Untreue-ProzessHat sich der Kölner Strippenzieher Rolf Bietmann (62) verheddert?
Köln – Er galt als Strippenzieher der Kölner Wirtschafts- und Politikszene. Doch hat sich der ehemalige Bundestagsabgeordnete Prof. Dr. Rolf Bietmann (62, CDU) in diesem Fall verheddert?
Am Freitag musste Bietmann in Saal 112 des Kölner Landgerichts auf der Anklagebank Platz nehmen. Nicht als Rechtsanwalt, der er ist, sondern als Beschuldigter – der Beginn eines Mammutprozesses, auch zwei mutmaßliche Komplizen sind angeklagt. Es geht um die umstrittenen Beraterverträge mit der Sparkasse KölnBonn und Untreue in Millionenhöhe.
Kritik an langer Verfahrensdauer
Doch um die Vorwürfe ginge es zunächst nicht, meinte Bietmanns Verteidiger Dr. Sven Thomas. Der Jurist kritisierte die lange Verfahrensdauer, denn die Anklage wurde bereits im Jahr 2013 verfasst. „Das kann nicht mit rechten Dingen zugegangen sein“, sagte Thomas. Bietmann selbst hatte im Vorfeld von einer „Phantomverhandlung“ gesprochen.
Das Kölner Zivilgericht habe ihn in einem früheren Verfahren längst entlastet. Entsprechend selbstsicher trat der frühere Kölner CDU-Fraktionsvorsitzende im Gerichtssaal auf. Bietmann lachte mit seinem Verteidiger, schien zuversichtlich.
320-seitige Anklageschrift
Ist sich Bietmann zu sicher? Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft umfasst 320 Seiten und listet 43 Zeugen auf. 67 Prozesstage hat die Vorsitzende Richterin Dr. Marion Slota-Haaf bis zum 22. Dezember angesetzt. Vor der 19. Großen Strafkammer soll zweimal pro Woche verhandelt werden.
Die Vorwürfe betreffen auch den ehemaligen Sparkassen-Vorstand Gustav Adolf Schröder. Gegen diesen soll gesondert verhandelt werden, weil Schröder muss sich bald vor dem Landgericht ohnehin einem weiteren Verfahren aus dem Sparkassen-Komplex stellen muss.
Die Vorwürfe: In ihren Funktionen als Vorstandsvorsitzender und Vorsitzender des Verwaltungsrates der Sparkasse KölnBonn sollen sich Schröder und Bietmann der Untreue schuldig gemacht haben, wie Staatsanwalt Arne von Boetticher vortrug.
Konkret geht es hierbei um ein Darlehen von vier Millionen Euro, das die Sparkasse der Immobilienfirma GWG gewährt haben soll, an der Bietmann beteiligt war.
Umstrittener Beratervertrag
Der Kredit wurde laut Anklage durch einen Beratervertrag bedient, den Bietmanns GWG mit einer Tochterfirma der Sparkasse mit Namen Projecta geschlossen hatte. Laut Staatsanwaltschaft eine Art Scheinfirma, um der Rechnungslegungspflicht der Sparkasse zu entgehen.
Ohne eine Gegenleistung zu erhalten, sollen so 591.000 Euro an die GWG geflossen sein. Die Sparkasse hätte demnach den von ihr gewährten Kredit selbst abgezahlt...
Besagte GWG soll darüberhinaus selbst einen Kredit in Höhe von 1,4 Millionen Euro gewährt haben. Und zwar an den eigenen Gesellschafter Rolf Bietmann.
Weil der GWG aber eine Pfändung durch den Landkreis Gera drohte und demnach möglich erschien, dass Bietmann dort seinen Kredit tatsächlich begleichen müsste, wurden die Ansprüche laut Anklage Ende 2005 kurzerhand auf die Sparkasse KölnBonn übertragen.
Bietmann hätte demnach nun Raten an die Sparkasse zahlen müssen. Tat er aber nicht, sagt die Staatsanwaltschaft. Zunächst soll er erreicht haben, dass die Kreditsumme um 400.000 Euro reduziert wird.
Die restliche Million sollte dann im Rahmen eines Beratervertrages abgegolten werden, der im Oktober 2005 geschlossen wurde. Vier Jahre lang sollte Bietmann so monatlich 25.000 Euro erhalten.
Vertrag abgeändert
Als Gegenleistung sollte Bietmann einen Untermieter für die Messehallen in Deutz (Projekt Rheinpark) finden. Im Laufe des Jahres 2006 zog laut Anklage aber ohne Bietmanns Zutun ein Untermieter ein.
Der Beratervertrag, der nun eigentlich obsolet war, soll daraufhin abgeändert worden sein. Bietmann solle demnach „anwaltliche und kommunikative Dienstleistungen“ erbringen. Gläubigerbenachteiligung nennt die Staatsanwaltschaft diesen Vorwurf.
Der Fall kam ins Rollen, als Gustav Adolf Schröder als Vorstandsvorsitzender abgelöst wurde. Der danach amtierende Sparkassenchef Dietmar Binkowska bat Bietmann, den dubios erscheinenden Beratervertrag aufzulösen.
Bietmann stimmte laut Anklage zu, allerdings gegen eine Ablöse von 300.000 Euro, die ihm die Sparkasse gewährte. Für die Staatsanwaltschaft ein Grund, wegen Untreue zu Lasten der Sparkasse auch gegen den neuen Vorstand zu ermitteln. Die Verfahren endeten mit Geldstrafen per Strafbefehl. Bietmann wird hier Beihilfe vorgeworfen.
Mit einer neu gegründeten GbR sollen Bietmann und ein Geschäftspartner darüberhinaus ein Grundstück in Gera von ihrer eigenen Firma GWG angekauft und es dieser später für einen marktunüblichen überhöhten Betrag von 454.000 Euro wieder verkauft haben. Der Vorwurf hier: Untreue zum Nachteil der Firma GWG. Dieser Fall könnte aber bereits verjährt sein.
Bietmann schüttelt den Kopf
Während der Verlesung der Anklage, die eine Stunde dauerte, schüttelte Rolf Bietmann immer wieder den Kopf. Dass die Fälle erst jetzt verhandelt werden, läge an fehlenden Kapazitäten und vorrangig bearbeiteten Haftsachen beim Landgericht, was dazu führte, dass die Akte fast vier Jahre liegenblieb, so das Gericht. Ein Umstand, der Bietmann bei einer möglichen Verurteilung strafmildernd angerechnet werden dürfte.
Bietmanns Rechtsanwalt kündigte nach Anklageverlesung eine Besetzungsrüge an. Demnach wäre die Vorsitzende Richterin Dr. Marion Slota-Haaf gar nicht zuständig. Im Vorfeld der Verhandlung hatten die Verteidiger bereits mit der Staatsanwaltschaft eine mögliche Einstellung von Fällen ausgelotet. Dazu kam es aber nicht.