Nach Olympia ist vor dem CHIO in Aachen. Eigentlich war es anders geplant, aber aufgrund der Pandemie fiel das große Reitturnier 2020 aus. In diesem Jahr findet es vom 10. bis 19. September wieder statt.
CHIO-BossMichael Mronz klagt: Sportvereine in Deutschland wie ein Computer aus den 80er-Jahren<br>
Köln. Der Kölner Sportmanager Michael Mronz (54) ist happy, dass er und sein Team endlich wieder mit dem CHIO in Aachen durchstarten können. Im EXPRESS-Interview am 10. September 2021 spricht er vor der großen Reitsportveranstaltung über den Umgang mit Pferden, Zuschauerkonzepte und eine Sport-Vision für Deutschland.
Sie stehen in den Startlöchern vor dem CHIO, wie ist die Stimmung?
Michael Mronz: Bei uns herrscht eine sehr große Vorfreude und Motivation. Es sind ein paar mehr Emotionen im Spiel als die Jahre davor, weil wir endlich wieder stattfinden. Und eins ist gleichgeblieben: Hier gibt es den besten Sport, die besten Pferde und Athleten.
Das Partnerland bleibt Japan, mussten Sie an den Choreografien viel ändern? Statt vor Olympia findet das Turnier nun nach Olympia statt.
Michael Mronz: Nein, das Show-Programm ist dasselbe geblieben. Es geht ja darum, die Kultur des Landes zu präsentieren, und die hat sich durch Olympia und die Paralympischen Spiele ja nicht geändert. Das Einzige was anders ist: Im Jahr 2020 hätten wir hier die deutsche Mannschaft Richtung Olympia verabschiedet, jetzt empfangen wir sie halt wieder zurück und alle Einzel-Olympiasieger werden beim CHIO an den Start gehen.
CHIO in Aachen: 18.000 Zuschauer am Tag auf der Anlage
Mit wie vielen Zuschauern können Sie auf der Anlage in Aachen planen?
Michael Mronz: Bei uns gilt die 3G-Regel, getestet, geimpft oder genesen. Wir belegen die Tribünen wie bei einem Schachbrettmuster und kommen so auf eine Auslastung von einem Drittel, das sind knapp 18.000 Besucher pro Tag. Maximal erlaubt wären 25.000 Zuschauer.
Wie nehmen die Fans das an, spüren Sie Unsicherheit?
Michael Mronz: Es gibt beides: Große Vorfreude und Euphorie, aber eben auch Unsicherheit. Da wir alle über eineinhalb Jahre mit Abstand, Vorsicht und möglichst wenigen Kontakten umgehen mussten, müssen wir lernen, wieder ein Stück weit ins normal Leben zurück zu kommen.
Wie sah das bei ihrem Team aus?
Michael Mronz: Ein Großteil unserer Mitarbeiter war in Kurzarbeit, jetzt haben wir sie vor Wochen sukzessive zurückgeholt. War das zunächst fast nur im Homeoffice, so gibt es jetzt doch immer häufiger den Wunsch, wieder zusammenzukommen, sich auszutauschen.
Wie haben Sie die Pandemie wirtschaftlich überstanden?
Michael Mronz: Wir sind zufrieden, die Sponsoren sind treu geblieben und wir konnten die Verträge alle um ein Jahr nach hinten verschieben. Dadurch besteht Planungssicherheit für die Zukunft. Wir hatten ja ein Jahr keine Einnahmen, weil wir gar nicht stattgefunden haben, da war die Fortführung der Verträge sehr wichtig für uns.
Bei Olympia gab es einige unschöne Szenen mit Pferden, vor allem im Modernen Fünfkampf mit Annika Schleu. Wie beurteilen Sie das und wie würden Sie ein solches Verhalten beim CHIO ahnden?
Michael Mronz: Wir haben hier sehr klare Regeln und das schon seit Jahren. In unserem Aufsichtsrat ist das Thema Tierwohl mit einer klaren Zugehörigkeit versehen, das zeigt, wie wichtig es uns ist. Wir mussten beim CHIO in der Vergangenheit schon Reiter aus dem Turnier ziehen, weil ihr Verhalten nicht mit unseren Regeln konform ging. Da schauen wir sehr genau hin, haben auf den Trainingsplätzen und an den Wettkampfstätten Stewards postiert. Die Ansage ist klar: Sie sollen erfolgreich hingucken und nicht weggucken. Die Stewards sind zugleich auch Ansprechpartner für unsere Besucher.
Wie fanden Sie die Reaktionen nach Olympia?
Michael Mronz: Da muss man eins nochmal klarstellen: Der Weltverband der Reiter ist nicht zuständig für den Modernen Fünfkampf. Dessen Reaktion, erst mal nicht über das Regelwerk nachzudenken, kann man aus der Kurzfristigkeit vielleicht verstehen, aber als Fan habe ich eine andere Meinung. Klug und richtig ist es, über eine Modernisierung nachzudenken. Es hat sich vieles geändert, und wenn man sich im Sport solchen Dingen verschließt, ist das nicht gut. Beim Modernen Fünfkampf wäre es also gut, darüber nachzudenken, die Regeln anzupassen und Alternativen zu prüfen.
