Nach dem Fan-Chaos beim Finale der Champions League mit mehr als 200 Verletzten ist eine Untersuchung zu einem verheerenden Urteil gekommen: Auch die UEFA trägt eine Mitschuld an den schlimmen Vorfällen.
„Völlig versagt“Untersuchung zu Fan-Chaos bei CL-Finale liegt vor: UEFA trägt Mitschuld
Für das Zuschauer-Chaos rund um das Champions-League-Finale am 28. Mai 2022 ist neben der Pariser Polizei auch die UEFA mitverantwortlich. Das ist das Ergebnis eines unabhängigen Untersuchungsberichts unter der Leitung von Phil Scraton, der auch die Aufarbeitung der Hillsborough-Katastrophe 1989 geleitet hatte.
„Unsere umfassende Analyse der Erfahrungen der Fans vor, während und nach dem Champions-League-Finale ist eine Anklage gegen alle beteiligten Behörden: die UEFA, die Pariser Polizei, die lokalen und zentralen Behörden und die Stadionbesitzer“, heißt es in dem Bericht mit dem Titel „Mit Verachtung behandelt“.
CL-Untersuchung: UEFA und Polizei mitverantwortlich für Final-Chaos
Der Bericht, an dem fünf Experten beteiligt waren, stützt sich auf Aussagen von 485 Frauen, Männern und Kindern sowie auf Augenzeugenberichte internationaler Journalisten.
Demnach habe die UEFA bei der Wahrnehmung ihrer Verantwortung „völlig“ versagt. Die anhaltenden und willkürlichen Angriffe der Polizisten sowie der wahllose, rücksichtslose und unprovozierte Einsatz von Tränengas gegen „Männer, Frauen und Kinder, die auf engem Raum eingeschlossen waren, sind rücksichtslos und gefährlich gewesen“, heißt es weiter.
Menschenleben seien durch ein kollektives, operatives Versagen gefährdet worden. Zudem sei es zu „kriminellen Übergriffen“ durch lokale Banden gekommen, die zahlreiche Fans auch noch bestohlen haben.
Finale der Champions League: Bericht fällt verheerendes Urteil
Der Bericht kommt zudem zu dem Schluss, dass es eine unzureichende Vorbereitung vor dem Spiel durch die UEFA und die Pariser Agenturen gegeben hatte sowie unzureichende Vorkehrungen für die Sicherheit der Zuschauer. Nur durch das ruhige Verhalten der Fans hätte es keine Toten gegeben, Tausende, darunter auch Kinder, seien aber nun traumatisiert.
Beim 1:0-Sieg von Real Madrid gegen den FC Liverpool war es im Pariser Stade de France zu einem Zuschauer-Chaos gekommen. Der Anpfiff hatte sich um mehr als eine halbe Stunde verzögert, weil viele Fans trotz Tickets nicht ins Stadion gekommen waren. Die Polizei setzte Tränengas ein, mehr als 230 Menschen wurden verletzt.
Schon eine Untersuchung des französischen Senats im Juli war zu einem ebenfalls vernichtenden Urteil gekommen. Es habe eine Verkettung von Funktionsversagen auf allen Ebenen gegeben sowie Versäumnisse bei der Vorbereitung. Die Pariser Polizei hatte ihr Versagen bereits eingeräumt, der Pariser Polizeipräfekt Didier Lallement räumte anschließend seinen Posten. Der unabhängige Bericht der UEFA soll im November veröffentlicht werden. Der europäische Fußballverband hatte das Chaos beim Endspiel der Champions League durch das hohe Aufkommen von Fans ohne gültige Tickets erklärt.
Bei vielen Liverpool-Fans hätten die Geschehnisse in Paris Erinnerungen an die Hillsborough-Katastrophe geweckt, als am 15. April 1989 beim Halbfinale des FA Cups zwischen Liverpool und Nottingham Forest durch überfüllte Blöcke 97 Fans ums Leben kamen und mehr als 700 verletzt wurden. Aus Liverpool war Ende September bekannt geworden, dass zwei Anhänger der Reds infolge ihrer Erlebnisse in Paris Suizid begangen haben. „Für die Fans, die die Hillsborough-Katastrophe von 1989 und alles, was danach geschah, überlebten, war Paris retraumatisierend“, sagte die an dem aktuellen Bericht beteiligte Autorin Deena Haydon. (dpa)