Musik-Superstar Herbert Grönemeyer hat in der Philharmonie über die Entstehungsweise seiner Hits sowie die Bedeutung der Stadt Köln für seine Karriere gesprochen. Am Klavier zeigte er auch sein Können.
So entstehen seine Mega-HitsHerbert Grönemeyer verrät Geheimnisse seiner Arbeit und schwärmt von Köln

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Literaturprofessor Michael Lentz (l.) sprach am Mittwochabend (26. März 2025) mit Grönemeyer über die Entstehungsweise seiner Lieder.
Er wurde in Göttingen geboren, wuchs in Bochum auf, wohnte zwischendurch in London und aktuell wieder in Berlin. Doch auch Köln hat für Herbert Grönemeyer (68) eine ganz besondere Bedeutung. In der Domstadt gelang dem Megastar vor gut vier Jahrzehnten der Durchbruch.
Über seine Beziehung zu Köln und seine beeindruckende Karriere sprach der Sänger und Schauspieler am Mittwochabend (26. März 2025) im Rahmen der Lit.Cologne in der ausverkauften Philharmonie.
Herbert Grönemeyer vertont keine Texte, sondern vertextet Musik
Lautpoet und Literaturprofessor Michael Lentz (60) stammt gebürtig aus Düren, ist stolzes Mitglied beim 1. FC Köln und Fan der Kölner Haie. Vor einem halben Jahr hat er eine Grönemeyer-Biografie veröffentlicht. Die Karriere und die Lieder des Künstlers zerlegte er beim gemeinsamen Auftritt genüsslich. Herberts Gitarrist Jakob Hansonis (66) aus Pulheim hörte in der ersten Reihe aufmerksam zu.
Wichtigste Erkenntnis: Herbert Grönemeyer vertont keine Texte, sondern vertextet Musik. „Ich setze mich nicht ans Klavier, um zu schreiben, sondern um zu singen. Am Anfang steht mehr so ein Geklimper. Dann singe ich so vor mich hin, bis irgendwas übrigbleibt, was ich ganz schön fand.“ Erst später folgt dann die Suche nach einem Text. „Ich arbeite total chaotisch, weil ich am Anfang nie weiß, was ich will und ändere noch in der letzten Sekunde Dinge.“
Knapp 14 Jahre lebte Grönemeyer von 1979 bis 1993 in Köln und erlebte, dass die 63 Kilometer Luftlinie zwischen Bochum und der Karnevalshochburg schon viel verändern können. „Ich habe mich mit der Mentalität der Kölner rasch angefreundet. Der Kölner ist grundsätzlich fluide, der freut sich über seine Unzuverlässigkeit, das macht ihn beweglich. Das ist für uns Westfalen nicht so einfach“.
Der Dom sei ein perfektes Beispiel für die Denkweise am Rhein. „Bis heute ist der Dom weltweit das höchste Gebäude in einer Stadt, die so flach ist wie Köln“, staunte Grönemeyer. „Die Idee, immer groß zu planen, kannten wir nicht. In Westfalen haben wir das Risiko eingeschätzt und waren uns schnell sicher, dass das nichts wird. Hier gibt es kein Limit“.

