Die Vorwürfe blieben lange unter dem Teppich, doch während der Handball-WM in Schweden und Polen Anfang 2023 wird alles publik. Manipulationsvorwürfe sorgen für Stress in der Handball-Szene.
Zu wenig Transparenz?Vorwürfe zu Wettmanipulation im Handball überschatten die WM
Unterlagen und brisante Berichte sind den Funktionären schon seit langem bekannt, doch erst jetzt kommen die Ermittlungen ans Tageslicht – und das sorgt für Verstimmungen.
Die Handball-WM 2023 in Polen und Schweden wird von massiven Vorwürfen überschattet. Erst am 15. Januar 2023 bestätigte der europäische Handball-Verband nach einem Bericht, dass er im Jahr 2018 Informationen zu möglicher Spielmanipulation durch Schiedsrichter erhalten haben soll.
Handball-WM: Manipulationsvorwürfe aus den Jahren 2016 und 2017 sorgen für Wirbel
Beweise für massiven Wettbetrug wurden aber noch nicht gefunden. Doch der Aufschrei ist gewaltig. Nun fordern während er WM zahlreiche Verbände eine lückenlose Aufklärung.
Doch worum geht es überhaupt? In den Jahren 2016 und 2017 sollen Handballspiele in europäischen Wettbewerben verschoben worden sein. Wie der dänische Fernsehsender TV2 berichtet, gibt es Vorwürfe, dass acht Schiedsrichtergespanne in diesem Zeitraum bei insgesamt 26 Spielen äußerst fragwürdige und verdächtige Entscheidungen getroffen haben sollen.
Darunter Länderspiele und Spiele der Champions League, dazu zählen auch Partien der deutschen Top-Klubs THW Kiel und SG Flensburg-Handewitt. Die Wettmanipulationsexperten von Sportradar waren von sieben Wettanbietern informiert worden, dass außergewöhnlich hohe Summen auf Handballspiele gesetzt wurden.
Sportradar überwacht als Unternehmen quasi den internationalen Wettmarkt und liefert als Dienstleister den Anbietern von Wetten Quotenvorschläge oder den Ergebnisservice. So kann Sportradar auch den Sportverbänden und Strafverfolgungsbehörden bei der Aufklärung von Wettmanipulationen behilflich sein.
Bei den gemeldeten Auffälligkeiten soll es auch um Matchfixing gegangen sein – dabei pfeifen Schiedsrichter so, dass ein bestimmtes Ergebnis erzielt wird. Was die Lage verschärft: Zwei der Schiedsrichterpaare sind aktuell bei der Weltmeisterschaft im Einsatz. Es soll sich laut TV2, wo als erstes Inhalte aus dem Sportradar-Bericht aufgegriffen wurden, um die Schiedsrichtergespanne Matija Gubica und Boris Milosevic (Kroatien) sowie Gjorgji Nachevski und Slave Nikolov (Nordmazedonien) handeln.
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TV2 hatte die Schiedsrichter nun mit dem Verdacht des Matchfixings konfrontiert. Nachevski und Nikolov wollten keinen Kommentar abgeben, Gubica und Milosevic bestritten, Spiele im Wettzusammenhang verschoben zu haben. Es sind bisher eben nur Gerüchte über eine mögliche Manipulation.
Die betroffenen Spiele seien zudem von Sportradar genauer untersucht worden. Ergebnis: negativ! Das Unternehmen empfahl dem europäischen Verband EHF jedoch, die Schiedsrichter und die Vertreter der betroffenen Vereine zu untersuchen.
Diese Erkenntnisse soll die EHF im Jahr 2018 in einem Bericht erhalten haben. Europas Handball-Verband (Sitz in Wien) bestätigte nun die Berichte und teilte mit, dass damals sofort polizeiliche Ermittlungen aufgenommen wurden, und zwar vom österreichischen Kriminalamt. „Nach Kenntnis der EHF haben diese polizeilichen Ermittlungen bisher zu keinem Ergebnis geführt und die Spekulationen blieben nach der Untersuchung unbewiesen“, heißt es vom Verband.
Auch eigene Untersuchungen sollen nicht den Verdacht der Spielmanipulation bestätigt haben: „Eigene Analysen der EHF zu den fraglichen Spielen unter sportlichen Gesichtspunkten ergaben seinerzeit keine Anhaltspunkte, die die Einleitung eines Verfahrens gerechtfertigt hätten.“
So gab es auch kein Verfahren und keine Sanktionen gegen Schiedsrichter, niemand wurde suspendiert, „da weder vonseiten der Polizei noch vonseiten der EHF gewichtige Gründe für solche Schritte vorliegen“. Der Weltverband (IHF) stellt sich nun hinter die EHF: „Die Vorwürfe gegen die Schiedsrichter sind zu diesem Zeitpunkt nicht mehr als Anschuldigungen, deshalb gibt es auch keinen Grund für rechtliche Schritte“, hieß es auf Anfrage der ARD.
Handball: Auch Spiel des THW Kiel wurde genauer untersucht
Doch in der Szene will man sich nicht so ganz zufriedengeben mit den bisherigen Ermittlungen und der Aufklärung. Der Vorsitzende des dänischen Handballverbandes, Morten Stig Christensen, ist entsetzt, dass alles viel zu lange unter den Teppich gekehrt wurde.
Von einem Bericht des Sportdatenunternehmens Sportradar habe er keine Kenntnis gehabt, obwohl er in dem betroffenen Zeitraum in den Gremien des europäischen Dachverbandes saß. „Uns fehlen noch einige Antworten. Ich hoffe, dass wir die bald bekommen, damit wir uns wieder auf das Sportliche konzentrieren können“, sagte Christensen bei TV2 am 16. Januar.
Der norwegische Verbandspräsident Kare Geir Lio sagte: „Matchfixing ist eine der größten Bedrohungen für den Sport. Wir werden die EHF deshalb um weitere Informationen dazu bitten.“
Genannt wurde beispielsweise auch eine Partie des THW Kiel aus der Gruppenphase der Champions-League 2016/2017 gegen Telekom Veszprem. Dort sollen es auffällig viele und hohe Wetten auf ein Unentschieden zur Pause abgeschlossen worden sein. Und es ging damals tatsächlich mit 15:15 in die Halbzeitpause. „Ich höre davon zum ersten Mal“, sagte THW-Geschäftsführer Viktor Szilagyi dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). (ubo/dpa)