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Wende bei der FIFA?Diskussion um „One-Love“-Binde geht in die nächste Runde

Die spezielle Kapitänsbinde als Zeichen gegen Diskriminierung und für Vielfalt liegt auf einem Tisch.

Diese Kapitänsbinde könnten die Fußball-Frauen bei der WM 2023 in Australien und Neuseeland tragen (Aufnahme aus dem Jahr 2022).

Vor der Fußball-WM der Männer wurde die Diskussion um die „One-Love“-Binde zum Politikum. Letztendlich wurde sie von der Fifa verboten. Wie sieht das bei der Frauen-WM im Sommer aus?

von Annika Becker  (abe)

Nachdem die „One-Love“-Binde schon bei der WM in Katar zum Politikum wurde, rückt sie im Kontext der Frauenweltmeisterschaft in Australien und Neuseeland in den Fokus. Die Fifa ist nach dem Debakel im Winter nun darauf aus, sich ins rechte Licht zu rücken. Wie glaubhaft das ist, bleibt offen.

Der Themenkomplex rund um die Fifa und die „One Love“-Binde geht in die nächste Runde. Am vergangenen Samstag (4. März 2023) kam in London das International Football Association Board (IFAB) zusammen. Fifa-Präsident Gianni Infantino war auch dort.

„Wir suchen den Dialog, und wir werden rechtzeitig vor der Frauen-Weltmeisterschaft eine Lösung gefunden haben. Das hoffe ich“, so Infantino auf die Frage, ob die Binde bei der WM der Frauen in diesem Sommer getragen werden dürfe. Es habe einen „Lernprozess“ gegeben. Und weiter: „Was wir dieses Mal besser machen wollen, ist, den Dialog mit allen Beteiligten zu suchen – den Kapitäninnen, den Verbänden, den Spielerinnen im Allgemeinen, der Fifa, aus der ganzen Welt -, um die verschiedenen Empfindlichkeiten zu erfassen, zu erklären, uns auszutauschen. Um zu sehen, was getan werden kann, damit Positionen, Werte oder welches Gefühl auch immer jemand hat, ausgedrückt werden kann, ohne jemand anderen zu verletzen.“

Ursprünge der „One Love“-Binde in politischen Bewegungen

Schelme all diejenigen, deren erster Gedanke war, dass die „One Love“-Binde ja sowieso kaum jemandem wehtut. Denn ein perfektes Symbol war die „One Love“-Binde sowieso nie – zumindest nicht außerhalb der Niederlande, denn dort ist sie entstanden und war eingebettet in eine größere Kampagne. Auslöser dafür waren die rassistischen Entgleisungen gegenüber dem Spieler Ahmad Mendes Moreira. Der Verband KNVB entwickelte zusammen mit der Regierung einen großangelegten Plan im Rahmen von 14 Millionen Euro, der neben einer Medienkampagne vor allem ein Sensibilisierungsprogramm und eine App zum Melden diskriminierender Vorfälle auf den Weg brachte.

Die „One Love“-Binde sollte das Bild dafür sein, ihre Farben wurden bewusst ausgewählt, auch wenn sie im Gedanken an die klassische Pride-Flag im ersten Moment willkürlich wirken mögen. Auf der einen Seite sind da das Rot, Schwarz und Grün der Pan-Afrikanischen-Flagge. Sie steht für eine sehr spezifische politische Bewegung und wird auch im Rahmen von Anti-Rassismus-Demonstrationen, zum Beispiel im Rahmen von Black Lives Matter gezeigt. Die Flagge auf ein Anti-Rassismus-Symbol zu reduzieren, wäre aufgrund ihrer Geschichte aber falsch.

Den zweiten Teil der „One Love“-Binde bilden das Pink, Gelb und Türkis der Pansexuellen Flagge. Pansexuelle Menschen sind Teil der LGBTQIA*-Communities, sie fühlen sich zu allen Geschlechtern hingezogen, ausdrücklich auch denen abseits der Binarität von Mann und Frau, und setzen sich damit von den Bisexuellen ab. Auch hier geht es also um eine spezifische Gruppe von Menschen, die eine ebenso spezifische Art von Diskriminierung erfährt.

