Köln feiert 90 JahreDie älteste Autobahn Deutschlands – und die Nazi-Lüge dahinter

Eine Archivaufnahme der Autobahn A555 zwischen Köln und Bonn mit Autos auf der Fahrbahn.

Die erste deutsche Autobahn, hier eine Aufnahme vom Oktober 1966, wurde vor 90 Jahren von Konrad Adenauer eröffnet, die heutige Autobahn 555 von Köln nach Bonn.

Deutschlands älteste öffentliche Autobahn feiert runden Geburtstag. Am 6. August wird die A555 zwischen Köln und Bonn 90 Jahre alt. Zeit für einen bewegten Rückblick.

Erbaut wurde die damals 20 Kilometer lange Kraftwagenstraße zwischen Köln und Bonn im Auftrag von Kölns Oberbürgermeister Konrad Adenauer, seinem Bonner Amtskollegen Wilhelm Lürken und Johannes Horion, Landeshauptmann der Rheinprovinz, dem ranghöchsten Beamten der damaligen Provinzialverwaltung. Damit der deutliche Beweis, dass nicht die Nationalsozialisten die Väter der Autobahn sind, sondern die Herren vor ihnen.

Adenauer als großer Autofan erteilte den Auftrag mit seinem Kollegen trotz wirtschaftlich prekärer Lage. Die Straße soll die „volle Entfaltung der raumüberwindenen Kraft des Kraftfahrzeugs bei größtmöglicher Betriebswirtschaft“ möglich machen. Ein Tempolimit erachten die drei auf der bis auf eine längere Kurve bei Wesseling nahezu geraden Strecke als unmodern, dieses folgt erst Jahrzehnte später.

Köln: Autobahn A555 feiert 90. Geburtstag

Die Politiker schaffen es, rund die Hälfte der Kosten von 8,6 Millionen Reichsmark (heute rund 31 Millionen Euro) aus Berlin zahlen zu lassen. Wer sich von 5540 eingesetzten Arbeitslosen gegen die Arbeit sträubt, erhält keine Stütze. Und damit die Arbeiter möglichst lange beschäftigt sind, werden Bagger und Förderbänder verboten, lediglich Loren sind gestattet. Der Bau, beginnend im Oktober 1929, ist also echte Handarbeit, wie die Autobahn GmbH anlässlich des Geburtstags mitteilt.

Vollendet wird die Straße schließlich am 6. August 1932 mit der öffentlichen Einweihung. Fahnen und Girlanden schmücken den Kölner Verteilerkreis und über die Straße ist ein grünes Eröffnungsband gespannt. Der Rundfunk hat seine Mikrofone aufgestellt und Sonderbeilagen der Zeitungen werden verteilt. Lürken sieht Tourismusströme auf seine Stadt hinzurollen, Adenauer freut sich: „So werden die Straßen der Zukunft aussehen.“

Die neue Straße kommt mit bis dahin unbekannten Dimensionen daher: Jede der vier Fahrspuren hat eine Breite von drei Metern, auf beiden Seiten schließen zwei Meter breite, weitestgehend feste Bankette die Fahrbahn ab.

Alle Brücken bestehen aus dem damals modernen Stahlbeton, von dem 15.000 Kubikmeter verbaut werden. Ausgelegt ist die Straße für Höchstgeschwindigkeiten bis 120 km/h, vier Tage vorher werden auch einige Regeln festgehalten, die besagen, „dass das Halten, Parken oder Wenden verboten“ sei, ebenso das „Treiben von Tieren oder das Befahren mit Pferdefuhrwerken, Fahr- oder Krafträdern.“ Regeln, die teils bis heute gelten.

Der ADAC kritisiert heftig, dass Motorräder von der neuen Straße ausgeschlossen sind, und sieht hier eine Diskriminierung des „kleinen Mannes“, der sich eben kein Auto leisten kann. Später wird das Verbot fallen gelassen.

In Köln und Bonn binden große Kreisverkehre die erste Autobahn an das übliche Straßenwegenetz an. Sie sollen den Fahrern deutlich vor Augen führen, dass sie nun wieder im „normalen“ Straßenverkehr angekommen sind.

Nötig geworden war der Bau der ersten deutschen Autobahn durch eine immens gestiegene Beanspruchung des bisherigen Wege- und Straßennetzes. Neben dem Ruhrgebiet ist das Rheinland die bevölkerungsreichste Region Deutschlands. Staus sind an der Tagesordnung, entlang der Strecken leidet die Bausubstanz, und auch die Bevölkerung, massiv. Zwischen 1921 und 1928 erhöht sich der Automobilverkehr um fast 300 Prozent, jährlich sterben tausende Menschen in Verkehrsunfällen, allein 1929 sind es 5867.

