Frauenfußball-KolumneDer lange Weg nach Australien: DFB-Team vor entscheidenden Wochen

Die deutschen Spielerinnen posieren für ein Teamfoto vor dem Spiel gegen Brasilien.

Die deutschen Spielerinnen posieren am 11. April 2023 für ein Teamfoto vor dem Spiel gegen Brasilien.

Der Countdown läuft: Die deutsche Frauen-Nationalmannschaft befindet sich mitten in der Vorbereitung auf die WM. Die Rolle des Teams hat sich im Vergleich zur EM verändert.

von Alina Ruprecht  (aru)

Die deutsche Nationalmannschaft ist wieder beisammen und am 20. Juni offiziell in die WM-Vorbereitung gestartet; einen Monat, bevor das große Turnier in Australien und Neuseeland steigt. Das Team um Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg (55) geht dieses Mal mit einer anderen Rolle in den Wettbewerb als noch vor einem Jahr bei der EM in England.

Nach Jahren ohne einen Titelgewinn reist die Nationalmannschaft wieder als beachteter Favorit an. Der Ausgang der WM ist offener denn je, da auch andere Teams in den letzten Monaten erstarkt sind und sich jetzt auch im Kreis der Titelanwärter wieder finden. Deutschland hat sich bei und seit der EM 2022 mehrfach erfolgreich gegen starke Gegner wie die USA, Frankreich und die Niederlande bewährt.

Viel Unruhe um Spielerinnen des FC Bayern

Was kann einem Triumph in Australien da noch im Wege stehen, möchten sich manche fragen. Es braucht Perfektion auf allen Ebenen, etwaige Baustellen müssen in der kurzen Vorbereitungsphase behoben werden. Das Team ist gut eingespielt, viele Spielerinnen kennen sich aus Vereinen und nationalen Ligen. Gerade während der EM gewann man zahlreiche Fan-Herzen durch den starken Zusammenhalt in der Mannschaft und überzeugende Authentizität. Beides hat man sich bis heute bewahrt.

Für Unruhe sorgte jedoch jüngst die verspätete Anreise einiger Spielerinnen zum Trainingslager. Der FC Bayern weigerte sich, seine fünf Nationalspielerinnen am 20. Juni ins Team-Camp zu entlassen. Man beharrte auf einen verlängerten Urlaub um drei Tage für sie. Der DFB zeigte sich daraufhin entrüstet und sprach von einem „Wortbruch“ seitens des Vereins. Bereits Anfang des Jahres hatte man sich auf die genauen Abstellungsperioden verständigt.

Mit seinem Unmut über das Agieren des FC Bayern hielt sich der DFB nicht zurück. Auch andere Nationalspielerinnen, wie Alexandra Popp (32), äußerten ihr Unverständnis. Ist der Team-Spirit der Nationalmannschaft wirklich so stark, wie man es nach außen trägt? Um die drei Tage Zusatzurlaub wurde im Vorfeld des Trainingslagers mehr Wirbel gemacht als notwendig.

Die Diskussion lenkte vielmehr von sportlichen Themen ab, mit denen man sich vor der WM beschäftigten sollte. Aus dem vorläufigen Kader von 28 Spielerinnen werden vor der Abreise nach Australien fünf gestrichen, da die Fifa nur einen 23-köpfigen Kader erlaubt. Für die Spielerinnen, die nach einer anstrengenden Vereins-Saison viele Spielminuten in den Knochen haben, bedeutet dies keinerlei Entlastung und stattdessen noch mehr Stress durch fehlende Rotationsmöglichkeiten.


Alina Ruprecht ist freie Autorin bei EXPRESS.de und kümmert sich in ihren Kolumnen um das Thema Frauenfußball. Sie ist Mitglied von FRÜF - Frauen reden über Fußball.


Eine Mischung aus erfahrenem und flexiblen Personal wäre daher ideal, um den Titelkampf in Australien anzugehen. Große Turniere, wie die WM, sind grundsätzlich offensiver ausgerichtet. Über 90 Minuten kann jedes Tor über wichtige Punkte in der Gruppenphase, Weiterkommen oder Scheitern in den K.o.-Phasen entscheiden. In der Offensive ist Deutschland hervorragend aufgestellt und verfügt über viele personelle Optionen.

Dort sowie im Mittelfeld sind am ehesten die fünf Kürzungen zu erwarten. Eine alte Fußballweisheit besagt: „Angriff gewinnt Spiele. Verteidigung gewinnt Meisterschaften“. Die deutsche Abwehr könnte jedoch die größte Problemzone werden, da einige der Spielerinnen verletzungsanfällig sind, noch keine Turniererfahrung haben oder „out of position“ gespielt werden. Diese Aspekte wären auch nicht durch die verfrühte Anreise der fünf Bayern-Spielerinnen aus der Welt geschaffen worden.

Vor der EM 2022 war das deutsche Team eher schwer einzuschätzen, der Finaleinzug war entsprechend fast schon eine Sensation. Basierend auf diesem und anderen Erfolgen der vergangenen Monate hat sich die Rolle der Mannschaft geändert. Man reist mit anderen Ansprüchen an sich selbst und Erwartungshaltungen von außen im Gepäck.

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Damit die deutsche Nationalmannschaft bei der WM erfolgreich sein kann, müssen viele verschiedene Faktoren reibungslos zusammenwirken. Noch hat man knapp drei Wochen Zeit, als Team (wieder) zusammenzufinden und das eigene Spiel zur Perfektion zu bringen. Für Experimente, wie Stürmerinnen in der Abwehr aufzustellen, ist jetzt keine Zeit mehr.

Der Weg nach Australien ist lang und das Turnier wird ein anstrengendes für alle Beteiligten. Nach dem großen Finale am 20. August in Sydney stehen die Chancen jedoch gut, dass sich der ganze Aufwand für die deutsche Nationalmannschaft gelohnt hat.