Zeitzeuge erzähltWarum es Michael Jackson ins beschauliche Pulheim-Stommeln verschlug
Pulheim – Es ist ein eher unscheinbarer brauner Klinkerbau an der Hauptstraße in Pulheim-Stommeln. Doch die Fassade trügt: Hinter diesen Mauern verbirgt sich eines der weltweit bedeutendsten Musik-Studios.
Eine Hitschmiede, in der nicht nur Michael Jackson schon zu Gast war. Inhaber ist Dieter Dierks (75), Produzent von mehr als 70 Alben mit Gold- oder Platin-Status – und trotzdem noch immer ein bescheidener wie bodenständiger Stommeler Jung.
Dieter Dierks hatte sie alle
Als EXPRESS die Studios betritt, kommt gerade Rhani Krija (48) aus einem der Aufnahme-Räume. „Das ist der Percussionist von Sting“, sagt Dieter Dierks beiläufig zu dem Mann, der auch schon mit Annie Lennox oder Placido Domingo zusammengearbeitet hat, und weist den Weg entlang der „Hall of Fame“.
So heißt der Flur im Erdgeschoss, in dem unzählige Plattencover hängen. Ob Tina Turner, Grönemeyer, U2, Peter Maffay oder die Toten Hosen – sie alle sind hier schon produziert worden. Weltklasse-Musiker, Stars, Sternchen und Verrückte geben sich in Stommeln seit 50 Jahren das Mikro in die Hand.
Dierks verhalf den Scorpions zu Weltruhm, war von 1975 bis 1988 ihr Produzent und wurde vom US-Musikmagazin „Rolling Stone“ als „bester Heavy-Metal-Produzent der Welt“ geadelt. Im EXPRESS-Gespräch plaudert Dierks ganz munter aus dem Nähkästchen, zum Beispiel über...
King of Pop nahm bei ihm „Ghost“ auf
Michael Jackson: „Das war 1996. Ich kriegte einen Anruf vom damaligen Sony-Chef, dass das Jackson-Management die «Diede Döörks»-Studios mieten wollten. Jackson war speziell.
Es musste ein ganz bestimmtes Wasser her mit einer ganz bestimmten Temperatur und so weiter. Aber er war auch ein Perfektionist. Ich habe noch nie jemanden so schnell arbeiten sehen. Die Aufnahmen zum Song „Ghost“ – das ging paff, paff, paff.“
Rockmusiker schießt auf Lampen
Eric Burdon: „Der war hier im Studio und wohnte in einem kleinen Hotel, das dazugehörte, als ich über Nacht ganz schnell nach Los Angeles musste. Von dort rief ich an und fragte meine Mitarbeiter, ob alles okay sei. «Nein», hieß es da: «Der Eric Burdon schießt mit seinem Colt hier alle Lampen aus und manchmal sogar durch die Tür.»
Als ich zurückkam, war wieder alles in Ordnung. Wir nannten ihn nur «Eric Bourbon», denn das war sein Lieblingsgetränk.
Von Brings begeistert, aber nur op kölsch
Die Anfänge von Brings: „Die waren unbekannt, und ich war begeistert. Aber ihre ersten Songs waren auf Englisch und das haute nicht hin.
Ich habe sie dann dem damaligen EMI-Chef Helmut Fest empfohlen, der sie unter Vertrag genommen hat. Klaus Major Heuser hat sie dann produziert – op Kölsch!“
Viele Musiker in Dorfkneipe versackt
Die Dorfkneipe in der Nähe: Da sind viele Musiker hin und auch versackt. Rory Gallagher zum Beispiel ist morgens auf allen vieren mit dem damaligen Wirt da rausgekrochen. Erst neulich hat noch Pascal Kravetz (Musiker u.a. für Udo Lindenberg, Anm. d. Red.) gefragt, ob es da noch immer die guten Bratkartoffeln gebe...“
Rock’ n’ Roll: „Es ist nicht unprofessionell, wenn man Rock’n’ Roll spielt und Rock’n’ Roll lebt. Das gehört für mich zusammen.“
Scorpions hatten das Publikum anfangs nicht begeistert
Die Scorpions: „Anfang der 70er sprach mich ein Label-Chef an und meinte, er habe da so eine Band... Ich habe sie dann bei einem Auftritt vor vielleicht 50 Leuten gesehen – und null Reaktion beim Publikum.
Aber dann haben sie etwas gemacht, was mich umgehauen hat: Sie haben Cover-Versionen gespielt, Rudolf Schenker machte Kopfstand, ein anderer ließ die Hose runter. Ich habe ihnen später gesagt: Wie ihr um die 50 Zuschauer gekämpft habt, das war absolut spitze. Wir haben dann geschaut, ob wir gemeinsam funktionieren und haben das Album »In Trance« aufgenommen. Der Rest ist Geschichte.