2000 Euro futsch?Vier Trips geplatzt: Kölner Fußball-Reisender erklärt Corona-Dilemma
Köln – Der Weltfußball befindet sich seit Wochen im absoluten Ausnahmezustand, die Corona-Krise hat das Geschehen auf nahezu allen Plätzen stillgelegt. Nicht nur für die Klubs, sondern vor allem für die Fans sind es schlimme Zeiten. Der kollektive Jubelrausch im Stadion, Schmerz und Kummer nach Niederlagen, die knisternd-spannende Atmosphäre – auf all das werden die Anhänger noch lange Zeit verzichten müssen.
Besonders hart trifft es dabei jene, die sich voll und ganz der Leidenschaft Fußball verschrieben haben: Ultras, Allesfahrer, Auswärts-Enthusiasten und Groundhopper. EXPRESS hat mit einem Kölner Fußball-Reisenden gesprochen.
Schock für Kölner Fußball-Reisenden: „Alles ist gecancelt“
Für Kevin (29) ist die aktuelle Situation ein echtes Desaster. Der Kölner Fußball-Verrückte reist seit Jahren um die ganze Welt, immer auf der Suche nach neuen Stadien und Eindrücken. Unter dem Namen „KB.31“ betreibt der Kölner einen Instagram-Kanal, versorgt dort seine mehr als 10.000 Fans regelmäßig mit Momentaufnahmen, Schnappschüssen und Videos, die während seiner Reisen entstehen.
Da nahezu alle internationalen Ligen ihren Spielbetrieb aber bis auf Weiteres unterbrochen haben, hat sich das Thema Reisen für den Kölner nun erst einmal erledigt. „Es ist ein komisches Gefühl. Zum ersten Mal seit sechs, sieben Jahren habe ich keine geplanten Reisen mehr, auf die ich mich freue. Alles ist gecancelt. Das tut schon weh“, berichtet er.
Für die rigorosen Beschränkungen im Zuge der Krise hat der Fußball-Besessene aber Verständnis: „Natürlich verstehe ich das. Es geht darum, dass wir alle dafür sorgen, dass die Verbreitung des Virus eingedämmt und womöglich Menschenleben gerettet werden. Ärgerlich ist es für mich aber schon, das ist auch klar.“
Vor allem, weil der Kölner bereits eine beträchtliche Summe in geplante Trips investiert hat. „Im April wollte ich erst nach England, dann war eine Reise nach Finnland geplant. Ende Mai standen Singapur und Indonesien auf dem Plan. Und dann natürlich die EM“, erklärt er.
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Doch die Pandemie machte dem Kölner einen Strich durch die Rechnung. „Alle Flüge wurden gestrichen.“ Etwa 2000 Euro hatte der Reise-Enthusiast bereits bezahlt – wiederbekommen hat er noch nichts. „Ich habe natürlich alle Airlines sofort kontaktiert. Teilweise kommst du einfach nicht durch, weil die Hotlines überlastet sind. Bislang gab es auch noch nichts zurück. Ich hoffe einfach, dass ich das Geld irgendwann wiedersehe.“
Leidenschaft für Fußball-Reisen: Es begann beim 1. FC Köln
Seine Leidenschaft für Fußball-Reisen entdeckte der Kölner vor vielen Jahren als Fan des 1. FC Köln. „Ich war damals mit Leib und Seele dabei, bin mit dem FC auch auswärts überall hingefahren. Doch irgendwann hat mir das nicht mehr gereicht“, berichtet er.
„Und dann bin ich in den Urlaub nach Bulgarien gefahren. Damals habe ich mir immer, wenn ich irgendwo im Ausland war, ein Trikot eines örtlichen Vereins als Souvenir mitgenommen. In Bulgarien gab es die Jerseys aber nur direkt vor Ort im Stadion. Ich war also quasi gezwungen, mir das Spiel anzuschauen“, erinnert er sich. Und dann? „Dann war ich dann auf den Geschmack gekommen.“
Es folgten zunächst Trips in die deutschen Nachbarstaaten. „Mal mit Kumpels ein Wochenende in die Niederlande. Belgien, Frankreich, Tschechien, Polen, Österreich. Im Laufe der Jahre wurden die Distanzen dann immer größer.“
Als einen klassischen Groundhopper – deren oberstes Ziel es ist, möglichst viele verschiedene Spiele und Länder weltweit „abzuarbeiten“ – sieht sich der Kölner dennoch nicht. „Ich will immer Neues entdecken, klar. Deswegen wollte ich auch unbedingt nach Finnland, da war ich beispielsweise noch nie. In England wollte ich zu Chelsea, das ist der einzige große Verein in London, der mir noch fehlt“, erklärt er.
