Sogar die Spieler des 1. FC Köln kennen ihn mittlerweile. „Da isser“, heißt es bei Impfaktionen in der Stadt, wenn Dr. Jürgen Zastrow erscheint, um loszulegen. Im EXPRESS-Interview erklärt der Impfpapst, wie er auch mal abschalten kann und spricht über seine emotionalsten Pandemie-Momente.
Kölns „Mister Corona“ privat:Impfarzt schildert emotionale Pandemie-Momente
Köln. Durch seine öffentlichen Rollen als leitender Impfarzt, Chef der KV-Nordrhein und HNO-Arzt ist Jürgen Zastrow für viele mittlerweile Kölns „Mister Corona.“ Doch nicht alleine, sondern zusammen mit zehn weiteren Impfärzten managt er seit über einem Jahr die Pandemie in Köln. Im Interview mit EXPRESS spricht Jürgen Zastrow darüber, wie einschneidend das Coronavirus sein Privatleben verändert hat.
Herr Zastrow, wann haben Sie 2020 gemerkt, dass Corona unser aller Leben und Ihr eigenes radikal verändern wird?
Jürgen Zastrow: Beim ersten Krisentreffen in der Bibliothek vom Kölner Gesundheitsamt – das muss in der ersten März-Woche 2020 gewesen sein. Ich saß dort mit Johannes Nießen (Leiter des Gesundheitsamts, d. Red.), den ich damals nicht gut kannte und mit dem ich inzwischen befreundet bin – und uns wurde schlagartig klar, was für eine Katastrophe mit diesem Coronavirus auf uns zukommt und das Lachen ist mir erstmal vergangen. Plötzlich lagen Menschen auf Intensivstationen. Das war vorher bei anderen Grippe-Epidemien nicht so. Und dann wurde relativ bald auch schon fleißig gestorben. Uns war klar: 'Houston, wir haben ein Problem.'
Plötzlich hatten Sie in Köln noch mehr Verantwortung – wurde Ihnen das nie zu viel?
Nein. Ich bin ein klassischer 'Macher' und ich setze um, was andere mir sagen. Gebt mir eine Aufgabe und die wird erledigt. Dom versetzen? Könnte ein bisschen dauern, kriegen wir aber hin.
Was ich nicht gut ausgehalten habe, waren Patienten in meiner Praxis, die weinend vor mir saßen, als ich sie geimpft hatte. Die sagten mir unter Tränen, dass ich ihnen damit das Leben gerettet hätte – das waren die emotionalsten Pandemie-Momente für mich.
Gab es Momente, in denen Sie selbst Angst vor dieser Krankheit und um Ihre Familie hatten?
Ich bin mit einer Italienerin verheiratet und der einzige Deutsche bei uns (lacht) – alle anderen haben einen italienischen Pass. Wir haben drei Kinder: zwei Jungs (26) und (25) und eine Tochter (21). Mein mittlerer Sohn wohnte noch bei uns und leidet an einer Behinderung, was die Situation damals auch nicht einfacher gemacht hat.
Als das 2020 losging, haben wir natürlich Angst gehabt und ich bin zu Hause umgezogen. Wir haben eine größere Wohnung mit zwei Etagen und ich habe dort von meiner Familie getrennt geschlafen und gegessen. Wir haben uns zwar gesehen, aber immer geschützt und sind uns sechs Wochen lang nur mit großem Abstand begegnet. Mehr Normalität kam dann erst später.
Wie viele Impfungen haben Sie als Kölner Impf-Papst schon durchgeführt?
Ich selbst habe bisher um die 4000 Impfungen durchgeführt. Ich schaffe 40 Impfungen in der Stunde, wenn ich gut gelaunt bin und alles gut organisiert ist. Das Aufziehen der Ampullen dauert etwas, da brauche ich aber mittlerweile nur noch etwa fünf Minuten. Bei der Impfaktion beim 1. FC Köln am Sonntag habe ich nur Ampullen aufgezogen, weil ich mittlerweile einer der Schnellsten bin.
Oft haben Sie in dieser Funktion 16-Stunden-Tage. Wie schalten Sie danach ab?
Wenn ich das, was ich tue, nicht lieben würde, dann könnte ich es so nicht machen. Mein Privatleben ist im Moment mein Beruf. Ich bedauere, dass ich meine Freunde zu wenig sehe. Aber, was ich mir leiste ist, dass ich jeden Mittwoch mit meinen Freunden in unserer Kneipe Skat spiele. Und ich mache jeden Dienstag Yoga. Meine Frau und ich haben keine privaten Verabredungen mehr. Ich nutze die freie Zeit, die ich habe, um in unserem Garten zu werkeln. Das gibt mir Kraft.
Hat man Sie am Sonntag auch beim 1. FC Köln als „Mister Corona“ erkannt?
Ich bin großer FC-Fan und da gab es tatsächlich einen lustigen Moment. Bei der Impfaktion am Stadion stand ein FC-Spieler in großer Entfernung – es könnte Florian Kainz gewesen sein – und er hat plötzlich gerufen: „Komm mal rüber!“ Ich: „Warum?“ FC-Spieler: „Autogramme!“ Da stand gerade ein Journalist neben mir und ich sagte zu ihm: „Der verarscht mich doch, oder?!“ Er stimmte mir zu. Und dann habe ich dem Spieler zugerufen: „Du kannst ja mit meinem Namen unterschreiben!” und alle haben gelacht.