Nun können sich die mit diesen beiden Teilen verbundenen Diskriminierungen durchaus überschneiden, das Wort dafür ist Intersektionalität. Wenn über solche sich überschneidenden Diskriminierungen gesprochen und geforscht wird, ist sprachliche Genauigkeit sehr wichtig, eben weil die Ausprägungen von Diskriminierung so verschieden und verschachtelt sein können.

Das Problem an der „One Love“-Binde ist, dass die ursprünglichen Bedeutungen reduziert werden. Man habe sich nicht nur gegen Rassismus, sondern auch jegliche andere Form von Diskriminierung positionieren wollen, so der KNVB zum Start der ursprünglichen Kampagne im Jahr 2020. Da bleibt dann von der Pan-Afrikanischen-Bewegung noch der Anti-Rassismus, nicht-afrikanische Menschen, die Rassismus erfahren, sind freundlich mitgemeint.

Und die Pansexuellen sollen plötzlich für alles, was irgendwie mit Geschlecht und Sexualität zu tun hat, so als würde es sich dabei nicht auch um eine sehr konkrete Gruppe von Menschen handeln, stehen. Das alles ist also schon schwierig genug, nur kamen diese verbliebenen Inhaltsschnipsel dann rund um die WM im Rest der Welt schon gar nicht mehr an. Das lag auch daran, dass die beteiligten Verbände nicht gerade darum bemüht waren, die „One Love“-Binde so richtig zu erklären, geschweige denn mit der ebenfalls sehr konkreten und spezifischen Situation in Katar über ein paar Buzzwords hinaus in Verbindung zu bringen. Aber selbst diese Fitzelchen von Haltung waren der Fifa bekanntlich schon zu viel.

Die scheinheilige Einsicht der Fifa

Und das angesichts von einer ungeklärten Anzahl von Toten, Ausbeutung durch das zwar auf dem Papier reformierte, aber praktisch nach wie vor existente Kafala-System, das Menschen basale Rechte raubt; die zwar offiziell nicht ausgeführte, aber gesetzlich verankerte Todesstrafe für Homosexualität; und eingeschränkte Rechte von Frauen, um einige der größten Punkte zu nennen.


Annika Becker ist freie Autorin bei EXPRESS.de und kümmert sich in ihren Kolumnen um das Thema Frauenfußball. Sie ist Mitglied von FRÜF - Frauen reden über Fußball.


Das, was jetzt ein „Lernprozess“ sein und wie eine reumütige Geste wirken soll, ist nichts anderes als eine weitere Dreistigkeit. Die eigentliche Kuh ist mit dem Ende der WM in Katar für Infantino vom Eis, da kann man schon mal ganz gönnerhaft ein verwässertes Symbol erlauben, an dem sich im Gegensatz zu Katar in den Gastgeberländern dieses Sommers zudem niemand stören dürfte.

Hauptsache, es kommt niemand auf die Idee, mit einer Pride-Flag am Arm spielen zu wollen, die Botschaft wäre wohl zu eindeutig, bei einem potenziellen Sponsoring des Turniers durch Saudi-Arabien (hier wird die Todesstrafe gegen queere Menschen auch tatsächlich ausgeführt) und mehreren Dutzend outer Spielerinnen in den verschiedenen Nationalteams.

Wenn die beiden Gastgeberländer nicht sowieso wegen des erwähnten Sponsoringdeals gerade einen ernsthaften Streit mit der Fifa führen würden, könnten sie über Infantinos „Großzügigkeit“ vielleicht lachen: Football Australia hat erst kürzlich eine Kooperation mit Sydney WorldPride bekannt gegeben und die „Matildas“ werben für das Turnier vor allem mit Star-Stürmerin Sam Kerr – sie zeigt sich ihrerseits in den sozialen Medien sehr verliebt in US-Spielerin Kristie Mewis. So bleibt zu hoffen, dass die teilnehmenden Länder auf mehr pochen, als „One Love“.