„Grundsätzlich schaue ich mir aber das an, was ich sehen will. Ich fahre im Zweifelsfall also auch lieber viermal nach Spanien als in vier neue Länder. Und dann gibt es noch die Klubs, mit denen ich sympathisiere, wo ich häufiger bin. Der FC natürlich, aber auch Real Madrid, da bin ich sogar Mitglied“, berichtet der Kölner. „In der Szene würden manche mich vielleicht auch als Rosinenpicker bezeichnen. Deswegen sage ich aber auch klar, dass ich kein echter Groundhopper bin. Ich würde mich eher als fußballinteressierten Reisenden bezeichnen.“
Kölner Fußball-Maniac trifft Lukas Podolski in Japan
Aber wie ist es überhaupt möglich, Beruf und Fußball-Reisen unter einen Hut zu bringen? „Ich arbeite selbstständig im Vertrieb, daher bin ich recht flexibel. Hätte ich einen herkömmlichen Job, wäre es sicher schwierig“, erklärt Kevin. Und auch seine Partnerin hat nichts gegen das zeitraubende Hobby – im Gegenteil. „Sie mag auch Fußball. Wir haben uns damals bei einem Spiel meines Dorfklubs kennengelernt, als ich selbst noch gekickt habe“, berichtet er. „Oft machen wir nun einen Kompromiss. Ich frage sie, ob sie beispielsweise Lust auf ein Wochenende Madrid zu zweit hat. Und sie weiß dann schon: Ein Tag ist für Fußball reserviert. Aber da ist sie sehr verständnisvoll, sonst hätte ich ein ernstes Problem“, scherzt Kevin.
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Nahezu 500 Profi-Spiele und 200 Stadien in 42 verschiedenen Ländern hat der Kölner bislang gesehen. Die schönsten Trips? „Ich habe Lukas Podolski in Japan mit Vissel Kobe gegen Gamba Osaka im Derby gesehen, das war überragend. Ich war überrascht, wie laut es in japanischen Stadien ist. Das ist eine tolle Fankultur“, erinnert sich Kevin.
Sein beeindruckendstes Stadion-Erlebnis hatte er aber in Argentinien. „Bei den Boca Juniors in Buenos Aires. Es war der letzte Spieltag, und Boca ist im Fernduell mit Erzrivale River Plate Meister geworden. Das war unfassbar. 90 Minuten Gänsehaut, ein unmenschlicher Lautstärkepegel. Das kann sich kein Europäer vorstellen, was da abging“, schwärmt er. „Die Karten mussten wir auf dem Schwarzmarkt organisieren, das war heikel – aber es hat irgendwie geklappt.“
Militärs begleiten Kölner Fußball-Fan zum Spiel
Mehr als heikel sei auch eine Reise nach Ägypten gewesen. „Ein Freund und ich wollten in Kairo das Spiel eines Arbeiter-Klubs sehen. Da waren prinzipiell keine Zuschauer erlaubt, nur Presse. Wir haben uns als Fans von Liverpools Mo Salah ausgegeben – das war nämlich sein Jugendverein. Über Facebook haben wir Kontakt zum Pressesprecher aufgenommen, der uns dann Akkreditierungen verschafft hat. Dabei durften Ausländer eigentlich gar nicht ins Stadion. Militärs haben uns dann abgeholt und ins Stadion gebracht. Da ging uns schon ordentlich die Muffe“, berichtet der Kölner.
Und auch mit einem großen Mysterium räumt Kevin auf. „Es wird immer so von England und der Stimmung dort geschwärmt. Nun, ich war in Liverpool, bei Tottenham, West Ham, Manchester City. Und ich kann sagen: Es ist wirklich mau. In Liverpool singen sie am Anfang alle die Hymne. Ich war total gespannt, was danach kommt. Aber: Es kam nichts. Die Premier League ist eine reine Werbemaschine, die allerdings bestens läuft. Dennoch: England kann sich in Sachen Stimmung von Deutschland beispielsweise echt eine Scheibe abschneiden.“
„Fußball ist nicht wichtiger als die Gesundheit“
Sollten die europäischen Profi-Ligen die Saison in diesem Jahr noch zu Ende spielen, wird es dabei wohl ausschließlich Geisterspiele geben. Für den leidenschaftlichen Fußball-Fan Kevin eine nachvollziehbare Entscheidung: „Fußball ist uns zwar wichtig, aber nicht wichtiger als die Gesundheit“, sagt er. „Von daher müssen wir Fans in den sauren Apfel beißen und es hinnehmen. Ich sehe es so: Die Vorfreude auf die Spiele, die wir wieder im Stadion besuchen dürfen, wird umso größer sein.“
Eines ist für den Kölner aber dennoch klar: „Fußball findet im Stadion statt, nicht im TV. Und ohne die Fans ist Fußball nichts.“