Andrea VolkEine Teleshopping-Moderatorin packt aus

„Wenn Sie jetzt anrufen...“- gibt’s die Comedian-Frau gratis dazu. Andrea Volk hat ihre Teleshopping-Erlebnisse zu Papier gebracht. Kostproben aus dem Buch gibt’s am Dienstag im Wirtz-Haus-Café des Kölner Atelier-Theaters (18 Uhr).

Köln – Sie schrubbte sich mit überteuertem Waschmittel die Finger blutig, lernte, mit drei Stunden Schlaf in einer Umkleidekabine auszukommen und als rosa Plüschriese jede Form von Schamgefühl abzulegen.

Die Kölnerin Andrea Volk (48, Buch: „Wenn Sie jetzt anrufen, bekommen Sie den Moderator gratis dazu!“) war sechs Jahre Live-Verkäuferin bei einem großen Teleshoppingsender. Heute arbeitet sie als Comedian und verarbeitet viele ihrer Erfahrungen im Programm. Im EXPRESS-Gespräch lüftet sie so manches Geheimnis:

Wie kommt man denn an so einen Job?

Alles zum Thema Stiftung Warentest

Ich simulierte beim Bewerbungsgespräch so etwas wie einen Harry-and-Sally-Orgasmus in einer Kuscheldecke. Ohh, ist die weiiich, ohh, ist die kuschelig! Und dann musste ich wirklich in einem hellrosa Bademantel vor die Kamera. Ich sah aus wie ein sterbendes Schwein mit Plüschfellbesatz.

Wer kauft so etwas?

Quer durch die Gesellschaft: Vom Architekten bis zur Putzfrau. Viele sind älter, leben im Osten und sind nicht so mobil. Komischerweise kaufen die Leute meist das, was wir tragen, weshalb wir gerne die Sachen anziehen, die entweder am besten laufen, damit der Zähler nach oben schnellt, oder die, die am schlechtesten laufen, um sie loszuwerden.

Und die Qualität?

Ein Putzexperte trank vor laufender Kamera WC-Reiniger mit Aktivsauerstoff, um dessen Unschädlichkeit zu beweisen. Ich muss zugeben, dass der Service erstklassig ist, was TÜV und Stiftung Warentest regelmäßig attestieren. Da kann man den Sendern nichts vorwerfen...

Sind die Anrufer eigentlich echt?

Ja. Sie werden natürlich gesiebt. Nur selten verirrt sich einer durch die Leitung, der in einer Perlenschmuckstunde fragt: »Darf ich die Chinesin f....?« Aber es kommt vor.

Und die Kulisse?

Alles Pappe. Dumm, wenn der Putzmittelexperte nicht weiß, dass die Toilette gar keinen Abfluss hat und die Brühe wieder herausschwappt.

Dürfen Sie alles, was vorher gezeigt wurde, essen?

Essen? Nicht selten benutzen die Köche für die Showtime deutlich abgelaufene Lebensmittel. Gemüse wird auch mal mit Haarspray lackiert. Und so eine Schwarzwälder-Kirschtorte ist schon mal eine Woche alt. Da heißt es dann: Beiß lieber nicht rein, die Sahne lernt gerade laufen.

Brauchen Teleshopping-Moderatoren eigentlich keinen Schlaf?

Der Schlafmangel ist in der Tat unser größter Feind. Manchmal enden Schichten um Mitternacht und beginnen wieder um vier Uhr morgens. Und dann sind wir vormittags um zehn dran und um 15 Uhr.

Wie groß ist der Konkurrenzdruck?

Als eine hochschwangere Mutter auf den Knien Bodenstopper anpries, hagelte es Zuschauerproteste. Sie taten ihr damit keinen Gefallen. Die Frau wurde für einige Monate zwangsbeurlaubt, ohne Entgelt, aber mit der Angst, in der Zwischenzeit durch eine wildernde Kollegin dauerhaft ersetzt zu werden.

Ihr Lieblings-Werbespruch?

Dieser hier: „Sehen Sie diese herrliche Tiffany-Lampe in Krokodil-Form? Die hat sogar eine Birne im Schwanz. Wer hat so was schon?“

Lügen Sie manchmal das Blaue vom Himmel?

Nein, wir wählen einfach nur bestimmte Ausschnitte aus der Wahrheit. Und alles muss positiv besetzt sein. Wir sagen bei einem Topf also nicht, dass die heißen Griffe seine Schwachstelle sind, sondern preisen an, dass er in guter, alter Tradition rundumbeheizt ist - und verkaufen dazu dann eben noch Topflappen für 4,95 Euro.

Weitere Tricks? Die Zähler sind echt, aber dem Zuschauer wird schon mal vorgespielt, dass ein Produkt fast ausverkauft sei. Da müsse er ganz schnell zuschlagen. Beliebt auch: „Normalerweise kostet so ein Ring im Laden 200 Euro ...“

Apropos Geld. Kann man mit winkenden Solarzellenzwergen wirklich Kohle machen?

Bei einem Top-Produkt werden Tagesumsätze von 3 Millionen Euro eingefahren. Ich verkaufte an einem Tag 20.000 Sets eines völlig überteuerten Waschmittels und erzielte einen Umsatz von 400.000 Euro. Zu wenig. Ich hätte 30.000 verkaufen sollen. Das war dann allerdings auch mein letzter Arbeitstag.