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Interview

Großes InterviewKonrad Adenauer hat Kölns wohl bekanntesten Namen – „da wäre ich lieber anonym gewesen“

Zwei Männer sitzen an einem Tisch in einer Hotellobby.

Konrad Adenauer am 25. März 2025 im Interview im Kölner Hotel Savoy mit EXPRESS-Reporter Horst Stellmacher (rechts). 

Das große EXPRESS.de-Interview mit Konrad Adenauer, dem Enkel des ehemaligen Kölner Oberbürgermeisters und erstem Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland.

von Horst Stellmacher  (sm)

Er trägt einen großen Namen und steht gerade stark im Familien-Mittelpunkt: Konrad Adenauer, der Enkel des ehemaligen Kölner OBs und späteren Bundeskanzlers, ist am 9. Januar 80 Jahre alt geworden.

Sein Großvater könnte am 5. Januar 2026 seinen 150. Geburtstag feiern. Ein berührender Roman über seine Mutter Gussie ist in den Bestseller-Listen. Und ganz frisch in den Buchhandlungen ist „Adenauerianer“ (Dittrich Verlag, 22,90 Euro), ein besonderes Buch über den Kanzler Adenauer und seine Zeitgenossen. Viele Gründe für den EXPRESS, sich mit ihm zum großen Köln-Gespräch zu treffen.

Großes EXPRESS.de-Interview mit Konrad Adenauer

EXPRESS: Ein ungewöhnlicher Titel für ein ungewöhnliches Buch. Wie ist es dazu gekommen?

Konrad Adenauer: Angeregt wurde es von Hugo Bergham, einem ehemaligen Rechtsanwalt, den ich seit meiner Kindheit kenne, und der mich vor zwei Jahren fragte, ob ich mitmachen wolle. Es geht im Buch vor allem um die vielen Frauen und Männer, die mit meinem Großvater die Zeit nach dem Krieg gestaltet haben. Vorbild sind Bücher, die in England erschienen sind – zum Beispiel über Churchill und die Churchillianer.

Wer sind die „Adenauerianer“, die im Buch beschrieben werden?

Konrad Adenauer: Das reicht vom legendären Kardinal Frings, den ich im Kapitel „Religion und Kirchen“ beschreibe, über Herbert von Karajan und Josef Neckermann bis hin zur Schlagersängerin Caterina Valente und vielen, vielen anderen Leuten. Sogar dem „Wunderpferd Halla“ ist ein Kapitel gewidmet.

Wann wurde Ihnen bewusst, dass Ihr Großvater „ein hohes Tier“ ist?

Konrad Adenauer: Bei seiner Wahl im September 1949. Meine Eltern haben das im Bundestag erlebt, und da ich erst viereinhalb Jahre alt war, war ich bei der Freundin meiner Mutter in Aachen. Gemeinsam mit ihren Eltern haben wir vorm Radio gesessen und gespannt zugehört. Ich habe damals das Wort „Bundeskanzler“ zum ersten Mal gehört. Ich wusste nicht, was das ist, ich stellte mir so was wie einen Indianer-Häuptling vor.

Wie haben Sie den Senior angeredet - mit Großvater oder Opa?

Konrad Adenauer: Für uns Kinder war er zuerst „Vater Konrad“, und die Großmutter war „Mutter Gussie“. Das ging so lange gut, bis das bei einem Spaziergang eine fremde Frau mitbekam. Sie hörte, dass meine kleine Schwester den Großvater mit „Vater Konrad“ ansprach. Das fand sie empörend: „Der sollte sich was schämen! So alt und noch so ein kleines Kind!“ Ab da mussten wir „Großvater“ sagen. „Omi“ und „Opa“ hatten wir aber auch, das waren die Eltern unserer Mutter.

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Wie werden Sie von Ihren Enkeln angesprochen?

Konrad Adenauer: Mit „Opa“. Aber ich gebe zu – „Großvater“ wäre mir lieber!

Man sagt, Enkel haben vieles mit dem Großvater gemeinsam. Wie ist es bei Ihnen?

Konrad Adenauer: Es gibt viele Gemeinsamkeiten. Wir beide sind Steinböcke, haben dasselbe Gymnasium besucht, an denselben Unis studiert und den Jura-Abschluss. Wir haben nicht promoviert, weil für uns der Beruf immer wichtiger war, und wir dafür keine Zeit hatten. Ich bin sehr hartnäckig, so wie er es war, will immer das Ziel erreichen, das ich mir gesteckt habe, möchte das Ende erleben, wenn ich was anfange. Und gemeinsam ist uns der Mut, Neues anzugehen, auch mal aggressiv zu sein und mit anderen Leuten Tacheles zu reden.

