Mit einer speziellen Kapitänsbinde will der DFB bei der WM in Katar ein Zeichen für Vielfalt setzen. Da jedoch nicht die Regenbogenflagge verwendet wurde, gibt es Kritik. Ein Kommentar zur Debatte.
Binden-DebatteDie Verbrechen am Fußball lassen sich nicht mit einem Stück Stoff lösen
Dass die Weltmeisterschaft 2022 ganz und gar nicht mit den 21 vorangegangenen Turnieren verglichen werden kann, ist nicht nur aufgrund des Termins offensichtlich. Im Vorfeld der beiden letzten deutschen Pflicht-Länderspiele vor dem Winter-Ereignis wurde Mitte September 2022 noch einmal allen Verantwortlichen das große Dilemma vor Augen geführt.
Die Vergabe der WM in den Wüstenstaat vor zwölf Jahren ist und bleibt ein einziges Verbrechen am Fußball und seinen Fans. Nicht eine einzige Meldung im Vorfeld des Turniers weckt Vorfreude. Und die Beteiligten spüren, dass man auf dem Weg dorthin offensichtlich nichts richtig machen kann.
WM in Katar: DFB erntet Kritik für gut gemeinte Aktionen
Zu Beginn dieser Länderspiel-Woche hatte der DFB proaktiv zu einem Kongress eingeladen. Nach einigen in jeglicher Hinsicht bemerkenswerten Vorträgen blieb im Nachgang aber viel Kritik hängen, weil die Öffentlichkeit auf Wunsch einiger Teilnehmer nur teilweise zugelassen war und unfassbare Aussagen des katarischen Botschafters unwidersprochen im Raum stehengelassen wurden.
Zwei Tage später versuchte sich der Verband am nächsten Signal, um sich angesichts der vorgestrigen Moralvorstellungen des Regimes zu positionieren. Doch für die präsentierte Kapitänsbinde als Zeichen gegen Diskriminierung im wilden Farb-Design gab es erneut keinen Applaus. Weil im Gegensatz zur EM 2021 nicht die echte Regenbogenflagge verwendet wurde, deuteten es viele als Einknicken vor der Queerfeindlichkeit des WM-Gastgebers Katar.
Auf Homosexualität steht dort eine bis zu siebenjährige Gefängnisstrafe, nach islamischem Recht ist sogar die Verhängung der Todesstrafe möglich. War es den beteiligten Nationen da zu heikel, in einer islamistischen Diktatur ihre echte Solidarität mit der LGBTQ-Gemeinschaft zu zeigen?
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Die DFB-Verantwortlichen reagierten auf die Kritik verschnupft. „Es ist im Leben immer schön, wenn man auf der Seite ist, auf der man keine Entscheidungen treffen muss. Da ist es einfach zu kritisieren. Hier haben sich mehrere Nationen zusammengesetzt, um ein Zeichen zu setzen, dass wir alle gleich sind auf der Welt“, sagte Bundestrainer Hansi Flick (57).
In der Tat wird bei dieser Debatte auch die Wirkung eines Stücks Stoff überbewertet. Auch wenn Manuel Neuer (36) in Doha die richtige Regenbogenflagge am Arm tragen würde, hätte dies keinen Einfluss auf die mittelalterlichen Denkweisen Katars.
WM in Katar: Sponsoren- oder TV-Boykott hätte härtere Folgen
Dass nur wenige internationale Fans zum Turnier ins Emirat reisen werden und das Interesse an der WM so gering ist, trifft die Übeltäter, die dieses furchtbare Dilemma verursacht haben, vielleicht viel mehr. Wenn FIFA-Sponsoren ihre Zahlungen eingestellt oder TV-Sender auf das Überweisen von Millionen für Übertragungsrechte verzichtet hätten, dann träfe dies die Totengräber des Fußballs ins Mark.
So bleibt der Binden-Wirbel am Ende nur ein weiteres Randthema, über das die Kataris und FIFA-Präsident Gianni Infantino (52) nur müde lächeln können. Die Verbrechen am Sport, die von Funktionären und Geldgebern seit Jahren verübt werden, lassen sich nicht mit einem Stück Stoff lösen.