„Hallöööchen!"Weil er muss: Travestie-Star heuert in Kölner Supermarkt an
Köln – Scannen statt singen, tippen statt tanzen: Der Kölner Travestie-Star Sophie Russel (51) hat die Bretter, die die Welt bedeuten, mit der Supermarkt-Kasse bei Rewe am Eigelstein getauscht. Dort sitzt sie ab sofort zweimal in der Woche, zieht die Waren über den Scanner und kassiert.
„Mir ist zu Hause die Decke auf den Kopf gefallen“, erzählt sie dem EXPRESS. Denn wie die meisten Kulturschaffenden ist auch Sophie Russel, die wegen ihrer „pfundigen“ Erscheinungen sowohl im „Scala“-Theater als auch auf der Volksbühne stets gefeiert wird, zurzeit beschäftigungslos.
Rewe am Eigelstein in Köln: Neuer Job für Sophie Russel
Wie gut, dass der Travestie-Star, der seit 15 Jahren direkt am Eigelstein wohnt, Rewe-Marktleiter Udo Ridders gut kennt. „Udo sagte spontan: ,Wenn du dich nützlich machen willst, setze dich zweimal in der Woche bei uns an die Kasse“, erzählt Sophie.
Der erste Einsatz war gleich eine Feuertaufe, wie der EXPRESS miterleben konnte. Denn die Neu-Kassiererin musste um 12 Uhr mittags ran. Und da ist beim Markt am Eigelstein Rushhour.
Die Angestellten aus den umliegenden Büros und Geschäften strömen in der Mittagspause in den Laden, um Snacks und sonstige Verpflegung zu kaufen.
Kölner Scala-Star jobbt jetzt bei Rewe am Eigelstein
Klar, dass es sich bei Sophie knubbelte. Rewe-Mitarbeiter Sascha, der Sophie Russel in den neuen Job einwies: „Sie macht das schon sehr gut. Aber damit das richtig fluppt und flott vorangeht, braucht man schon drei bis vier Wochen.“
So lange will die Travestie-Künstlerin in jedem Fall durchhalten: „Ich habe zwar noch einen Vertrag beim „Scala“, aber andere Termine sind bis ins neue Jahr komplett gestrichen.“
Sophie hier, Sophie da: Die Revue-Künstlerin hat auch bei dem Song „Soloselbstständiger“ mitgemacht, den sich ihr Kollege Markus Dietz (55) ausgedacht hat.
Als hätte er Sophies Vorhaben geahnt, heißt es im Text zur Melodie von „Du bess Kölle“: „Gestern auf der Bühne, heute am Band.“
Corona und die Kultur: Kölner Theater-Stars nehmen Protest-Song auf
Mitgemacht haben unter anderem Kingsize Dick, Gigi Herr, Katja Baum und Natascha Balzat („Kölsch ist Trumpf“), Jupp Menth, Hilde Schmitz und Malte Fuhrer.
Dietz, der in vielen Wally Bockmayer-Stücken spielte, zum EXPRESS: „Das ist nicht der x-te Corona-Song, sondern wir stellen einfach mal fest, dass uns gerade die Existenz unter den Füßen weggezogen wird.“
Er selbst ist das beste Beispiel: Seit Ausbruch der Pandemie im Frühjahr hatte er kein einziges Engagement. „Bis Mitte Dezember bekomme ich noch Arbeitslosengeld. Was dann kommt? Ich weiß es nicht.“
Existenz-Ängste in der Kultur-Szene: NRW-Ministerin sprach von Extrawurst
Und was sagt NRW-Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen, die eigentlich für Dietz und & Co. zuständig ist, zu solchen Schicksalen? „Die Kultur muss aufpassen, dass sie nicht immer eine Extrawurst brät“, meinte sie vor ein paar Tagen. Diese Wortwahl hat sie jedoch inzwischen bedauert und würde sie nicht noch einmal verwenden.