Interview

Neuer WettbewerbStar-Kommentator fordert: „Die Super-Experten und Besserwisser sollen es uns beweisen“

Wolff Fuss  grinst als Teamchef von The Pack in die Kamera.

Wolff Fuss als Teamchef von „The Pack“ in der Icon League. Aus diesem Job entstand die Idee für einen neuen Wettbewerb.

Wolff Fuss kommentiert wöchentlich das Topspiel der Bundesliga, hat für MagentaSport die WM- und EM-Höhepunkte übertragen. Nun sucht er den perfekten Nachwuchs bei einem großen Wettbewerb.

von Marcel Schwamborn  (msw)

Für viele ist es ein Traumberuf, für andere ein Grund für ewiges Gemecker auf dem heimischen Sofa. Fußball-Kommentatoren und -Kommentatorinnen sorgen mindestens für so viel Gesprächsbedarf wie die Menschen auf der Trainerbank.

Wolff Fuss (48), Deutschlands Fußball-Kommentator Nummer eins, bietet nun allen, die von sich behaupten, den Job am TV-Mikrofon genauso gut, wenn nicht gar besser zu können, eine einmalige Chance.

Aktion „Be the next Wolff Fuss“ wird über TikTok gestartet

Unter dem Motto „Be the next Wolff Fuss“ sucht MagentaSport herausragende Talente. Die Bewerbung für das Casting im Bootcamp in München startet ab dem 31. März 2025 auf dem TikTok-Kanal des Senders. Die Jury, vertreten durch Wolff Fuss, Ex-FC-Torjäger Simon Terodde (37), Influencer Paul Fischer alias PauloMuc, Reporter Basti Schwele und Rena Schwabl als „Behind the Scenes“-Reporterin, ermittelt den Sieger oder die Siegerin.

Wer die Jury überzeugt, darf ein Drittliga-Fußballspiel live übertragen. Über die Hintergründe der Aktion sowie seine eigenen Erfahrungen als Kommentator sprach Fuss mit EXPRESS.de.

Bereiten Sie sich schon langsam auf die Rente vor oder warum suchen Sie potenzielle Erben?

Wolff Fuss: Die Idee für diese Aktion entstand durch eine Partnerschaft zwischen unserem Icon-League-Team „The Pack“, das Simon Terodde und ich in der vergangenen Saison auf Platz drei geführt haben, und MagentaSport. Gemeinsam wollen wir diesen Traumjob, der er ja für viele Menschen ist, zur Verfügung stellen. Es gibt keine Eingrenzungen, weder beim Geschlecht noch beim Alter. Wir sammeln die besten Bewerbungen, die über TikTok eingereicht werden, und dann werden wir die Besten zwei Tage auf Herz und Nieren prüfen. Der oder die Beste wird ein Live-Spiel der 3. Liga auf MagentaSport kommentieren.

Wie lief Ihr Start ins Kommentatoren-Geschäft ab?

Wolff Fuss: Ich habe im Großraum Stuttgart beim Radio gearbeitet, mich dann für Praktika beworben und beim Deutschen-Sportfernsehen (DSF) den Zuschlag bekommen. Der Sender hatte zu der Zeit für DF1 Spiele aus diversen Ligen dieser Welt übertragen. Damals war das Auswahlverfahren noch nicht so hart, wie es bei uns jetzt wird. Die haben praktisch jeden ans Mikro gelassen, der drei Sätze in Folge unfallfrei sprechen konnte und ein gewisses Sportverständnis hatte.

Da werden doch viele denken: Das kann ich auch.

Wolff Fuss: Deshalb sollen sich bei dieser Aktion auch alle angesprochen fühlen, die der Meinung sind, dass sie es viel besser können als die derzeit aktiven Menschen am Mikro. Das lässt sich relativ leicht von der Couch behaupten. Sie werden sehr schnell feststellen, dass es nicht mehr so leicht ist, mit Rotlicht, Mikrofon und Kamera vor der Nase. Die Super-Experten und Besserwisser sollen es uns beweisen.

Wolff Fuss kommentiert ein Länderspiel im Stadion.

Wolff Fuss in Aktion. Neben Robin Gosens kommentiert er bei der Heim-EM 2024 ein Spiel der deutschen Nationalmannschaft.

Was sollten Kommentatoren mitbringen?

Wolff Fuss: Es geht in erster Linie darum, das Spiel zu verstehen. Gute Sprache, gute Rhetorik, gutes Timing und Spontanität sind auch wichtig. Im allerletzten Schritt geht es darum, das alles so zu verknüpfen, dass der Zuschauer zu Hause das Gefühl hat, dass da einer spricht, der seinen Job liebt und ihn kann. Am Ende geht es auch um Charakter. Wir wollen keine Schauspieler, sondern authentische Fußball-Fans und -Experten, die sich nicht über das Spiel erheben. Der Leitspruch heißt: Das Spiel macht den Kommentar, nicht umgekehrt.

Wie viel Zeit investieren Sie vor einer Übertragung in die Vorbereitung?

