großen, starken Mann“ – und daran, dass er aus 18 Metern abgezogen und Toni Turek pariert hatte. „Ich weiß noch, dass ich dachte: Schade!“.
Die Mannschaft der Türkei hatte durch den legendären, griechischstämmigen Kapitän Lefter Kücükandonyadis (Fenerbahce) und Rober Eryol (Galatasaray), Sohn jüdischer Türken und später Trainer von Maccabi Tel Aviv, einen kosmopolitischen Einschlag. Stammkeeper Turgay Seren trug den Spitznamen „Panther von Berlin“, weil er drei Jahre zuvor beim ersten Aufeinandertreffen von Deutschland und der Türkei (1:2) eine Glanzleistung gezeigt hatte. Im Entscheidungsspiel von Zürich, an dessen Ende Deutschland im Viertelfinale stand, war jedoch Sükrü Ersoy (92) im Kasten – neben Coskun Tas der einzige noch lebende Spieler aus den beiden Kadern: „Er hat mich noch vor einiger Zeit aus Istanbul angerufen“.
Coskun Tas, der nach der WM 1954 mit Besiktas mehrmals Meister wurde und im Landesmeisterpokal gegen Real Madrid spielte („Ich habe den tosenden Lärm vom Bernabeu bis heute im Ohr“) unterschrieb als einer der ersten Türken einen deutschen Erstligavertrag, wurde mit dem 1. FC Köln Westdeutscher Meister (1960) und zog in der Meisterschaftsendrunde 1961 mit drei Toren in sechs Spielen ins Endspiel gegen den Hamburger SV, wo er gegen jede Erwartung – was er bis heute bedauert – vom Trainer Oswald Pfau nicht berücksichtigt wurde. Der FC wurde durch ein 2:3 deutscher Vizemeister.
In Köln hatte der Fußballer die Liebe seines Lebens gefunden, Gerda, eine Friseurin aus der Südstadt. Sie gründeten eine Familie, 1963 kam ihr Sohn auf die Welt. Nach seiner Zeit beim FC und einigen Stationen als Trainer arbeitete Coskun Tas bis zu seiner Pensionierung als Programmentwickler bei Ford. Seit 2018 ist er Witwer. Am Samstagabend wird er vor dem Fernseher sitzen: Deutschland - Türkei, 20.45 Uhr.