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Die Philharmonie war beim Auftritt von Herbert Grönemeyer restlos ausverkauft.
So lief es auch zu Beginn seines Durchbruchs. Die ersten vier Alben floppten, die Plattenfirma trennte sich von ihm. Die EMI in Köln habe den Großhändlern trotzdem gesagt, sie würden von der nächsten Platte 20.000 Exemplare bekommen. „Der Kölner macht auch mit seinem größten Feind eine Firma auf, das stört ihn nicht, Hauptsache, die Firma läuft. Ich habe hier wahnsinnig gern gelebt, denn es kann nicht anderser sein als in Bochum. Das ist erfrischend.“
Vor seinem Durchbruch stand der Musiker auch bei der berühmten Talentprobe im Tanzbrunnen auf der Bühne. „Die Leute schrien schon, ich solle aufhören und haben mich ausgebuht. Am Ende kam Moderatorin Lotti Krekel zu mir und legte mir den Arm um die Schulter. Durch meine Zeit am Theater zuvor habe ich gelernt, stoisch durchzuhalten. Das hat mich bis heute geprägt“.
In Köln schrieb er schließlich sein Album „4630 Bochum“ mit den Mega-Hits „Männer“, „Bochum“ und „Flugzeuge im Bauch“. „Dass ich als gescheiterter Musiker aus Bochum meine erste Platte in Köln Bochum nennen wollte, fanden die bei der EMI nicht so toll, die würde ja schon in Bottrop keiner mehr kaufen“, verriet er. „Die Songs fanden sie anfangs auch nicht so gut, weil sie mich nicht verstanden“. Die Zeile „Schatten im Blick“ bei „Flugzeuge im Bauch“ sei da exemplarisch genannt.
Aber der bis dahin noch erfolglose Herbert blieb trotzig und produzierte auch noch die Erfolgsalben „Sprünge“ und „Ö“ in Köln. „Ich wollte der Musikszene in der Stadt beweisen, wer ich bin und was wir auch als Band können. Das hat mich angespornt und das liebe ich an Köln: Die Stadt treibt einen, hat Ambitionen, hier ist alles erlaubt. Plötzlich ist alles abgegangen wie Schmitz Katze.“
Als die Platten reihenweise auf Platz eins schossen, engagierte der Sänger ein renommiertes Wirtschaftsprüfungsunternehmen aus London. „Ich dachte mir, dass die Firma mir bestimmt viel Geld unterschlagen habe, bei den Summen, die plötzlich geflossen sind. Heraus kam, dass ich der EMI noch 10.000 Mark schuldete. Die Verwaltung reagierte mit dem wunderbaren Satz: ‚Den Grönemeyer, den bescheißen wir nicht‘“.
Auch wenn Millionen Menschen seine Hits auswendig mitsingen können, stand am Anfang der Songs nur eine Melodie. Der Text ist zunächst eine Fantasiesprache, die wie englisch klingt. „Bananentexte“ nennt Grönemeyer diese Lautmalerei. Am Beispiel von „Der Weg“, „Stück vom Himmel“ oder „Zum Meer“ demonstrierte er, wie die Lieder anfangs klangen. „Musik schreibe ich gerne den ganzen Tag, Texte nicht so gerne“, gestand er.

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Publikumsliebling und deutscher Mega-Star. Herbert Grönemeyer am 27. Mai 2023 beim Auftritt in der Lanxess-Arena.
Für Fans hatte er spannende Details parat. „Wir nehmen die komplette Platte immer ohne Text auf. Als ‚Mensch‘ schon im Radio lief, war der Rest des Albums noch gar nicht getextet. Das Lied ‚Demo (Letzter Tag)‘ heißt beispielsweise so, weil ich erst in der Nacht vor der Abgabe den Text geschrieben und eingesungen habe. Mit dem Titel ‚Demo‘ wollte ich signalisieren, dass es nicht ernst gemeint ist. ‚Kinder an die Macht‘ hieß in der Produktion noch ‚I was born in LA‘“.
Lentz sezierte genüsslich die „Bananentexte“ und versuchte einen tieferen Sinn darin zu finden. An die Stelle der Fantasiesprache muss im letzten Schritt ein Liedtext gesetzt werden, erfährt das Publikum. „Der Text muss in die Melodie gedengelt werden, auf Teufel komm raus, beispielsweise durch Tonbeugungen“. Dadurch entstehe dann auch die für Grönemeyer oft typische Unverständlichkeit.
Herbert Grönemeyer: Unplugged-Album im Herbst, neue Platte 2026
„Wenn die Musik nicht so wäre, wie sie wäre, würden die Texte nicht diese Wirkung haben“, sagte der Künstler. „Man muss zwischendurch die Leute mit einem komischen Satz oder komischen Wort aufwecken, damit es spannend bleibt. Es ist auch wichtig, dass sich manche Stücke nicht beim ersten Hören erschließen, dass man sie entdecken muss“.
Zum Abschied hatte Grönemeyer für seine Fans noch ein paar Neuigkeiten. Im Herbst kommt passend zu den Unplugged-Konzerten noch ein Akustik-Album mit den Hits ab 1995. Parallel arbeitet er schon an einer neuen Platte, die 2026 erscheinen soll. Für das begeisterte Publikum stimmte er schließlich noch „Stääne“ von den Klüngelköpp und zum Abschluss sein Lied „Tau“ an. Danach schrieb er noch lange geduldig Autogramme im Foyer.