„Ganze Branche verunglimpft“Kölner Fleischer nach Tönnies-Ärger mit deutlicher Ansage
Köln – Der massive Corona-Ausbruch bei der Firma Tönnies in Rheda-Wiedenbrück wirft ein schlechtes Licht auf die gesamte Fleischbranche. Auch Kölner Kunden sind verunsichert. Die Fleischwarenproduzenten der Stadt öffnen nun für EXPRESS ihre Türen. Sie wollen zeigen, was sie von Großbetrieben wie Tönnies unterscheidet. Und dass die Verbraucher ihnen vertrauen können.
Köln: Auswirkungen des Tönnies-Skandals auf Kölner Fleischbranche
„Wir arbeiten nicht in der Größenordnung der Firma Tönnies, wir sind hier gerade einmal 34 Angestellte“, erklärt Geschäftsführer Josef Schlömer von der Fleischwarenfabrik Jupp Schlömer GmbH in Rodenkirchen.
Er wolle Clemens Tönnies keine Vorwürfe machen, doch hier werde eine ganze Branche verunglimpft. Schlömers Fleischwarenfabrik sei völlig anders aufgestellt. Schlömer führt das Unternehmen bereits in der dritten Generation. Die Metzger-Ausbildung hat er bei seinem Vater gemacht.
Seit 90 Jahren gibt es die Kölner Fleischwarenfabrik schon. „Wir sind ein familiengeführtes Unternehmen. Ich sitze nicht im Büro und zähle das Geld, ich stehe jeden Tag neben meinen Mitarbeitern am Tresen und zerlege mit ihnen zusammen das Fleisch“, sagt Josef Schlömer.
Köln: Jupp Schlömer zerlegt Fleisch aus der Eifel
Geschlachtet wird in Köln schon seit Jahrzehnten nicht mehr. „Ich sehe nicht, dass wir in Köln jemals wieder einen Schlachthof bekommen“, erklärt Artur Tybussek von der Fleischer-Innung Köln. Daher komme das Fleisch nie direkt aus Köln. Auch Metzger Josef Schlömer und seine Mitarbeiter bekommen die Rinder schon tot aus der Eifel geliefert.
Regionale Zulieferer: Rinder aus der Eifel, Schweine aus Olpe
Die Schweine kommen aus Olpe. In der Kölner Fabrik wird das Fleisch von ihm und seinen Mitarbeitern zerlegt und verarbeitet. In Rodenkirchen können Kunden das Fleisch im eigenen Laden direkt abkaufen.
Schlömer und sein Team beliefern keine Supermärkte, aber den Handelshof und die Metro. Vor der Corona-Krise hat die Firma Schlömer viele Restaurants in Köln beliefert. Dieser Markt ist nun stark zurückgegangen.
Kölner Kunden nach Coronavirus-Ausbruch bei Tönnies verunsichert
„Seitdem der Tönnies-Ausbruch in den Medien ist, haben wir hier jeden Tag Kunden, die uns dazu Fragen stellen“, erklärt Josef Schlömer. „Die Kunden finden das schlimm. Wir erklären ihnen dann, wie und warum das passiert ist“, so Schlömer. Verunsicherte Kunden erlebt auch Schlömers Konkurrenz.
„Die fleischverarbeitende Industrie wird in Kollektivhaftung genommen“, erklärt ein Sprecher der Kölner Firma GS Schmitz Wurst und Fleisch. Trotzdem sehe er die Krise auch als Chance für das beste Fleisch.
„Nachhaltige Schweinekonzepte, die in unserem Unternehmen bereits seit mehreren Jahren konsequent vorangetrieben werden, werden Aufschwung erhalten und Prozesse beschleunigt“, so die Firma Schmitz dazu. Auch die Hardy Remagen GmbH hat mit den besorgten Kunden zu kämpfen.
„Man schmeißt uns mit riesigen Konzernen in einen Topf“
„Man schmeißt einen Giganten und riesigen Konzern wie Tönnies und nun aktuell Wiesenhof mit uns in einen Topf“, erklärt Frank Remagen, Geschäftsführer der Hardy Remagen GmbH in Hürth. Er bemerke sehr deutlich: „Hier wird eine ganze Branche verunglimpft“, so Remagen.
Kleine mittelständische und familiengeführte Unternehmen wie seines, würden jedoch in völlig anderen Strukturen arbeiten – mit Herzblut.
Remagen: „Stolzer Bundesliga-Lieferant, doch da geht momentan keiner hin“
Auch seine Firma habe bisher hauptsächlich Gastronomien in er Region beliefert. Deswegen tut uns das Corona-Geschehen momentan sehr weh“, sagt Remagen.
„Wir sind außerdem stolzer Lieferant von sechs Bundesliga-Clubs, das ist schön, da geht nur im Moment keiner hin“, so Remagen über die aktuelle Lage des Unternehmens.
„Preisgefüge ist total aus dem Ruder gelaufen, das Fleisch ist zu billig“
Metzger Josef Schlömer findet das Fleisch im Supermarkt selbst zu günstig.
„Wenn ein 100-Gramm-Döschen Tiernahrung 1,39 Euro kostet, sind das im Kilo 13,90 Euro. Daneben liegt dann ein Stück Schweinefilet für 5,99 Euro. Das kann von der Wertigkeit her nicht stimmen. Das Preisgefüge ist total aus dem Ruder gelaufen. Das Fleisch ist zu billig“, man habe es hier schließlich mit Lebewesen zu tun, die aufgezogen und geschlachtet wurden, findet Schlömer.
„Viele verwechseln gerade die Fleischindustrie mit dem Fleischhandwerk“
„Viele verwechseln gerade die Fleischindustrie mit dem Fleischhandwerk“, das seien aber zwei völlig verschiedene Dinge, erklärt Artur Tybussek von der Fleischer-Innung Köln die Gesamtsituation der Branche.
Auch er bestätigt, durch das Coronavirus haben sich die Hygienemaßnahmen bei den Kölner Traditionsunternehmen nicht extrem verändert. Denn Schutzkleidung und Desinfektionsmittel gehörten für die Fleischer auch vorher schon zum Alltag.
Metzger: „Wir gehen nicht zum Friseur und auch sonst nirgendwohin“
Jetzt gilt es jedoch vor allem den vorgeschrieben Abstand einzuhalten. Teilweise arbeiten die Metzger auch in Kleingruppen, um sich im Infektionsfall isolieren zu können, ohne den ganzen Betrieb lahm zu legen.
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Bei Josef Schlömer machen die Mitarbeiter nach Feierabend nicht von Lockerungen Gebrauch, um den Familienbetrieb nicht in Gefahr zu bringen. „Wir gehen nicht zum Friseur und auch sonst nirgendwohin“, so Mitarbeiter Jürgen Buhr konsequent.
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Bei der 1911 gegründeten Kölner Firma GS Schmitz Wurst und Fleisch machen die Angestellten am Arbeitsplatz aktuell sogar Physiotherapie und Intervall-Übungen, um sich fit zu halten.
Es gibt ein Yoga-Angebot und einen Chauffeurdienst für Mitarbeiter in der Spätschicht. In ihrem Konzept sieht sich die Firma darin bestätigt, weiterhin auf eine nachhaltige Fleischverarbeitung zu setzen.