Frankfurt – Vier Monate nach dem 0:6-Fiasko in Spanien hat Joachim Löw (61) doch die Konsequenzen gezogen. Der Bundestrainer hört nach der EM im Sommer auf. Der DFB hat nun genug Zeit, eine vernünftige Nachfolgelösung zu organisieren. Ein Kommentar.
- Kommentar zur Rücktrittsankündigung von Joachim Löw
- Bei der EM 2021 gibt es kein Alibi mehr fürs Team
- Es gibt nur einen geeigneten Nachfolge-Kandidat
Dass sich Löw nach 17 Jahren an der Spitze der Nationalmannschaft verbraucht hat, war schon beim WM-Fiasko 2018 ersichtlich, spätestens am Ende des vergangenen Jahres beim Debakel in Sevilla. Doch der „Bundes-Jogi“ wollte die Zeichen der Zeit zunächst nicht erkennen. Da beim DFB – weil intern heillos zerstritten und damit handlungsunfähig – niemand die nötigen Konsequenzen ziehen wollte, wurde zunächst weitergewurschtelt.
Joachim Löw hat nun wieder die Hoheit
Jetzt herrscht Klarheit. Löw hat mit seiner Entscheidung ein Zeichen gesetzt. Er hat genug von der Dauerkritik, von den Debatten um Spieler, die er nominieren oder begnadigen soll.
Und er hat wieder die Deutungshoheit, was seinen Job angeht. Ihn muss niemand mehr feuern, wenn auch das nächste Turnier ein Desaster wird. So kann er nach langer Amtszeit selbst mit Kratzern am Ende immer noch erhobenen Hauptes Platz machen.
Gleichzeitig steht nun die Mannschaft in der Pflicht, eine möglichst erfolgreiche EM im Sommer zu spielen. Alibis gibt es nicht mehr. Indem Löw auch die zuvor aussortierten Weltmeister wie Thomas Müller zurückholt, gibt es auch diese Angriffsfläche nicht mehr.
Fritz Keller muss nun bei der Nachfolgesuche endlich überzeugen
Während DFB-Präsident Fritz Keller bisher in der Causa Löw keinen guten Eindruck hinterlassen hat, kann er sich bei der Nachfolgesuche nun Sternchen verdienen. Alles auf Kloppo kann nur die Devise sein, auch wenn dessen Vertrag noch bis 2024 läuft und der am Dienstag noch einmal deutlich machte, dass er im Sommer nicht zur Verfügung steht.
Natürlich läuft der Vertrag von Jürgen Klopp bei den Reds noch, allerdings sind Anfragen als Nationaltrainer immer etwas ganz besonderes. Welcher Trainer kann schon dem Ruf seines Verbands widerstehen? Keller muss kämpfen.
Jürgen Klopp will seinen Liverpool-Vertrag erfüllen – der DFB müsste kämpfen
Klopp hat den Reds die Champions League und Meisterschaft beschert. Dort hat er sein Denkmal erbaut, doch derzeit läuft es nicht. Der 53-Jährige könnte den Kult-Klub ohne Gesichtsverlust im Sommer verlassen, selbst wenn er alle Saisonziele krachend verfehlt. Und seine Art ist es, die das Konstrukt Nationalmannschaft dringend braucht. Die DFB-Auswahl ist inzwischen für viele Fußball-Fans dermaßen unattraktiv, die Quoten sinken, die Stadien wurden – als noch Zuschauer zugelassen waren – immer leerer.
Mit seinen positiven Emotionen könnte Klopp den deutschen Fußball nach der Corona-Pause aus dem Tiefschlaf wecken und eine erfolgreiche Mannschaft formen, die bei der WM 2022 begeistert und – was noch viel wichtiger ist – uns eine erfolgreiche Heim-EM 2024 beschert. So wie es Löw 2014 geschafft hat.
Sollte diese Personalie absolut nicht zu realisieren sein, kommt Bayerns Hansi Flick wieder ins Spiel. Der fühlt sich zwar in München ziemlich wohl, die guten Drähte zum DFB und Direktor Oliver Bierhoff könnten ihn aber zum Nachdenken bringen. Der DFB-Boss ist gefragt, die Löw-Lücke sinnvoll zu schließen. Die Entscheidung muss sitzen.