„Ich will nichts garantieren“Neymar denkt an Rücktritt aus der Selecao

Der Brasilianer Neymar sitzt nach dem verlorenen WM-Viertelfinale gegen Kroatien weinend am Boden.

Der Brasilianer Neymar sitzt nach dem WM-Aus gegen Kroatien am 9. Dezember 2022 enttäuscht am Boden.

Brasiliens Tanz endet schon im Viertelfinale, der Traum vom sechsten Titel platzt im Elfmeterschießen gegen Kroatien. Superstar Neymar ist untröstlich. Hört er jetzt in der Nationalelf auf?

Neymar sackte zusammen und lag reglos am Mittelkreis, er weinte um seinen großen Titel-Traum, der nun vielleicht nie wahr wird. Denn nach dem bitteren Aus im WM-Viertelfinale gegen Kroatien ließ der Superstar seine Zukunft in der Selecao offen.

„Es ist ein schlechter Moment, darüber zu sprechen, ich bin noch zu aufgewühlt“, sagte Neymar nach dem 2:4 im Elfmeterschießen: „Jetzt davon zu sprechen, dass es mein Ende war, ist ein bisschen voreilig. Aber ich will auch nichts garantieren.“

Tite hört auf – was macht Neymar?

Der Frust war groß, denn schon wieder war der Weg zum ersehnten Titel zu steinig. Bissige, unnachgiebige Kroaten versperrten ihn dieses Mal, der Tanz der Selecao endete schon vor dem Halbfinale. Nun beginnt eine neue Ära – ohne Neymar? Auf jeden Fall ohne Nationaltrainer Tite, der noch am Freitag wie angekündigt nach sechs Jahren abtrat: „Das ist das Ende meiner Zeit, ich halte mein Wort. Wir sollten kein Drama daraus machen.“

Für den Vize-Weltmeister Kroatien um Altstar Luka Modric geht es jetzt im Halbfinale gegen die Niederlande oder Argentinien weiter. „Wir sind ein kleines Land mit sehr großen Fußballern“, sagte der langjährige Bundesligaprofi Ivica Olic, heute Co-Trainer der Kroaten, bei MagentaTV: „Ich bin sehr stolz. Wir stehen zum zweiten Mal in Folge im Halbfinale, vielleicht reicht es dieses Mal bis zum Ende.“

Nach 120 lange Zeit biederen Minuten hatte es 1:1 gestanden, erst in der Verlängerung nahm das Spiel Fahrt auf, und es hätte alles so schön sein können für Brasilien: Neymar traf nach einem doppelten Doppelpass traumhaft zur Führung (105.), er holte damit den großen Pele als Rekordschützen des Landes ein. Doch Bruno Petkovic (117.) glich noch aus, es war für nimmermüde Kroaten der erste Schuss aufs Tor.

Und dann avancierte schon wieder Torhüter Dominik Livakovic zum Elfmeter-Helden, schon im Achtelfinale hatte er die Japaner verzweifeln lassen. Nun hielt er den Versuch von Rodrygo, Marquinhos scheiterte zudem am Pfosten – und ein ganzes Land weinte. Den erhofften „Hexa“, den sechsten Titel, wird es auch in diesem Winter nicht geben. „Der Hexa-Traum wird auf 2026 verschoben“, titelte O Globo trotzig.

Brasilien entwickelt allerdings einen ernsthaften Europa-Komplex: Seit dem Final-Triumph gegen Deutschland vor 20 Jahren gab es sechs K.o.-Duelle gegen europäische Teams – und dabei sechs Niederlagen.

Dieses Mal waren es die Kroaten, die hart arbeiteten, um den vermeintlich übermächtigen Gegner zu entnerven. Das gelang eindrucksvoll. Im Achtelfinale gegen Südkorea (4:1) war Brasilien geradezu zum Sieg getanzt, am Freitag nun wirkte das Team schwerfällig.

Die Probleme wurden früh im Spiel offensichtlich, Kroatiens Trainer Zlatko Dalic ließ seine routinierte Mannschaft mit großem läuferischen Aufwand hoch attackieren. Das war der Favorit bei dieser WM nicht gewohnt. Modric nahm Casemiro zudem in Manndeckung – und der ehemalige Bayern-Profi Ivan Perisic hatte die erste Torchance (13.).

Kroatien verteidigte souverän und hatte sich vorgenommen, den Edeltechnikern mit Konsequenz und Kontern auf die Nerven zu gehen. Eine Prise gesunde Härte, auch gegen Neymar, war Teil der Taktik, Gvardiol organisierte die Abwehr stark. Im rechten Mittelfeld fiel Josip Juranovic sehr positiv auf.

Erstaunlicherweise bekam Kroatien nicht weniger Ballbesitz als der Gegner, dennoch stieg der brasilianische Druck später an. Livakovic musste mehrfach retten. Bald ging es torlos in die Verlängerung, erst hier nahm die Begegnung Fahrt auf – und Neymar wirkte nur für ein paar Minuten wie der große Held. (sid)