Tanz-Skandal im Kölner KarnevalPhysiotherapeut redet Klartext
Köln – Die offenbar schlimmen Zustände bei den Kölner Rheinveilchen – sie sind derzeit in aller Munde. EXPRESS fragte bei Physiotherapeut Wilfried Wiltschek nach.
Er muss es wissen: Seit Jahren behandelt er ehrenamtlich sämtliche Tanzgruppen und Künstler im Kölner Karneval. Ihm vertrauen die Tänzerinnen, erzählen auch, was hinter den Kulissen passiert.
Kölner Karneval: Viele Tanzgruppen halten sich an medizinische Regeln
Er sagt im EXPRESS-Gespräch: „Über den aktuellen Fall möchte ich mich nicht öffentlich äußern.“ Wohl aber über das generelle Phänomen Tanzen im Kölner Karneval. „Wichtig ist, dass es sehr viele Tanzgruppen gibt, die sich an Regeln halten. Das ist kein generelles Problem.“
Tanzmariechen erleiden Spätfolgen
Doch Wiltschek sagt unumwunden. „Manchmal liegen bei mir Fälle auf der Bank, wo ich nur den Kopf schütteln kann.“ Blaue Flecke, Bänderrisse, Magersucht – hier schreitet er regelmäßig ein. „Klar, ich kann mit einer speziellen Tape-Technik dafür sorgen, dass die Mädels auch mit Bänderriss weiter tanzen können. Da ist die Frage: Will ich das? Was bleiben für Spätfolgen über?“
Kölner Karneval: Essstörungen an der Tagesordnung
Die Patientinnen seien teilweise minderjährig. Genau dort sieht er das Problem. „Der Druck in einigen Tanzgruppen ist enorm. Durch ständige Wiegekontrollen bekommen die Mädchen Essstörungen. Sie trinken und essen zu wenig. So entsteht ein gefährlicher Strudel und endet meist im Bereich Magersucht.“
Kölner Karneval: Tanzen ist eine Sucht
Tanzen im Kölner Karneval ist vielfach Ehrenamt. Viele Unbeteiligte fragen sich: Warum tun sich die Tanzmaries trotz schwerster Repressalien diesen Job überhaupt an?
Wiltschek: „Das Tanzen ist eine ganz eigene Welt. Es ist eine Sucht. Denn beim Tanzen auf der Bühne werden vermehrt Endorphine ausgeschüttet. Diesen Kick braucht man nach einiger Zeit einfach.“ Seine bittere Bilanz: „Einige Mädchen würden auch mit Tränen in den Augen tanzen.“
Das Thema Gewicht möchte der Experte aber differenziert einstufen. „Fernab des Magerwahns ist es aber auch wichtig, Mädchen zu schützen.“
Tanzmaries, die etwas fülliger seien, würden sich mit vielen Sprüngen keinen Gefallen tun und ihr Knochenkorsett schädigen. „Und es gibt ja auch noch Jungs, die die Maries auffangen müssen.“
Der Physiotherapeut: „Man muss das immer von Einzelfall zu Einzelfall sehen und als Trainer sensibel darauf reagieren. Denn jeder Mensch ist anders gebaut und gestrickt. Da kommt es auf die feine Abwägung an.“