Dominieren die KreisklasseUkraine-Team vor Toren Kölns heimisch geworden – aber „fast jedes Spiel“ ekelhafte Rufe

Ein Fan hält einen Schal von Metalist Charkiw nach oben.

Die ehemalige U13 von Metalist Charkiw ist heute die U16 des FC Schwadorf in Brühl bei Köln. (Symbolbild: 3. Oktober 2024)

Um dem Krieg zu entkommen und den Traum vom Profifußball am Leben zu halten, flieht die U13 von Metalist Charkiw ins Rheinland – drei Jahre später ist die Mannschaft noch immer dort.

In den Augen der jungen Spieler blitzt eine Mischung aus Dankbarkeit und Verzweiflung auf. Auf der einen Seite sind die Jugendlichen aus der Akademie von Metalist Charkiw froh, in Sicherheit zu sein und in Deutschland Fußball spielen zu können.

Auf der anderen Seite steht seit drei Jahren die tägliche Ungewissheit bis zum Telefonat mit den Eltern in der Ukraine. Sind alle unversehrt?

Ukraine-Team muss sich regelmäßig ekelhafte Rufe anhören

„Ich musste meine ganze Familie in der Ost-Ukraine zurücklassen, vier Generationen. Ich habe Angst, weil ich meine Verwandten vielleicht nicht mehr wiedersehe“, sagte Alexandr Bereschny der Sportschau: „Und mein Vater ist Soldat.“

Seit März 2022 leben Bereschny und seine Teamkollegen zum großen Teil ohne Eltern im Rheinland. Ihr Trainer, Ex-Profi Jewhenij Nasarow, ist mittlerweile für die meisten seiner Spieler sogar erziehungsbrechtigt.

Die einstige U13 aus der zweitgrößten Stadt der Ukraine dominiert nun als U16 des FC Schwadorf, einem kleinen Stadtteil von Brühl unweit von Köln, die Kreissonderklasse: Elf Spiele, 33 Punkte, knapp sieben Tore im Schnitt gegen die zum Teil ein Jahr älteren B-Junioren. Eine Einstufung in eine höhere Liga hatte der Verband damals verweigert.

Diese Dominanz fördert sowohl das Interesse in der Region, wie es der erste Vorsitzende des „Zieh-Klubs“, Georg Kowalewski, nennt, als auch Missgunst. „Am Anfang hatte es Vorbehalte der Gegner gegeben, aber sobald man die Situation der Jungs erklärte, war viel Verständnis da“, sagte Kowalewski dem SID.

Betreuer Rodion Voronov zufolge gibt es jedoch immer wieder Unbelehrbare: „Fast jedes Spiel hören wir Zurufe wie ‚Seid froh, dass ihr überhaupt in Deutschland sein dürft‘ oder ‚Putin bombardiert euch zu wenig‘“.

Weil der Liga-Alltag die Jugendlichen unterfordert, organisieren sie Duelle mit Profi-Nachwuchsteams. Kürzlich siegten sie gegen Preußen Münster, im Oktober hatte es ein 4:7-Spektakel gegen Borussia Dortmund gegeben. Alles, um den Traum vom professionellen Fußball am Leben zu halten. „Ich möchte Profi werden und mich vielleicht sogar in der Bundesliga durchzusetzen“, sagt Torwart Maxim Sasonow.

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Fünf Metalist-Jugendspieler sind bereits weitergezogen. Abnehmer waren unter anderem Zweitligist Fortuna Düsseldorf und Double-Gewinner Bayer Leverkusen. Immer mal wieder gebe es laut Kowalewski Abwerbeversuche, aber die Mannschaft, die zusammen auf einem alten, zuvor abrissbereiten Bauernhof lebt, sei „eine Familie für die Jugendlichen“.

Mit den ersten Gesprächen über ein mögliches Kriegsende wird der Zusammenhalt vorerst bestimmt nicht kleiner, aber die Ungewissheit größer. Die Akademie von Metalist ist zwischenzeitlich nach Kiew umgezogen, es gibt eine neue U16 – und wie viele Spieler tatsächlich in Schwadorf oder Deutschland bleiben werden, ist unklar. Im Moment ist laut Kowalewski in den Köpfen der Jungs „nur Fußball“. (sid)