Im März 1929 fällt die Entscheidung der Routenführung auf einer gänzlich neuen Strecke abseits der Ortschaften und in einem vollkommen neuartigen Straßentyp: Exklusiv für Kraftwagen, kreuzungsfreie Führung, Anbaufreiheit und Richtungsfahrbahnen mit Überholmöglichkeit – eben genau die Merkmale einer Autobahn. Die damals gewählten Parameter entsprechen noch heute dem Status Quo. Ein Loblied wird allerdings auf die bis dahin nicht bekannten „elastischen Geländer“, Vorboten der heutigen Schutz- oder Leitplanken, gesungen, die an zwei Stellen eingebaut werden.

Die 1933 an die Macht gekommenen Nazis haben die Köln-Bonner-Autobahn zur Landstraße 185 degradiert, um sich selbst als Macher der neuen Schnellstraßen feiern zu lassen. Genau einmal erwähnen sie in Person von Fritz Todt, dem Generalinspektor für den Bau von Reichsautobahnen, lobend die Provinzialregierung: „Wenn das junge nationalsozialistische Deutschland etwas übernehmen solle, was in den vergangenen Jahren entstanden sei, so habe es die Pflicht, sorgsamst zu prüfen, ob es auch in die heutige Zeit hineinpasse. Von der Kraftwagenstraße könne man erfreulich sagen: Wir übernehmen sie gerne und begeistert, denn sie passt zu uns.“

Am Terminus wiederum arbeitet Reichspropagandaminister Joseph Goebbels. Wenig später ist es so, dass Adolf Hitler Ideengeber der zügigen, kreuzungsfreien Straßen sei, es werden die „Straßen des Führers“. Wirtschaftlich, aber auch militärisch, passen sie gut zu Plänen seiner Partei. 1940/41 schließen sie die „Köln-Bonner“ über das Autobahnkreuz Köln-Süd ans überörtliche Netz, das sie bis 1942 auf 3860 Kilometer ausbauen, an. Etliche Abschnitte gehen allerdings wenig später im Bombenhagel unter.

Bis auf eine kurze Zeit in den 1960er Jahren gibt es auf der A555, so heißt sie übrigens seit Juni 1974, als die Nummerierung der Autobahnen novelliert wird, keine Tempolimits, was Bonner Regierungsangestellte, die in Köln wohnen, ausländische Diplomaten und Staatsbesucher zu hohen Geschwindigkeiten verleitet. Erst seit 2004 bremsen 80er- bzw. 100er-Schilder die Fahrerinnen und Fahrer aus Lärmschutzgründen herunter.

1958 befahren die Strecke 14.000 Fahrzeuge pro Tag, 1961 sind es 24.500 und 1965 dann 34.500. Das macht Mitte der 1960er Jahren einen sechsstreifigen Ausbau – jetzt auch mit Mittelstreifen – nötig, ein Novum in Deutschland. Eine elf Kilometer lange Ferngasleitung wird dafür umgelegt, ein 1,9 Kilometer langer Vorfluter zum Rhein gebaut und 2,3 Millionen Kubikmeter Bodenmasse bewegt. 59 Hektar Grund müssen erworben werden und zwölf Familien umsiedeln. Der Bau kostet über 90 Millionen Mark.

Das Ende der „Bonner Republik“ schmälert den Verkehrsfluss auf der A555 keinesfalls. 1973 fahren hier täglich rund 41.700 Fahrzeuge, 2019 sind es nahezu doppelt so viele, zwischen dem Autobahnkreuz Köln-Süd und der Anschlussstelle Rodenkirchen werden sogar mehr als 100.000 pro Tag gezählt, Tendenz steigend. Auch deswegen muss sie ständig in Schuss gehalten werden.

Aktuell und bis Ende 2025 laufen Sanierungen zwischen der Brühler Straße in Wesseling und der Anschlussstelle Wesseling. „Wir errichten Lärmschutzwände sowie zwei Versickerungsbecken und einen Stauraumkanal samt Pumpanlage, damit die Strecke auch bei Starkregen gut befahrbar ist. Zudem müssen wir dringend zwei Brücken sanieren“, erklärt Helge Wego, Pressesprecher der Autobahn GmbH in der Außenstelle Euskirchen.

„Außerdem tragen wir besonders lärmarmen Asphalt auf, was für die Anwohnerinnen und Anwohner in Kombination mit den anderen Maßnahmen eine erhebliche Entlastung darstellen dürfte.“