Die Digitalisierungs-Messe Digital X in Köln ist eröffnet worden. Bei vielen Vorträgen mahnen die Wirtschafts-Bosse vor allem den Rückstand, den Deutschland in vielen Bereichen habe.
„Digital X“ in KölnHarte Kritik vom Telekom-Boss am Standort Deutschland – Wirbel um Busse
Köln sieht zwei Tage Magenta. 60.000 Interessierte am Thema Digitalisierung pilgern am Dienstag (13. September 2022) und Mittwoch durch die Straßen zwischen Mediapark und Belgisches Viertel und belagern Cafés und Bars. Der Hauptsponsor hat sich in der Innenstadt breit gemacht.
Die Messe „Digital X“ glänzt zum einen durch hochkarätige Stars wie Moderatorin Michelle Hunziker (45), Schauspielerin Jessica Alba (41) und Apple-Mitgründer Steve Wozniak (72). Die Rock-Band Muse und zahlreiche Kölner Größen wie Kasalla, Brings, Klüngelköpp oder Cat Ballou sind auch im Einsatz. Im Mittelpunkt stehen aber vor allem rund 300 Vorträge, die aufrütteln sollen.
„Digital X“ in Köln: 60.000 Interessierte bei Vorträgen und Konzerten
Die lautesten Worte fand gleich zu Beginn Telekom-Vorstandsvorsitzender Tim Höttges (59). „Wie kann es dazu kommen, dass wir uns auf unserem Wohlstand ausgeruht haben? Wir sind teilweise selbstgerecht geworden“ sagte er in seiner Eröffnungsrede.
„Wir neigen dazu, die Schuld auf andere zu schieben. Damit beginnt schon das erste Problem. Es geht nicht darum, anderen die Verantwortung zuzuschieben.“ Der Telekom-Chef warnt vor dem Niedergang des Standorts Deutschland.
Die Herkunftsbezeichnung „Made in Germany“ sei „ramponiert“, weil Deutschland viel zu wenig für Forschung und Entwicklung ausgebe. „Das Label ‚Made in Germany‘ ist nicht gottgegeben – das ist nicht eine Garantie, die für immer gilt.“
Einer Studie zufolge müssten jedes Jahr sechs Prozent des Bruttoinlandsproduktes in Innovationen investiert werden, damit eine Volkswirtschaft weiter wachse. 2021 habe der Deutschland-Wert nur ein Prozent betragen. „Wie soll ‚Made in Germany‘ in einer digitalen vernetzten Welt funktionieren, wenn diese Gesellschaft nicht mehr in die Zukunft investiert?“
Die Digitalisierung sei ein alarmierendes Beispiel dafür, wie Deutschlands Industrie international zurückfalle. „Deutschland braucht Dichter, Denker, Digitalisierung. Heute gehen unsere Kinder zum Studium in die USA. Wir brauchen Reformen bei Schulen und Universitäten. Auch müssen wir attraktiver für Fachkräfte werden“.
„Digital X“: Label „Made in Germany“ ist nicht gottgegeben
Sein Unternehmen habe 3500 offene Stellen, IT-Expertinnen und Experten ziehe es jedoch lieber in die Ferne. Höttges‘ Prognose klingt düster. „Wir brauchen ein Jahrzehnt, um Deutschland zu renovieren und aufzuräumen. Deutschland braucht mehr Mut. Was sind unsere Freiheit und Demokratie wert, wenn wir keinen Zukunftsoptimismus haben.“
Allianz-Vorstand Oliver Bäte (57) nutzte seinen Vortrag zur Abrechnung mit der Politik. „Wenn wir weiter vor uns hinschlafen und sagen, die Rente sei sicher, dann wird’s unangenehm für Deutschland.“ Ins englische Wörterbuch sei inzwischen nach „Kindergarten“ auch der Begriff „Besitzstandswahrung“ aufgenommen worden.
Die jüngsten Maßnahmen der Regierung putzte der Versicherungs-Boss herunter: „Das Entlastungspaket heißt eigentlich Verschuldungspaket. Unsere Kinder werden das bezahlen müssen. Aber in diesem Land kannst du Wirtschaftsminister werden, obwohl du noch nie einen Dreisatz gerechnet hast, oder Verteidigungsminister, ohne je eine Waffe in der Hand gehabt zu haben.“
„Miss Germany“ Domitila Barros wirbt für Mut bei Nachhaltigkeit
In einem Punkt musste er Höttges zustimmen: „Man muss sich als Deutscher inzwischen schämen, was den Stand der Digitalisierung bei uns angeht“. Deutschland müsse endlich aufwachen und dürfe sich nicht auf Lorbeeren der Vergangenheit ausruhen. „Der Erfolg der Vergangenheit ist eigentlich das größte Risiko für den Misserfolg der Zukunft, wenn wir nicht mehr in die Transformation nach vorne gehen“, so Höttges.
Auch Umweltthemen stehen im Zentrum der Debatten. Greenfluencerin Domitila Barros (37), die 2022 zur „Miss Germany“ gekürt wurde, forderte: „Nachhaltigkeit bedeutet nicht bloß umweltfreundliche Alternativen zu finden. Es geht darum, die gesamte Gesellschaft umzugestalten. Dafür müssen wir die Angst verlieren, neue Wege zu gehen“.
Nicht allen Kölnerinnen und Kölnern gefiel der Rummel, der durch die zahlreichen Messe-Gäste ausgelöst wurde. Da zahlreiche Locations in der Innenstadt für Events reserviert waren, fühlten sich viele ausgegrenzt. Auch sorgten die Sperrungen und die großen Ströme an Besucherinnen und Besuchern teilweise für Probleme.
Der ADFC Köln bemängelte vor allem, dass die Shuttle-Busse beispielsweise auf der Aachener Straße die Radfahrstreifen als Haltepunkte nutzten und forderten die Polizei zum Eingreifen auf.