Was für ein Abend für den ukrainischen Boxer Oleksandr Usyk. Er kämpfte vor wenigen Wochen noch an der Front gegen die russischen Invasoren. Jetzt stand er im Boxring gegen Anthony Joshua.
Emotionaler Box-AbendSelenskyj & Klitschko melden sich nach Usyk-Kampf – Joshua-Eklat: „Kinderboxen“
Es war mal wieder ein großer Abend für den Boxsport. Schwergewichtskampf in Saudi-Arabien – und die Welt blickte auf den Ring. Es wurde ein denkwürdiger Kampf mit einer hauchdünnen Entscheidung und reichlich Emotionen.
Fakt ist: Box-Weltmeister Oleksandr Usyk (35) bleibt der König des Schwergewichts. Im vereinbarten Rückkampf besiegte der Ukrainer den britischen Ex-Champion Anthony Joshua (32) am Samstag (20. August 2022) in Dschidda/Saudi-Arabien nach Punkten. Usyk behält somit seine WM-Gürtel nach Version der Verbände WBA, WBO und IBF.
Usyk, einst unumstrittener Weltmeister im Cruisergewicht, ist nun auch im 20. Profikampf ungeschlagen. Dem Edeltechniker fehlt lediglich der WBC-Titel, den zuletzt Tyson Fury (34, Großbritannien) hielt, der jedoch kürzlich einmal mehr seinen Rücktritt vom Boxsport erklärt hatte.
Boxen: Oleksandr Usyk besiegt Anthony Joshua knapp
Nach seinem erst vierten Kampf im Schwergewicht forderte Usyk direkt Fury heraus. „Ich bin mir sicher, dass Tyson Fury noch nicht final zurückgetreten ist, ich bin davon überzeugt, dass er gegen mich kämpfen will“, sagte Usyk: „Ich möchte gegen ihn kämpfen, wenn es nicht Tyson Fury ist, werde ich überhaupt nicht mehr kämpfen.“
Fury antwortete prompt und tönte bei Social Media. „Das war einer der schlechtesten Schwergewichts-Kämpfe, den ich ja gesehen habe. Ich würde beide in einer Nacht fertig machen“, sagte er bei Instagram: „Hol das Scheckheft raus.“
Erst am 25. September des Vorjahres hatte Usyk Joshua in London enttrohnt und nach Punkten bezwungen. Nach Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar hatte sich Usyk zunächst der ukrainischen Armee angeschlossen, ehe er wieder ins Training zurückkehrte.
„Diesen Sieg widme ich meinem Land, meiner Familie, meinem Team und allen Soldaten, die das Land verteidigen“, wurde Usyk emotional nach seinem Sieg. Der war insgesamt knapp. Bei zwei von drei Punkterichtern lag er vorne (115:113, 113:115, 116:112).
Joshua nach Niederlage gegen Usyk schwer angefressen
Joshua konnte seine insgesamt dritte Niederlage im 27. Profikampf zunächst nicht akzeptieren und sorgte für einen Eklat. Zunächst warf er seinem Gegner vor, „Kinderboxen“ zu betreiben, fragte Usyk dann: „Du bist nicht stark, wie willst du mich geschlagen haben?“
Dann schnappte er sich Usyks Gürtel und warf sie aus dem Ring, bei der Pressekonferenz nach dem Kampf brach er in Tränen aus. Wie aufgeregt Joshua nach dem Kampf war, sehen Sie hier im Video auf Twitter:
Es folgte noch eine wirre Rede im Ring, nachdem Joshua zunächst abgedampft war und dann doch nochmal zurückgekehrt war. Joshua setzte an zu einer abstruse und mit Schimpfwörtern übersäten Rede über seinen eigenen Stellenwert im Boxen. Usyk stahl er damit den Moment als Sieger im Rampenlicht.
„Es war die Reaktion eines Menschen. Er wollte den Sieg unbedingt, hatte so viel Druck auf seinen Schultern und er ist einfach explodiert, weil er verloren hat und am Boden zerstört war“, sagte Joshuas Promoter Eddie Hearn. „Was Usyk in der zehnten, elften und zwölften Runde gezeigt hat, war unglaublich. Das war der Unterschied. Er war wie ein Zug. Er ist einfach zu gut und die Niederlage ist keine Schande.“
Der 32-jährige Joshua, der im April 2017 Wladimir Klitschko in dessen letztem Kampf per K.o. besiegt hatte, steht nun an einem Scheideweg. Spekulationen um einen Rücktritt hatte Joshua vor dem Kampf als „Nonsens“ abgetan. Schon 2019 hatte Joshua all seine Titel an Andy Ruiz Jr. (USA) verloren, sie dann aber sechs Monate später in Diriyya/Saudi-Arabien zurückerobert.
Für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hat der Sieg seines Landsmannes und Schwergewichtsweltmeisters Usyk auch eine hohe symbolische Wirkung. „Schwieriger, aber so wichtiger und notwendiger Sieg! Die Verteidigung des Weltmeistertitels ist ein Symbol dafür, dass all diejenigen, die zu den Kosaken gehören, ihren Titel nicht aufgeben werden, sondern dafür kämpfen und auf jeden Fall gewinnen werden!“, twitterte Selenskyj und gratulierte Usyk zu seinem Erfolg.
Auch Ex-Champ Wladimir Klitschko reagierte begeistert auf Twitter: „Was für ein großartiger Kampf, ich könnte nicht stolzer auf beide Kämpfer sein. Usyk zeigte Widerstandskraft, Herz und eine taktische Strategie eines wahren Champions.“
Auch für Usyk war das Duell mehr als nur ein Boxkampf, denn es sollte seinen Landsleuten auch Hoffnung in einer dunklen Zeit des Krieges geben. Der Boxer hatte es ermöglicht, dass der WM-Kampf in der Ukraine kostenlos im Staatsfernsehen und im Livestream verfolgt werden konnte. Usyk war im von Russland gestarteten Angriffskrieg einen Monat lang selbst als Freiwilliger im Einsatz, entschied sich dann auf Drängen seiner Landsleute aber dazu, wieder als Boxer zu kämpfen. (ubo, sid, dpa)