Immer wieder DiskussionenTennis setzt voll auf die Technik – doch auf Sand zählt nur der Abdruck

Holger Rune diskutiert mit Schiedsrichter Mohamed Lahyani über einen Abdruck.

Beim ATP-Turnier in Rom diskutiert Holger Rune am 17. März 2023 mit Schiedsrichter Mohamed Lahyani über einen Abdruck.

Die Hawk-Eye-Technik ist im Tennis längst etabliert. Nur bei vielen Sandplatzturnieren wird sie noch immer nicht eingesetzt. Warum ist das so?

von Antje Rehse  (are)

Es ist ein gewohntes Bild im Tennis: Ein Profi ist mit einem Aus-Ruf nicht einverstanden, bittet um eine Challenge. Dann überprüft das sogenannte Hawk-Eye-System, ob der Ball tatsächlich im Aus war.

Mittlerweile ist die Technologie so weit, dass bei vielen Turnieren Linienrichterinnen und -richter sogar komplett abgeschafft wurden. Ihren Job übernimmt mittlerweile das „Electronic Line Calling“. Das System erkennt live, ob ein Ball im Aus war. Ist dies der Fall, meldet sich eine Stimme vom Band: „Fault!“ Und an dieser Entscheidung gibt es nichts mehr rütteln.

Hawk-Eye auf Sand: Immer wieder Diskussionen

Seit 2006 gibt es das Hawk-Eye im Tennis. Nach anfänglicher Skepsis haben die Spielerinnen und Spieler die Technik akzeptiert. Das Hawk-Eye hat immer recht – selbst, wenn es mal falsch liegt.

Die ATP-Tour hat angekündigt, das „Electronic Line Calling“ ab 2025 flächendeckend bei allen ihren Turnieren einzusetzen. Spätestens dann werden zumindest auf der Männertour alle Linienrichterinnen und -richter verschwunden sein. „Dies ist ein entscheidender Moment für unseren Sport, den wir nicht ohne sorgfältige Überlegungen erreicht haben“, sagte ATP-Chef Andrea Gaudenzi (49).

Doch während bei vielen Turnieren schon jetzt neben den Profis nur noch Ballkinder auf dem Platz sind, gibt es bei den meisten Sandplatzturnieren für die Spielerinnen und Spieler noch nicht einmal die Möglichkeit, Entscheidungen per Challenge zu überprüfen. Selbst bei den French Open, dem wichtigsten Sandplatzturnier der Welt, ist das so.

Stattdessen spielen sich auf der roten Asche noch immer regelmäßig Szenen ab, die viele Hobbyspielerinnen und -spieler aus Medenspielen kennen. Bei knappen Bällen wird mit dem Schläger der Abdruck eingekreist und dann wird diskutiert. Manchmal minutenlang.

Im Profi-Tennis kommt in so einem Fall der Stuhlschiedsrichter oder die Stuhlschiedsrichterin runter und trifft die Entscheidung. Doch während auf dem Platz fleißig darüber diskutiert wird, ob der Ball womöglich die Linie noch gekratzt hat und ob es sich überhaupt um den richtigen Abdruck handelt, reiben sich die Fans vor dem Fernseher verwundert die Augen. Denn ihnen wird parallel dazu eine Hawk-Eye-Grafik präsentiert, die nicht selten nicht mit dem übereinstimmt, was gerade im Stadion entschieden wird.

So auch im April in Monte-Carlo, als Novak Djokovic (35) gegen Lorenzo Musetti (21) augenscheinlich um einen Punkt betrogen wurde. Ein Video der Szene sehen Sie auf Twitter:

Viele fragen sich: Warum wird das Hawk-Eye nicht eingesetzt, obwohl es doch ganz offensichtlich zur Verfügung steht? Auch immer mehr Profis fordern das Hawk-Eye auf Sand.

Doch noch gibt es Zweifel an der Genauigkeit der Technik. Der Grund liegt in der Beschaffenheit des Bodens, die eine Kalibrierung erschwert. Weil Sand kein komplett fester Belag ist und es im Laufe eines Matches immer wieder kleinerer Verschiebungen gibt, ist das auf vielen Kameras basierende System nicht zu 100 Prozent genau.

Und so verlassen sich die Verantwortlichen derzeit bei Sandplatzturnieren lieber noch auf das menschliche Auge. Das soll sich aber spätestens 2025 ändern. Laut ATP laufen noch „abschließende Tests“ für diesen Belag.

Ein weiteres Problem: Wenn die Technik falsch liegt, ist das auf Sand im Gegensatz zu anderen Belägen für alle Beteiligten wegen der Abdrücke ersichtlich. Auch das dürfte ein Grund sein, warum auch die Turnier-Verantwortlichen bei den French Open bislang auf die Einführung verzichtet haben.

Tennis-Profi sauer über Hawk-Eye in Madrid

Beim Sandplatz-Turnier in Madrid ist dagegen bereits seit 2021 die Technik im Einsatz. Nicht zur Zufriedenheit aller Spieler. So ließ der Spanier Alejandro Davidovich Fokina (23) im Mai 2023 in seinem Match gegen Holger Rune (20) den Supervisor kommen, weil seiner Meinung nach der Abdruck eindeutig zeigte, dass die Technik falsch lag. „Dann benutzt es doch nicht auf Sand, es funktioniert nicht!“, schimpfte er.

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Rune goss zusätzlich Öl ins Feuer. Während sein Gegner noch mit dem Oberschiedsrichter diskutierte, wischte er den Abdruck einfach weg. Das brachte dem jungen Dänen Pfiffe und Buh-Rufe des spanischen Publikums ein.

Klar ist: Die Technik wird auch auf Sand kommen. Zukünftige Diskussionen wird sie allerdings nur verhindern, wenn sie wirklich zu 100 Prozent funktioniert. Und das ist vermutlich nur eine Frage der Zeit ...