War der Name Adenauer für Sie ein Türöffner?

Konrad Adenauer: Er war oft vorteilhaft, aber es gab Zeiten, in denen ich lieber Müller, Meier oder Schulze geheißen hätte. Wenn ich beim Arzt oder an einem Schalter aufgerufen wurde, erregte der Name besondere Aufmerksamkeit, da wäre ich lieber anonym gewesen. Manchmal wurden mir des Namens wegen ganz normale Bitten nicht erfüllt. Dann hieß es: „Wenn wir Ihren Wunsch erfüllen, heißt es sofort: Das passiert nur, weil er ein Adenauer ist – typisch, er hat einen Freibrief.“

In „Adenauerianer“ berichten Sie auch über die Fernsehgewohnheiten in den 50ern. Wie haben Sie selbst die aufkommende Fernseh-Zeit erlebt?

Konrad Adenauer: Der Großvater hatte einen kleinen Fernseher in der Küche. Wenn wir Kinder in Rhöndorf waren, guckten wir da gern, doch das kam nicht so oft vor. Wir selbst bekamen erst 1961 einen, bis dahin wollte mein Vater keinen haben.

Ein Renner waren damals die Willy-Millowitsch-Theaterstücke im TV. Haben Sie die auch erlebt?

Konrad Adenauer: Klar, wenn Willy im Fernsehen war, war das für uns ein besonderes Fest. Weil wir zu Hause nicht gucken konnten, sind wir Kinder zu unseren Nachbarn rübergegangen, die ein Gerät hatten. Da haben wir uns übrigens auch oft nachmittags zur „Kinderstunde“ von Ilse Obrig getroffen.

Ihr Großvater stand im Mittelpunkt des politischen Lebens. Wie haben Sie ihn im Fernsehen erlebt?

Konrad Adenauer: Bei wichtigen Ereignissen, wie bei den Bundestagsdebatten der frühen 50er, wurde uns ein Leihgerät gebracht. Dazu wurden Freunde eingeladen, und wir haben alle gemeinsam geguckt. Aber das hat uns Kinder nicht sehr interessiert. Viel mehr Spaß hatten wir zu Großvaters Geburtstag im Palais Schaumburg. Dann kamen die Kameramänner der Kino-„Wochenschau“ dazu, filmten das Geschehen und oft auch uns. Das haben wir uns später im Aki-Kino im Hauptbahnhof angesehen, in dem die Wochenschauen gezeigt wurden.

Ihre Familie gilt als sehr konservativ. Sind Sie mal – wie es Söhne ja öfter machen – vom Weg der vorherigen Generationen abgewichen? Haben Sie mal mit „Links“ sympathisiert?

Konrad Adenauer: Ich war nie links. Natürlich haben mich Ungerechtigkeiten aufgeregt, da habe ich gekämpft und mich auf der richtigen Seite gefühlt. Da war ich sehr vom Großvater beeinflusst: „SPD ist schlecht – das Gegenteil ist richtig!“ Seine Wahlerfolge und der Erfolg unseres Landes waren für uns der Beweis, dass es, so wie es war, richtig war.

Wie in Ihrer Familie üblich, haben Sie Jura studiert. Hatten Sie mal andere Studien-Wünsche?

Konrad Adenauer: Ich hätte auch gern Chemie studiert, an Chemie hatte ich schon als Kind großes Interesse. Ich war stolzer Besitzer eines „Kosmos Chemie-Experimentierkastens“ – was allerdings nicht so gute Folgen für mich hatte.

Was heißt das?

Konrad Adenauer: Ich habe als Schüler mal eine Rakete gebastelt, bei der ich dem selbstgemischten Schießpulver noch etwas roten Phosphor beigemengt hatte. Als ich das alles in einer normalen Kaffeemühle mischte, ist die hochgegangen. Ich habe mir beide Hände verbrannt, eine Woche im Krankenhaus gelegen und heute noch Narben. Danach habe ich meinen Baukasten zugeklebt und nie mehr geöffnet.

Sie sind Ihr Leben lang sehr aktiv für Köln gewesen, haben viele Verbände und Vereine gegründet und unterstützt. Hatten Sie auch Lust, in die große Politik zu gehen?

Konrad Adenauer: Mir ist von vielen Leuten dazu geraten worden, doch ohne ein passendes Studium und damit ohne Hintergrund war mir das zu brüchig. Und wenn ich im Bundestag gelandet wäre, wäre ich bestimmt immer mit dem Großvater verglichen worden, was ja auch wenig Spaß macht.

Wenn Sie durch Köln gehen und auf Spuren Ihres Großvaters treffen – ist das für Sie noch was Besonderes?