Wolff Fuss: In dem Moment, wo ich weiß, welches Spiel ich übertragen werde, fange ich mit der Vorbereitung an. Ich spreche mit Vereinsverantwortlichen, Managern, Trainern, Spielern, Journalisten, Experten, um mir ein ganzheitliches Bild über die aktuelle Lage der Teams zu machen. Dann erhalte ich eine Mappe mit seitenweise Statistiken, die ich für mich sortiere und gewichte. Am Spieltag spreche ich mit den Trainern, die mich idealerweise vertrauensvoll an ihren Gedanken zur Aufstellung und Taktik teilhaben lassen. Ich muss für mich das Gefühl haben, alles über dieses Spiel zu wissen, auch wenn das illusorisch ist. Aber das ist der Antrieb.

Und dann besteht die Gefahr, dass man sein Wissen auch komplett loswerden will?

Wolff Fuss: Die Schwierigkeit besteht darin, im richtigen Moment das Richtige zu sagen. Es wurde vor Jahren einmal gemessen, welchen Netto-Redeanteil ich während eines Spiels habe. Das war im Vergleich zu anderen überraschend wenig. Die Wahrnehmung des Publikums ist auch da verschieden. Die einen mögen einen südamerikanischen Stil, wo durchgehend erzählt wird, die anderen eher ruhig und behutsam. Gerade am Anfang ist es die größte Schwierigkeit, nicht alles sofort loswerden zu wollen, auf den Moment zu warten. Auch mal zu schweigen oder mal das Bild stehenzulassen. Wir sind schließlich beim Fernsehen und nicht beim Radio. Und wir sollten eins bedenken: Nicht jedes Spiel ist ein WM-Finale und nicht jede Aktion verdient das Prädikat Weltklasse.

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Wie gehen Sie mit den Reaktionen auf Ihre Arbeit um?

Wolff Fuss: Zu meiner Anfangszeit konnten wir uns in Ruhe entwickeln. Fehler machen, Dinge ausprobieren, Erfahrungen machen. Das ist heute im Zeitalter von Social Media deutlich schwieriger geworden. Selbst wenn man ein Exoten-Duell auf irgendeiner Plattform zur Unzeit kommentiert, wird es jemanden geben, der diesen einen womöglich problematischen Satz zusammenhanglos bei Social Media postet. Der wird dann millionenfach multipliziert und in der Folge wird dir dann deshalb mitunter das Recht auf Leben abgesprochen. Ich nehme all das wahr, es beeinflusst und beeindruckt mich allerdings nicht.

Wolff Fuss vor dem Einsatz bei der EM 2024.

Wolff Fuss hat im Sommer 2024 auch die wichtigsten Spiele der Europameisterschaft kommentiert.

Melden sich nach einem Spiel auch Vereinsverantwortliche, um Kritik am Kommentar zu üben?

Wolff Fuss: Das passiert relativ selten. Uli Hoeneß ruft schon mal an und moniert, dass die Bayern zu schlecht weggekommen seien. Das ist dann aber sehr wohlwollend und ich kann das meist im persönlichen Gespräch entkräften. Mein Credo ist grundsätzlich: Es ist nur Fußball. Ich muss immer wieder an das Drama um Kölns Ümit Özat denken, als der 2008 in Karlsruhe auf dem Platz zusammengebrochen ist und um sein Leben gekämpft hat. Das hat vieles relativiert.

Wolff Fuss: Simon Terodde mag keine Oberlehrer am Mikrofon

Wie sieht Ihr Jury-Mitstreiter Simon Terodde die Menschen am Mikro?

Wolff Fuss: Er ist der erfolgreichste Zweitliga-Torjäger aller Zeiten, hat durchgehend bei Klubs mit einer besonderen Strahlkraft gespielt. Ein Fußballer und ein Fußballfan durch und durch. Er verfügt über einen unglaublichen Erfahrungsschatz. Durch seine Expertentätigkeit nimmt er ein Fußballspiel inzwischen auch aus anderer Perspektive wahr. Ihm ist wichtig, dass der Mensch, der das Spiel überträgt, das Spiel versteht, nicht den Oberlehrer macht und authentisch ist.

Sie verabschieden sich seit einem Vierteljahrhundert immer mit dem Spruch „Bleiben Sie sportlich“. Wie entstand der?

Wolff Fuss: Das entstand per Zufall. Ich habe ein Premier-League-Spiel kommentiert. Kurz vor dem Ende gab es ein brutales Foul, eine Rote Karte und es entstand eine Massenkeilerei auf dem Feld. Mit dem Abpfiff teilte mir mein Sendungsleiter mit, dass ich noch 20 Sekunden habe, um die Übertragung zu beenden und zum nächsten Spiel überzuleiten. Mir fiel in der Kürze nur ein: „Unschöne Szenen hier zum Abschluss, aber das Ergebnis bleibt davon unberührt. Hier gehts gleich mit rollendem Ball weiter. Bleiben Sie zu Hause wenigstens sportlich“.