Alexander Jobst im großen EXPRESS.de-Exklusivinterview. Der Vorstandsboss von Fortuna Düsseldorf spricht über seine Pläne mit dem Traditionsklub und wie er die Fans auf dem Weg mitnehmen will.
Düsseldorf-Boss Jobst im Interview„Der Fortuna-Zug muss schneller werden“
von Patrick Scherer
Alexander Jobst (48) empfängt uns in einer Loge der Arena, alles ist abgedunkelt. Geheimniskrämerei bei Fortuna Düsseldorf? Nein, der Aufbau für das Konzert von Lady Gaga am Sonntag (17. Juli 2022) erfordert die Heimlichtuerei. Beim Outfit des Düsseldorfer Vorstandschefs fällt derweil sofort ein grelles Armband ins Auge.
Jobst erklärt lachend: „Das war eine Familienaktion. Mama, Papa, Kinder – jeder hat eins bekommen. Das Ergebnis: Nach zwei Tagen hatte nur noch ich meins, die anderen haben es verloren... Aber ich trage es natürlich weiter!“
Im großen EXPRESS.de-Interview spricht der Düsseldorfer Vorstandsboss über seine bisherige Amtszeit, die Pläne mit dem Traditionsklub und den Austausch mit den Fans.
Alexander Jobst: Fortuna Düsseldorfs Vorstandsboss im Interview
Herr Jobst, Sie sind jetzt fast ein halbes Jahr bei Fortuna. Was macht den Verein für Sie aus?Alexander Jobst: Ich habe eine tolle Willkommenskultur erfahren. Die Wucht und die Kraft, die Fortuna in der Stadt hat, ist begeisternd. Ich habe vorher nicht gedacht, dass Fortuna Düsseldorf diese Emotionalität in der Form mitbringt. Das spornt einen umso mehr an und zeigt, welche Möglichkeiten Fortuna in Zukunft haben wird.
Können Sie diese Wucht konkret beschreiben?Jobst: Ich habe sehr viele Gespräche geführt – mit der Stadt, mit aktuellen und ehemaligen Sponsoren und vielen Fans. Die Fans sind mir mit viel Herzblut und kompletter Offenheit begegnet. Sie haben mir von Emotionen berichtet, aber auch von Dingen, die man sich nicht wünscht und von mir erwartet. In dieser Form erfahren Sie all das nicht an jedem Ort. Das war besonders für mich. Klar ist: Die Liebe zu Fortuna ist unabhängig von der Liga.
Was wollen die Fans und die Mitglieder denn?Jobst: Mitgenommen werden. Sie wollen Entscheidungen transparent erklärt bekommen. Im besten Fall nimmt man die Mitglieder im Vorfeld mit. Das geht nicht immer und auch nicht auf jedem Gebiet, aber wir versuchen das. Mein Versprechen: Wir intensivieren den Mitglieder-Dialog. Wir erarbeiten dazu ein Format für einen verbesserten digitalen und physischen Austausch. Ende des Jahres bei der nächsten Mitgliederversammlung werden wir das dann erläutern.
Wie passt dazu, dass die aktuelle Saisonvorbereitung so fan-fern wie nie war?Jobst: Wir haben uns aufgrund logistischer und organisatorischer Gründe dafür entschieden, das Familienfest am Tag nach dem ersten Heimspiel zu machen. Ein unglücklicher Zustand war zudem, dass wir den Test gegen Enschede nicht vor Zuschauern austragen konnten. Die Behörden haben das untersagt. Ganz sicher ist: Wir wollen ein nahbarer Verein bleiben, ein familien- und gesellschaftsfreundlicher Verein sein. Das gilt für alle Altersklassen.
