Vom Vater niedergeschossenEx-Boxweltmeisterin Rola: Ich habe immer noch Angst vor ihm

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Ex-Boxweltmeisterin Rola El Halabi.

Ulm – Nein, Angst kannte Rola El-Halabi (31) nicht. „Angst“ war ein Fremdwort für sie. Wie hätte sie sonst schon als Mädchen in den Boxring steigen und sich später bis zum Weltmeister-Titel durchfighten können? Heute ist das etwas anders mit der Angst. „Ja“, sagt sie bedrückt, „die habe ich jetzt latent im Hinterkopf“.

„Es kommt der Tag, da ist das Fakt“

Der Grund: Ihr Stiefvater Hicham El-Halabi (50), der sie vor fünf Jahren kurz vor einem WM-Kampf in der Arena Karlshorst mir vier Schüssen in der Kabine niederschoss, kommt bald aus dem Gefängnis frei! „Noch verdränge ich das“, gesteht Rola tapfer, „aber lange geht das nicht mehr. Es kommt der Tag, da ist das Fakt.“

Sie fürchtet, dass der wegen gefährlicher Körperverletzung zu sechs Jahren Haft verurteilte Mann in seine Heimatstadt Ulm zurückkehrt und Rola erneut attackiert. „Ihm traue ich leider alles zu“, sagt sie.

Rückblick: Am 1. April 2011 stürmte ihr „Papa“, wie sie den Adoptiv-Vater nennt, mit einer Pistole den Kabinentrakt. Aus Wut darüber, dass sie ihn als Trainer und Manager gefeuert hatte. Er schoss erst zwei Security-Männer nieder – beide schwer verletzt.

Dann „seine“ Rola. Vier Mal drückte er eiskalt ab – in ihre rechte Schlaghand, in beide Füße, ins linke Knie.

Neun Operationen ließ Rola über sich ergehen, saß zwei Monate im Rollstuhl, musste in der Reha wieder laufen lernen wie ein Kind. Seelisch belastet die Tat ihres Adoptivvaters sie heute noch. Wenn eine Tür zuknallt, zuckt sie zusammen.

„Papa war extrem herrschsüchtig“, erzählt sie. „Was er sagte, war Gesetz.“ Die Situation war eskaliert, als die Abiturientin damals entdeckte, dass es neben Schule und Boxring noch etwas anderes gab, sich in den Griechen Kosta verliebte.

„Papa war entsetzt, dass ich mich feminin kleidete, überwachte mich 24 Stunden. Ich traf Kosta heimlich. Als Papa das erfuhr, tickte er aus: ,Nach deiner Karriere kannst du einen Mann haben, jetzt nicht!’ Er hat Kosta sogar geschlagen.“

Als Rola hörte, dass sich Hicham El-Halabi bei der Familie im Libanon die Erlaubnis einholte, Rola töten zu dürfen, trennte sie sich sofort von ihm. Kurz darauf seine blutige Rache in Berlin ...

Rola ist ein „Stehaufmädchen“

Beeindruckend, wie sich das „Stehaufmädchen“ Rola El-Halabi nach langer Leidenszeit ins Leben zurückboxte – sie quälte sich durch unzählige Trainings-Einheiten, holte sich 2013 ihren verlorenen WM-Titel wieder zurück. 2013 heiratete sie ihren Kosta (32), wurde schwanger und brachte 2015 die kleine Sophia zur Welt.

Vor fünf Monaten eröffnete die Jung-Mama ihre erste eigene Boxschule, die „Molon Labe Sportsacademy“ in Neu-Ulm.

Rola, Kosta, Sophia – eigentlich eine glückliche, kleine Familie. Wäre da nicht die Furcht vor dem „fanatischen, unbelehrbaren Sturkopf“. Sie glaubt, dass die Haft bei ihm nichts bewirke. Keine Reue, kein Umdenken.

In wenigen Wochen muss Rola erneut am Knie operiert werden. Der schlimmste Tag ihres Lebens – er holt sie einfach immer wieder ein.