Konzerte in Zeiten der Krise: 100 Tage nach der Wiedereröffnung spricht Stefan Löcher, Chef der Kölner Lanxess-Arena, im EXPRESS.de-Interview über Schicksale, Herausforderungen und den bevorstehenden Herbst.
„Schlaflose Nächte und Symbolpolitik“Emotionale Worte: Chef der Kölner Lanxess-Arena haut auf den Tisch
Schwierige Zeiten liegen hinter Deutschlands größter Multifunktionshalle: Corona hat auch der Kölner Lanxess-Arena schwer zu schaffen gemacht. Wie sieht der Rückblick aus? Was erwartet Hallenchef Stefan Löcher für den Herbst? Darauf gibt er in unserem Interview Antworten.
Herr Löcher, wie steht es um ihre Laune?
Stefan Löcher: Aktuell sehr gut. Rückblickend waren es ja nicht nur die drei Phil Collins-Konzerte, die super waren. Die ersten 100 Tage nach der zweijährigen Sperre waren sehr intensiv, aber auch wirklich schön. Ganz aktuell ist ein Megastar nach dem anderen bei uns.
Dua Lipa mit einer wahnsinnigen Show, Alicia Keys hat die Arena gerockt, ESL Games oder 50 Cent. Was magisch war, war Queen, wo Freddy Mercury in Videos integriert wurde. Sie selbst haben gesagt, das Köln für sie noch einmal besonders war.
Das ging alles reibungslos? Denn nach der Krise musste ja erst einmal wieder hochgefahren werden?
An der ein oder anderen Stelle war es eine Herausforderung für das gesamte Team, wo wir auch den Zuschauerinnen und Zuschauern danken müssen, dass sie Verständnis hatten. Wir haben aber zum Glück alles gestemmt. Insbesondere die Gastronomie haben wir trotz großer Personalknappheit meistern können, auch wenn uns das Thema weiterhin begleitet.
Und auch wichtig war, dass wir es immer geschafft haben, dass die Bühne rechtzeitig aufgebaut war. Denn auch bei Busfahrern, Technikpersonal und Co. gibt es nach wie vor riesige Engpässe. Nach wie vor ist die Branche enorm betroffen.
Wie haben Sie die Stimmung erlebt nach der Wiedereröffnung?
Wenn man es so lapidar formulieren darf: Die Leute haben wieder richtig Bock darauf, zu Konzerten zu gehen. Einen Abend die Probleme vergessen und abschalten – das hat man immer wieder gehört.
Und die Menschen haben Vertrauen in die Lanxess-Arena, was das Thema Frischluft angeht. Ich werde da nicht müde, zu betonen, dass unsere Luft dank modernster Technik binnen Minuten ausgetauscht ist.
Hand aufs Herz: Hatten Sie schlaflose Nächte?
Davon hatte ich unzählige. Denn es ging ja auch um viele persönliche Bindungen und Freundschaften. Da macht man sich natürlich seine Gedanken: Wie geht es weiter mit dem KEC? Was machen die Doppelbelegungen?
Mit Sicherheit haben Sie die Schicksale ihres Personals auch nicht kalt gelassen?
Ein riesiger Punkt. Da kommt jeder anders aus der Krise. Einige haben auch verständlicher Weise noch mit den Auswirkungen zu kämpfen. Da geht das Team aber behutsam mit um, sodass jeder und jede Zeit hat, wieder integriert zu werden.
Aber es gab in der Kurzarbeiterzeit viele Schicksale, wo Mitarbeiter teilweise ihre Miete nicht zahlen konnten. Da haben wir in Einzelfällen natürlich geholfen und nach Lösungen gesucht.
Hat Sie die Krise menschlich verändert?
Ja, das kann man sagen. Insbesondere die psychische Belastung der Menschen. Man denkt noch mehr an seine Mitarbeiter und sein Team. Wir sind noch enger zusammengerückt. Jeder ist ein Stück vom Ganzen, egal auf welcher Ebene. Heutzutage ist dieser extreme Hierarchie-Gedanke einfach nicht mehr zeitgemäß. Egal ob an der Spüle in der Küche oder im Management – wir arbeiten alle dafür, um die Menschen und unsere Gäste glücklich zu machen.
Die Krise ist noch nicht vorbei. Aber wagen Sie doch für uns eine kleine Prognose!
Ich glaube nach wie vor total an Live-Entertainment, denn andere Branchen hat es noch mal mehr getroffen, die sich auch sehr wandeln mussten. Zum Beispiel sind Geschäftsreisen deutlich weniger geworden. In unserem Bereich sind wir gut aufgestellt. An dieser Stelle noch einmal ganz klar: Unsere Branche wird das meistern:
Wir haben die Hygiene, wir haben die Frischluft und wir können auch gerne 3G machen. Es darf aber keine Kapazitätsgrenzen mehr geben. Vor allem, weil sie nach allen uns vorliegenden Ergebnissen nichts bringen. Das ist reine Symbolpolitik, das muss endlich ein Ende haben. Wir können nicht im dritten Jahr das Gleiche wie die zwei Jahre vorher machen. Damit würde eine ganze Branche endgültig demontiert und der Raum für eine nachvollziehbare kontrollierte Begegnung wieder beschnitten. Nach wie vor glaube ich, dass Veranstaltungen in dieser Zeit, die uns ja noch etwas länger begleiten wird, ein Teil der Lösung, ein Teil der „neuen Normalität“ sein müssen.
Kapazitätsgrenzen bringen nichts?
Da verweise ich gerne auf den Evaluierungsbericht: Es gab Länder mit und Länder ohne Grenzen. Im Endeffekt hat man gesehen, dass eine Grenze nicht ansatzweise etwas gebracht hat. Die Kollateralschäden sind viel größer gewesen.
Das bedeutet: Volle Hallen für den Herbst?
Wenn es nach mir geht, ja. Wenn wir ehrlich sind, sind wir in Deutschland ein Land des Jammerns und der Angst. Natürlich gibt es aktuell nicht viel schön zu reden: Krieg, Corona, Inflation sind riesige Themen. Aber wir müssen da rauskommen. Man weiß seit langem wie wichtig Begegnung, Spaß, gemeinsame Freude für die Menschen gerade in Krisenzeiten sind.
Aber ich glaube, wir müssen anpacken, aus dieser Angst raus. Wir müssen an die Zukunft glauben. Nicht hinlegen, anpacken. Das werden wir als Team in den kommenden Wochen versuchen, anzugehen. Das fällt nicht jeden Tag einfach, aber wir wollen es im Sinne unserer Gäste noch stärker denn je anpacken.