In Bad Leonfelden war auch nicht viel los. Wie sieht es mit einem anderen Trainingslager-Ort in den kommenden Jahren aus?Jobst: Die sportlichen Aspekte sind immer vordergründig. Aber wir wollen, dass wieder mehr Fans beim Trainingslager dabei sind. Das muss sich entwickeln. Ob das Trainingslager im nächsten Jahr wieder in Bad Leonfelden stattfindet, können wir noch nicht sagen.
Wo liegt denn das größte Fan-Potential?Jobst: Da ist Fortuna nicht alleine: bei der Bindung von jungen Fans, die Altersgruppe sechs bis 18. Unsere Mitgliederstruktur wird immer älter. Das ist der Hebel, an dem wir ansetzen wollen. Deshalb wollen wir familienfreundlich bleiben und die Kinder ins Stadion bringen. Hinzu kommt: Düsseldorf hat in der Bevölkerung jährlich eine Fluktuation von bis zu zehn Prozent. Das ist wunderbar für uns: Die Menschen, die die Stadt verlassen, bleiben Fortuna-Fans. Die neuen zehn Prozent wollen wir für Fortuna begeistern.
Sie wollen auch das Stadionerlebnis erweitern. Die Fans sollen früher kommen und später gehen. Wie geht das?Jobst: Die 90 Minuten sind immer das Wichtigste. Aber um diese 90 Minuten passiert bei Fortuna relativ wenig. Wir reden dann über Biergärten, Sponsoren-Aktionen für unsere Fans, Attraktionen für Familien. Ein erster Schritt: Das Rahmenprogramm im Stadion wird sich schon zum ersten Heimspiel etwas verändern. Wir haben gemeinsam daran gearbeitet, eine Spannungskurve von Beginn des Stadionprogramms bis zum Anpfiff aufzubauen. Erste Eindrücke werden wir zum Saisonstart in der Arena sehen.
Biergarten? Geht das denn überhaupt auf dem Messe-Gelände?Jobst: Warum nicht? Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Viele Parteien müssen sich dazu bereiterklären. Wenn man miteinander spricht und bereit ist für Veränderungen nach dem Wunsch unserer Fans, wird das für die Zukunft auch möglich sein.
Wie stehen Sie denn zu dem Begriff „Event-Fan“?Jobst: Unabhängig vom Begriff, ich sehe es positiv: Wir sind eine sportbegeisterte Stadt. Wenn etwas geboten wird, kommen die Menschen zu Fortuna. Wenn aus Sportbegeisterung und dem Event drumherum ein Fan-Dasein wird, haben wir sehr Vieles richtig gemacht.
Was ist ihr Ansatz für Fortuna in der nahen Zukunft?Jobst: Wir müssen aktiv auf Stadt und Unternehmen zugehen, Vertrauen schaffen und den Menschen aufzeigen, wo Fortuna in Zukunft hinmöchte. Das braucht vielleicht noch eine gewisse Zeit, aber das wird kommen.
Warum braucht das noch Zeit?Jobst: Für ein langfristiges, inhaltliches Konzept muss das ein oder andere Rädchen gedreht werden. Neben der Bestandsaufnahme des bisherigen Geschäfts gehört eine Analyse dazu, für was Fortuna stand und für was sie stehen soll. Dann geht es um eine sportliche Zielsetzung, abhängig von den wirtschaftlichen Möglichkeiten und darum, was wir uns zutrauen, welchen Mut wir haben und welche Verantwortung wir tragen wollen.
Geben Sie das vor?Jobst: Nein. Ich bin da Teamplayer, zwar mit der Kapitänsbinde, aber das geht nur im Verbund mit unseren tollen Mitarbeitern und den Gremien. Fortuna braucht Halt, der ihr durch die bewegte Vergangenheit ein bisschen verloren gegangen ist. Den wollen wir geben. Und: Wir müssen unsere Ressorts besser verzahnen. Es darf keine Scheuklappen geben. Jeder muss auch über seinen Tellerrand hinausschauen. Denn fest steht: Unser Zug ist nicht der schnellste in der ersten und zweiten Liga, wir müssen schneller werden!