Erstes Interview danachRomain Grosjean erzählt, wie er Horror-Unfall erlebt hat
Sakhir – Was für dramatische Szenen beim Formel-1-Rennen in Bahrain! Der erste schlimme Feuer-Unfall in der Königsklasse seit vielen Jahren schockte die Zuschauer. Direkt in der ersten Runde war das Rennen mit der Roten Flagge abgebrochen worden. Nach 85-minütiger Pause wurde neu gestartet – und sofort gab es den nächsten Horror auf der Strecke.
Aber von vorne: Im hinteren Feld hatte es direkt nach dem Start einen heftigen Unfall gegeben. Haas-Pilot Romain Grosjean (34) hatte die Spur gewechselt und war daraufhin mit Alpha-Tauri-Pilot Daniil Kvyat (26) kollidiert und in die Leitplanke gekracht.
Grosjeans Auto riss beim Aufprall in die Leitplanke in zwei Teile und ging sofort in Flammen auf. Das Chassis steckte in der Leitplanke fest, ein Vorderrad kullerte über die Strecke. Die Kameras schwenkten sofort weg.
Grosjean selbst blieb im Monocoque offenbar relativ gut geschützt. Streckenposten waren sofort mit Feuerlöschern zur Stelle. Medical-Car-Fahrer Alan van der Merwe (40) half Grosjean aus dem Flammen-Inferno, indem er ihn über die Leitplanke aus dem Feuer zog.
27 Sekunden nach dem Aufprall war der Fahrer in Sicherheit. Die feuerfeste Kleidung rettete dem Franzosen wohl das Leben. Auf dem Weg zum Krankenwagen wurde er gestützt.
Der Franzose zog sich lediglich Verbrennungen zweiten Grades an der Hand zu. Mit dem Hubschrauber wurde der Pilot ins Krankenhaus geflogen. „Er ist sehr erschrocken“, sagte Haas-Teamchef Günther Steiner, „aber er hat nur kleinere Verbrennungen dort, wo die feuerfeste Kleidung Lücken hat. Das war Glück im Unglück, aber auch toller Einsatz von den Marshalls, die sofort da waren.“
Romain Grosjean: „Habe den Tod kommen sehen“
„Mein Visier wurde komplett orange, ich sah die Flammen rund um das Auto lodern. Ich habe an vieles gedacht, auch an Niki Lauda, und ich dachte mir, dass es so nicht enden darf, nicht jetzt“, sagte der Haas-Pilot dem französischen TV-Sender TF1.
Nach dem Unfall konnte sich Grosjean selbst aus dem brennenden Wrack befreien. „Es hat sich viel länger angefühlt als 28 Sekunden“, sagte der Franzose. Dabei habe er auch an seine Familie gedacht. „Ich sagte mir selbst, dass ich für meine Kinder da rauskommen musste“, sagte Grosjean.
Verarbeitet habe er den Unfall nicht nur körperlich noch nicht ganz. „Ich denke, es muss noch einiges an psychologischer Arbeit getan werden, denn ich habe den Tod kommen sehen“, berichtete Grosjean.
Aus den Flammen gekommen zu sein, sei wie eine „zweite Geburt“ gewesen.
Romain Grosjean meldet sich mit Video-Botschaft vom Krankenbett
Noch am Sonntagabend hatte sich Grosjean selbst per Video vom Krankenbett gemeldet. Beide Hände des Haas-Piloten waren dick bandagiert, er sagte in die Kamera: „Hallo an alle! Ich wollte nur sagen: Ich bin ok, also halbwegs ok. Danke euch vielmals für alle eure Nachrichten.“ Grosjean weiter: „Ich war vor einigen Jahren gegen das Halo, aber ohne würde ich jetzt nicht zu euch sprechen können. Vielen Dank an die Retter und die medizinische Abteilung. Hoffentlich kann ich euch bald selbst wieder ein paar Nachrichten schreiben.“
Hier gibt es Grosjeans Statement im Video:
Auch FIA-Präsident Jean Todt (74) hatte Grosjean nach dessen Crash im Krankenhaus besucht.