Konrad Adenauer: Ich habe immer noch das Gefühl, dass es was Besonderes ist. Bei Spaziergängen haben wir schon als Kinder von unserem Vater gelernt: „Das ist der Grüngürtel – der ist vom Großvater!“ Das wussten wir auch von den Ford-Werken, dem Niehler Hafen, dem Stadion, der Universität, der Musikhochschule und auch vom WDR, den Großvater von Münster nach Köln geholt hatte. Immer hieß es: „Das ist auch vom Großvater“.

Mal ein kleines Gedankenspiel: Wenn Ihr Großvater heute OB wäre – sähe Köln dann anders aus?

Konrad Adenauer: Aber ja, ganz anders. Er hat auch als OB immer klar gesagt, was er wollte, und was es für Folgen hätte, wenn es nicht funktionierte: „Geht nicht, gibt´s nicht!“ Wenn er morgens auf dem Weg ins Büro ein Schlagloch gesehen hätte, wäre das abends verschwunden.

Köln wird gerade von vielen Leuten stark kritisiert. Welche Meinung haben Sie zur Stadt?

Konrad Adenauer: Ich glaube, dass man in Köln gerade nicht weiß, was für die Stadt gut ist. Wir brauchen die klare Ansage: „Ja, machen wir sofort!“ Und nicht: „Ja – vielleicht mal…“ Es fehlt die Durchsetzungskraft. Ein oder eine OB muss mit starker Stimme sprechen: „Ich will!“ und „Ich will das haben. Dafür kämpfe ich, bis ich umfalle!“ Unsere Stadt muss ihre Zähne zeigen. Köln muss seinen Charakter pflegen, gegen den keiner verstoßen darf.

Bitte noch ein paar persönliche Fragen: Seit Anfang des Jahres sind Sie 80. Wie empfinden Sie das Leben im neunten Jahrzehnt?

Konrad Adenauer: Ich fühle mich nicht wie 80, doch leider ist es so. Aber ich vertraue meinen Genen: Mein Vater wurde 86, mein Großvater 91, Onkel Max wurde 93 – das sind gute Voraussetzungen.

Möchten sie noch mal 20 sein?

Konrad Adenauer: Ich hätte nichts dagegen, weil ich dann viel Leben vor mir hätte. Aber viel lieber würde ich für eine kurze Zeit in einer anderen Epoche leben – ich würde gern beim Beginn des Dombaus dabei sein oder das Lebensgefühl im Köln in den 20er Jahren erleben.

Hier mehr lesen: „Kumm joot aan, mer bruche dich“ Wer steckt eigentlich hinter den Kölner Verkehrssprüchen?

Welche Hobbys haben Sie?

Konrad Adenauer: Für mich sind Bücher wichtig. Ich lasse Hunderte von Euro in Buchhandlungen und gehe dann zu Hause in ihnen auf Entdeckungsreise und komme dabei oft vom Hölzchen aufs Stöckchen. Das Schnuppern, das Aufspüren macht mir größte Freude. Ich habe leider nicht alle Bücher, die ich habe, gelesen. Für mich war es immer wichtiger, sie zu besitzen, wie zum Beispiel die größte Goethe-Ausgabe, die es je gab – 143 Bände mit Lederrücken. Ein Nachteil ist, dass überall Bücher sind, auf dem Speicher, auf der Treppe, im Keller und im Wohnzimmer. Das findet meine Frau nicht so toll.

Wie reagiert sie?

Konrad Adenauer: Sie hat schon geklagt: „Das Haus erstickt in Büchern! Wenn du plötzlich stirbst, bin ich dem Ganzen hilflos ausgeliefert.“ Also versuche ich, Ballast abzuwerfen und hoffe, dass ich das alles vorher noch selbst schaffe. Vieles habe ich schon an die Kirche und ans MiQua-Museum gegeben.

Lassen Sie uns bitte zum Schluss auf Ihre Großmutter, Auguste Zinsser, zurückkommen, die bereits 1948 gestorben ist. Deren Leben wird in dem wunderbaren, berührenden Roman „Gussie“ von Christoph Wortberg beschrieben. Hier können Sie mal öffentlich kritisieren – gefällt Ihnen das Buch?

Konrad Adenauer: Ja, unbedingt! Ich habe erst gedacht, das bringt doch nichts, wie kann man aus diesem Leben einen Roman machen. Doch es ist ein großartiges Werk entstanden. Das Gute ist, dass sich Christoph Wortberg nicht so stark in Akten eingegraben, sondern auch ein paar eindrucksvolle Szenen erfunden hat. Sehr erfreulich ist auch, dass es ein Theaterstück zum Buch gibt. Es heißt „Ach, Gussie“, hatte im Februar in einem Stuttgarter Theater seine Uraufführung und soll bald auch ins Rheinland kommen.