Was könnte das sein?
Michael Mronz: Zum Beispiel, dass jeder Athlet mit einem eigenen Pferd antritt und nicht mit einem Leihpferd. Früher wurden auch beim Springreiten im WM-Finale unter den besten vier Reitern die Pferde getauscht. Jetzt eben nicht mehr, weil klar ist, wie sensibel Pferde sind. Sportler brauchen einen guten Draht zu ihren Tieren, diese Beziehung muss sich entwickeln. Das Pferd ist ein Partner.
Michael Mronz über Olympia an Rhein und Ruhr: Klares Angebot formuliert
Sie wollten die Sommerspiele in die Region holen, der Traum 2032 ist erstmal geplatzt, weil die Spiele in Brisbane stattfinden. Wie ist die derzeitige Situation?
Michael Mronz: Wir sehen an der Vergabe nach Brisbane mit der Region Queensland: Regionenkonzepte sind Gewinnerkonzepte. Unser Konzept ist vom DOSB und dem IOC als sehr gut bewertet worden und die beteiligten Kommunen und die Landesregierung wollen Rhein Ruhr City als Dekadenprojekt über 2032 hinaus fortführen. Aus den Dingen, die nicht gut gelaufen sind, gilt es nun zu lernen.
Wie sieht das konkret aus?
Michael Mronz: Die an Rhein Ruhr City beteiligten Kommunen und die Landesregierung haben in einer gemeinsamen Erklärung den DOSB dazu angehalten, bis Ende 2023 für sich eine Entscheidung herbeizuführen, ob man sich mit Deutschland für zukünftige Spiele bewerben will. Wir haben mit Rhein Ruhr City ein klares Angebot formuliert. Die Bürgerinnen und Bürger müssen dann darüber abstimmen. Der zentrale Punkt für mich ist jedoch, dass die Bedeutung des Sports wieder in den Mittelpunkt rückt.
Wie meinen Sie das?
Michael Mronz: Momentan geht es in der öffentlichen Wahrnehmung bei Sport hauptsächlich um Fußball und um Spitzensport. Es muss aber die gesamtgesellschaftliche Bedeutung des Sports in den Fokus gerückt werden, gerade jetzt in und nach Corona-Zeiten. Es geht um unsere Kinder, um Themen wie Integration, Fair Play, Teamgeist, Bewegungsarmut und die Sanierung der Breitensportanlagen. Das muss die inhaltliche Kernmessage sein. Die Sportvereine leisten immens viel für unsere Gesellschaft.
Mronz über Sport in Deutschland: Es geht um attraktive Angebote
Da müsste aber viel passieren in Deutschland…
Michael Mronz: Es bedarf einer nachhaltigen, nationalen Kraftanstrengung. Es geht um die Infrastruktur der Vereine und um attraktive zeitgemäße Angebote. Wenn wir wollen, dass junge Menschen Sport im Verein treiben, dann muss sich jetzt etwas tun. Aktuell haben viele Vereine einen Zustand wie ein Computer aus den 80er-Jahren. Wenn ich der heutigen Jugend sagen würde, sie sollen darauf E-Sports spielen, dann würden sie mich fragend anschauen und abwinken. Genauso verhält es sich mit dem Zustand vieler Sportanlagen und -angeboten.
Braucht Deutschland also ein neues Sportverständnis?
Michael Mronz: Wenn wir es schaffen, den Breitensport zu stärken, stärken wir unsere Gesellschaft und fördern den Spitzensport. Daran arbeitet gerade der DOSB. Es gilt, ein inhaltliches Gesamtkonzept zu erstellen und in die Zukunft zu investieren. Wenn dann die gesellschaftliche Bedeutung des Sports nachhaltig gestärkt wird, besteht auch automatisch die Chance, sich erfolgreich für Großprojekte wie Olympia zu bewerben.
Themenwechsel zur Politik, Sie sind politisch engagiert, was raten Sie den Menschen vor der Bundestagswahl? Momentan haben viele Probleme, die richtige Partei zu finden…
Michael Mronz: Mein Mann Guido Westerwelle hat immer gesagt: „Wählen gehen! Eine demokratische Partei zu wählen ist extrem wichtig, da sollte man die Chance wahrnehmen.“ In vielen Ländern kommt man ins Gefängnis, wenn man für Wahlfreiheit auf der Straße demonstriert. Und dann sollte man schauen, welche Partei gute Antworten auf meine Fragen hat. Man darf den Wohlstand in Deutschland nicht als selbstverständlich ansehen. Für mich geht es um Arbeitsmarkt, Wirtschaft und Umweltschutz. Mit innovativen Ideen kann man gute Veränderungen vorantreiben.
Ist der CHIO eigentlich bald klimaneutral?
Michael Mronz: Wir arbeiten an der Zertifizierung und wollen jedes Jahr klimaneutraler werden. Es ist für Großveranstaltungen in der Zukunft ja so, dass es keine Sponsorengelder mehr geben wird, wenn nicht die 17 Nachhaltigkeitsziele dargestellt werden. Ich glaube fest daran, dass wir viel erreichen können und es effiziente Lösungen gibt.