Haas wird dem Franzosen nun „wenigstens ein Rennen“ Pause gönnen. Das entschied Teamchef Günther Steiner am Montag nach einem Besuch beim bandagierten Grosjean. Für ihn wird Pietro Fittipaldi, Enkel des zweifachen Formel-1-Weltmeisters Emerson Fittipaldi, einspringen. Es wird das F1-Debüt des 24-jährigen US-Amerikaners werden.
Zuvor hatte der Schock tief gesessen. Als seine Fahrerkollegen auf Bildschirmen sahen, wie Grosjean in ärztlicher Obhut war, applaudierten sie spontan in der Boxengasse. Rekordweltmeister Lewis Hamilton blickte in seiner Mercedes-Garage auf die Bilder des Horrorcrashs, der zwangsläufig Erinnerungen an den Feuerunfall Niki Laudas 1976 auf dem Nürburgring weckte, und schüttelte entgeistert den Kopf.
„Es ist ein Wunder, dass er da in einem Stück rausgekommen ist“, sagte Ex-Weltmeister Damon Hill bei Sky: „Es sah aus, als wäre das Chassis durch die Wand durchgegangen. Diese Bilder schaut sich niemand an und spricht danach von zu viel Sicherheit in der Formel 1.“
Jean Alesi: „Halo hat Grosjean das Leben gerettet“
Ex-Pilot Jean Alesi erklärte: „Man muss der FIA (Automobil-Weltverband; d.Red.) danken, dass sie ihn so schnell rausgeholt haben.“ Der 56-jährige Franzose war sich sicher, dass der lange Zeit umstrittene Cockpitschutz Halo seinem Landsmann Grosjean „das Leben gerettet“ hat.
Alan van der Merwe, der Fahrer des Medical Car, erklärte: „Ich habe in zwölf Jahren nicht so viel Feuer gesehen. Romain ist alleine aus dem Auto gekommen. Das ist unglaublich. Es ist super zu sehen, dass alles funktioniert hat: die Leitplanken, der Halo, die Rettungsmaßnahmen.“
Um 16.35 Uhr wurde das Rennen neu gestartet. Und direkt gab es den nächsten schweren Unfall. Der Racing Point von Lance Stroll (22) überschlug sich nach einer Berührung mit Kvyat und blieb auf dem Dach liegen. Stroll konnte den Wagen jedoch aus eigener Kraft verlassen und blieb unverletzt.
Der letzte Aufreger eines denkwürdigen Rennens: Ein Streckenposten rannte kurz darauf vor dem McLaren von Lando Norris (21) über die Strecke. Doch auch dieser Vorfall verlief glimpflich. „War das dumm von dem“, funkte Norris dennoch erschrocken an seine Box.
Lewis Hamilton gewinnt Chaos-Rennen von Bahrain
Das Sportliche rückte naturgemäß in den Hintergrund. Weltmeister Lewis Hamilton (35) im Mercedes sicherte sich am Ende souverän den 95. Grand-Prix-Sieg seiner Karriere, Red-Bull-Heisdüse Max Verstappen (23), der auch die schnellste Rennrunde fuhr, kam auf Rang zwei. Dritter wurde Verstappens Teamkollege Alexander Albon (24).
Einen bitteren Defekt erlebte Sergio Pérez (30) im Racing Point: Der Mexikaner lag zwei Runden vor Schluss auf Podiumskurs, schied aufgrund eines Motorschadens aber auf Rang drei liegend aus. Das Safety Car kam erneut auf die Strecke – und das Rennen trudelte somit ohne weitere Aufreger aus. Sebastian Vettel (33) kam in seinem drittletzten Ferrari-Rennen auf Rang 13 ins Ziel.
Die Fahrer äußerten sich nach dem Rennen geschockt über den Horror-Crash. „Die Leitplanke hätte ihm den Kopf abschneiden können. Wir sind einfach alle nur froh, dass es ihm gut geht. Es hätte viel schlimmer sein können. Das zeigt, wie gefährlich dieser Sport ist. Und dass wir Fahrer hier am Limit unterwegs sind“, sagte Hamilton. (msw/kos/sid/dpa)