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Frauenfußball-KolumneErleichterung über TV-Rechte an einer paradoxen WM

Deutschlands Spielerinnen feiern nach Spielende.

Deutschlands Spielerinnen feiern am 27. Juli 2022 bei der Frauen-EM 2022 in England.

Die Fußball-WM der Frauen wird von ARD und ZDF übertragen – eine große Erleichterung für den Sport. Mehr in der Frauenfußball-Kolumne.

von Annika Becker  (abe)

Es ist der 20. August 2023, Deutschland hat gerade das Finale der Fußball-WM der Frauen gewonnen, Alex Popp streckt den Pokal in den winterlichen Abendhimmel von Sydney. Währenddessen ist es früher Nachmittag in Deutschland und diese Bilder sind nicht zu sehen, weil die Weltmeisterschaft nicht im Fernsehen gezeigt wird.

Wenn Fußball gespielt wird, aber niemand sieht es, gibt es diesen Fußball dann wirklich? Was bedeutet das für eine wachsende Sportart und ihren Nachwuchs? Und wer trägt die größte Schuld?

ARD und ZDF zeigen alle Spiele der Fußball-WM der Frauen

So oder ähnlich sahen bis Mittwoch (14. Juni 2023) die philosophischen wie konkreten Fragen und Horrorszenarien von Fußballfans, Spielerinnen und allen anderen aus, die in irgendeiner Form mit diesem Sport verbunden sind.

Denn sowohl in Deutschland als auch in mehreren anderen europäischen Ländern (England, Frankreich, Spanien, Italien) war die Vergabe der TV-Rechte bis knapp einen Monat vor Turnierstart ungeklärt.

Aus Frankreich, Italien und England waren in den letzten Tagen immer wieder Anzeichen einer Annäherung zur Fifa durchgesickert, in Deutschland war es dagegen zumindest in der Öffentlichkeit sehr still.

Umso erleichterter dann das allgemeine Aufatmen, als die European Broadcasting Union (Ebu) endgültig offiziell bestätige, dass man sich mit der Fifa geeinigt habe. ARD und ZDF werden alle Spiele der WM zeigen, außerdem sollen sich die Spiele übers Radio verfolgen lassen und Zusammenfassungen in den Online-Portalen angeboten werden.

Monatelanges Hickhack um TV-Rechte der Frauen-WM

Ursprünglich hatten ARD und ZDF über ihre eigene Sportrechte-Agentur „SportA“ selbst verhandelt, jetzt aber läuft der Deal eben über die Ebu. Diese hatte bereits im Oktober 2022 ihren Vertrag mit der Fifa für die Übertragungsrechte in 28 Ländern ausgehandelt.

Dieser Vertrag wird nun erweitert, neben den bereits genannten Nationen kommt auch die Ukraine mit hinzu. Teil der Vereinbarungen ist außerdem, dass die Ebu auch über die WM hinaus pro Woche mindestens eine Stunde Inhalte über den Fußball der Frauen für ihr Sendernetzwerk bereitstellt.

Nehmen Sie hier an der EXPRESS.de-Umfrage teil:

Damit löst sich eine monatelange Patt-Situation: Die Fifa hatte die Übertragungsrechte am Turnier der Frauen erstmals überhaupt eigenständig ausgeschrieben, statt sie zusammen mit denen an der Männer-WM zu vergeben. Die offizielle Ausschreibung für den deutschen Markt erfolgte sehr kurzfristig erst Anfang dieses Jahres, normalerweise geschieht das mit mehreren Jahren Vorlauf.

Der Fußball-Weltverband fordere zehn Millionen, die Öffentlich-Rechtlichen böten fünf Millionen, so berichtete es der „Kicker“, bestätigt sind die Zahlen nicht. Klar ist aber, dass die Summen nur ein Bruchteil der 214 Millionen Euro für die TV-Rechte an der WM der Männer in Katar ausmachen.

Frauen-WM: Vorberichterstattung mit Fokus aufs Sportliche? Fehlanzeige

Dann ging monatelang gar nichts, die Fifa sprach hohle Drohungen über einen möglichen „Blackout“ aus. Hohl deshalb, weil es da ja auch noch die Sponsoren gibt, die gesehen werden möchten und zudem das Fifa-eigene Streamingportal.

Was die gefundene Lösung finanziell bedeutet, ist öffentlich aktuell nicht bekannt. In England, wo sich BBC und ITV die Ausstrahlung aufteilen werden und alle Partien des Turniers zeigen, ist die Rede von acht bis neun Millionen Pfund (9,3 bis 10,5 Millionen Euro), Schätzungen der „L’Équipe“ für Frankreich, wo ebenfalls alle Spiele zu sehen sein werden, liegen bei zehn Millionen Euro. In Italien und Spanien waren die Erstgebote besonders niedrig, dort werden nach der Ebu-Vereinbarung nur 15 (Italien, RAI) beziehungsweise 25 (Spanien, RTVE) Partien gezeigt.


Annika Becker ist freie Autorin bei EXPRESS.de und kümmert sich in ihren Kolumnen um das Thema Frauenfußball. Sie ist Mitglied von FRÜF - Frauen reden über Fußball.


Es ist erfreulich und eben eine tatsächliche Erleichterung, dass es nun doch eine Einigung gibt, dass es aber überhaupt so lange gedauert hat, ist trotzdem ein Skandal. Denn der Domino-Effekt dieser Hängepartie ist immens und macht diese WM zu einem Paradoxon: Auf der einen Seite soll es das größte Turnier der Frauen aller Zeiten werden, zu sehen gewesen ist davon hierzulande bisher aber nichts. Vorberichterstattung mit Fokus aufs Sportliche? Fehlanzeige, medienübergreifend.

Dadurch, dass ARD und ZDF bisher logischerweise nicht werben konnten, ist außerhalb der Fanblase ich nicht einmal verbreitet, dass die WM stattfindet. Im Kontrast dazu zum Beispiel die Stimmung bei den Titelverteidigerinnen aus den USA, wo der Werbespot des übertragenden Senders FOX aufwendiger produziert scheint, als so manche Übertragung und auf jeden Fall die Stimmung anheizt.

Journalistische Aufmerksamkeit wichtig für die Frauen-WM

Organisatorisch und inhaltlich haben sich die deutschen Sender trotz allem in den vergangenen Monaten vorbereitet, anders wäre eine kurzfristige Vergabe der Rechte jetzt nicht mehr zu handhaben. Ein richtiger Vorlauf ist aber nicht zu ersetzen, jetzt braucht es möglichst schnell eine Kampagne.

Wichtig sind die gesicherten Übertragungen aber nicht nur für das Marketing-Buzzword Aufmerksamkeit, sondern auch die journalistische Aufmerksamkeit.

Zum Beispiel, wenn es darum geht, wie die Bedingungen für die Spielerinnen wirklich sind. Wie sportliche Leistungen vor diesem Hintergrund einzuordnen sind. Wie die Ticketverkaufszahlen einzuordnen sind, vor dem einfachen Hintergrund, dass es erstmals 32 Nationen beim Turnier und damit mehr Spiele gibt als bisher.

Oder ob es erneut menschenunwürdige Geschlechts-Überprüfungen gibt. All das würde es auf einer von der Fifa betriebenen Streaming-Plattform garantiert nicht gegeben.