Bei uns in Köln ist das Büdchen um die Ecke ein wichtiger Punkt im Veedel. Hier gibt es alles, auch die tollsten Geschichten. Und die erzählen wir – präsentiert von NetCologne – in unserer großen Büdchenserie. Lesen Sie bis zum 22. Mai täglich bei EXPRESS.de, was Sie noch nie über Büdchen wussten und warum die Büdchen-Kultur in Köln so einzigartig ist.
EXPRESS-Büdchen-SerieFamilientradition in Köln-Zündorf – „Früher war alles etwas lockerer“
71 Jahre Tradition am äußersten Rand von Köln, in Porz-Zündorf: Das Büdchen der Familie Meurer, direkt an der Endhaltestelle der KVB-Linie 7, ist aus dem Veedel nicht mehr wegzudenken. Seit Jahrzehnten kaufen Stammkundinnen und -kunden hier ihre Zeitung, die Schülerinnern und Schüler des nahe gelegenen Schulzentrums ihre gemischten Tüten mit Süßigkeiten.
Hinter dem Tresen steht heute Philip Meurer (38), der den Laden von seinem Vater Günter (72) übernommen hat. Eröffnet wurde das Büdchen 1951 wiederum von Günters Mutter, Philips Oma. Plakate mit Fotos an der Außenfassade des Gebäudes erzählen die Geschichte des Büdchens.
Köln: Zündorfer Büdchen in Familienbesitz
„1951 hat meine Mutter den Laden eröffnet“, sagt Günter Meurer. „Die KVB hat damals nach jemandem gesucht, der hier an der Endhaltestelle einen Kiosk betreiben möchte. Meine Mutter hatte sich beworben – und wir haben den Zuschlag bekommen“, berichtet uns der Senior-Chef. Die ganze Familie packte mit an.
Günter übernahm das Büdchen von seinen Eltern, als er 29 Jahre alt war. Auch seine ältere Schwester arbeitete zeitweise mit in dem Büdchen. „Bis 1980 hat auch unser Vater hier geholfen. 94 Jahre alt ist er geworden – und hat bis zum Schluss angepackt, wo er konnte.“
Kölner Büdchen-Besitzer erzählt „Anekdoten mit Chaoten“
Seitdem ist das Büdchen dreimal umgezogen – weil die Bahnschienen verlegt wurden. Die alten Gebäude sind auf den Fotos aber noch gut zu erkennen. Besonders an das erste Büdchen erinnert sich Günter Meurer noch gerne. Er selbst war noch ein Kleinkind, als die Familie das Büdchen eröffnete.
Früher wurden noch viele Streiche gespielt, erinnert er sich zurück. „Anekdoten mit Chaoten“, die den 72-Jährigen in Erinnerungen schwelgen lassen. „Neben unserem ersten Büdchen war eine Wartehalle von der Bahn, die offen war. In der Nacht vor Silvester haben damals irgendwelche Chaoten die ganze Wartehalle, ca. 30 Quadratmeter, mit Strohballen vollgemacht“, schmunzelt er.
Ein anderes Mal haben Rowdies eine Bank der KVB-Haltestelle auf das Dach des alten Büdchengebäudes gehievt. Aber damit nicht genug. „Früher standen an den Haltestellen Kisten mit Bremssand für die Bahnen. Die haben dann auch die Kiste mit dem Sand ausgeleert, die Kiste ebenfalls aufs Dach bugsiert und dann den ganzen Sand wieder in die Kiste auf dem Dach geschüttet. Das waren noch Zeiten.“
An Meurers Büdchen steht und fällt alles mit der KVB. Zwar kommen viele Stammkundinnen und -kunden – ungefähr 50 Prozent, schätzt Büdchen-Urgestein Günter – viele von ihnen kommen aber auch, weil sie z.B. täglich mit der KVB-Linie 7 zur Arbeit fahren. „Wenn die Bahn nicht fährt, kommen viele nicht.“
Im Zündorfer Büdchen zählt Persönlichkeit
Was für die Meurers die Kölner Büdchenkultur ausmacht? „Es ist persönlicher als anderswo“, so Günter Meurer. „Man kennt die Stammkundinnen und -kunden und hat ein anderes Verhältnis zur Kundschaft.“ Noch inniger und persönlicher sei das Verhältnis zwischen Büdcheninhaber und Kundinnen und Kunden geworden, seitdem hier auch Lotto angeboten wird. „Wenn man den Kunden Geld gibt, weil diese etwas gewonnen haben, entsteht nochmal ein anderes Verhältnis.“
Bereits zwei Mal hatte Meurer Kunden, die sechs Richtige im Lotto hatten – Jackpot! „Die haben über 500.000 Euro gewonnen, fünf-, zehn- oder auch zwanzigtausend haben wir öfter“, erklärt er.
Büdchen-Kultur hat verändert: „Früher war alles etwas lockerer“
In den letzten Jahren habe sich vieles verändert, berichtet Günter Meurer. „Früher war alles etwas lockerer. Heutzutage sind alle unter Zeitdruck. Früher war es entspannter, da standen wir auch öfter hier und haben eine Flasche Bier zusammen getrunken, das ist leider alles vorbei. Dazu kommt ja noch, dass man auf dem Bahnsteig vor dem Büdchen eh nicht mehr trinken darf.“
Auch die Corona-Pandemie hat vieles verändert. „Es ist ja keiner mehr mit der Bahn zur Arbeit gefahren, alle haben von zu Hause aus gearbeitet oder sind mit dem Fahrrad oder dem Auto zur Arbeit gefahren. Wir hatten einen Umsatzrückgang von 30 bis 40 Prozent.“
Trotzdem schlägt sich das kleine Büdchen wacker. Aufhören, das ist auch für Junior-Inhaber Philip Meurer keine Option. „Für mich war es schon von klein an klar, dass ich hier arbeiten möchte“, sagt er. Solange es geht, will die Familie Meurer das Büdchen auch weiterführen.