Der Platz der KinderrechteDie ergreifendste Aussage, die je in Köln gesprüht wurde
Köln – Es war eine Geste des Respekts und der Anerkennung: Die Namen aller jemals im Kölner Waisenhaus und Kinderheim aufgenommenen Kinder sind in einem 2013 von der Stadt Köln herausgegebenen Buch über die bewegende Geschichte des Ortes aufgeführt – es sind 22500. Das zeigt die Dimensionen.
Das Buch ist das eine. Das andere ist die Gestaltung und der Kampf um das Areal des ehemals größten Kinderheims Europas, das an der Waisenhauskirche in Köln-Sülz stand.
Die von den Architekten Anja Ohliger und Ulrich Beckefeld (osa Frankfurt/Wien) konzipierte Erinnerungsstätte bleibt in den Augen vieler Ehemaliger des Kinderheims wie Peter Halberkann und Klaus Grube unvollendet, wenn der zentrale Platz an der Kirche nach dem ehemaligen Kölner Oberstadtdirektor Heinz Mohnen benannt bleibt (Lesen Sie hier mehr)
Mehrere Ehemalige haben sich in der Zwischenzeit persönlich an die Lindenthaler Bezirksbürgermeisterin Helga Blömer-Frerker (CDU) gewandt und die Politik aufgefordert, die übereinstimmend als fahrlässigen Fehler betrachtete Namensgebung zu korrigieren.
Helga Blömer-Frerker erklärte gegenüber EXPRESS, beim Beschluss von 2011, den Platz nach Heinz Mohnen zu benennen, bleiben zu wollen. Sie sei sich dabei mit den verschiedenen Fraktionen in der Bezirksvertretung einig (in der sitzen neben Vertretern der CDU Politiker von SPD, Grüne, Die Linke, FDP). Der 1966 zum Oberstadtdirektor gewählte Heinz Mohnen war SPD-Mitglied (Lesen Sie hier: Heimkind Walter und Mohnens bestürzender Brief)
Architekt Ulrich Beckefeld plädiert für Umbenennung des Heinz-Mohnen-Platzes
Mit der Haltung bleibt die Bezirksvertretung, die eine „Entehrung“ Heinz Mohnens verhindern will, auf Konfrontationskurs. Allerdings gibt es auch Vorschläge, parallel zu einer Umbenennung in Sülz einen geeigneten anderen Ort zur Würdigung von Heinz Mohnen zu finden - beispielsweise am Eingang zur Rheinseilbahn am Zoo. Die Zoobrücke war in Mohnens Amtszeit eingeweiht worden.
Auch einer der Gestalter der Erinnerungsstätte äußert jetzt seinen klaren Standpunkt. Architekt Ulrich Beckefeld (53) erklärte gegenüber EXPRESS: „Wir würden eine Umbenennung gerade des zentralen Platzes an der Kirche in Platz der Kinderrechte sehr begrüßen.“
Es reiche nicht aus, nur den abseits gelegenen Teil des Platzes, (der noch dazu an einer stark befahrenen Straße liege) so zu benennen. Das wäre keine zufriedenstellende, der Bedeutung des Ortes und der Bedeutung von Kinderrechten angemessene Lösung. „Für die Stadt Köln ist das natürlich eine schwierige Situation.", so Beckefeld.
Der Architekt erläuterte EXPRESS das beeindruckende Konzept der Erinnerungsstätte. Ein zentraler Bestandteil ist die ergreifende Botschaft eines Ehemaligen, die im März 2010 während der Abbrucharbeiten an einer Mauer im südwestlichen Teil des Sülzer Kinderheimgeländes erschien.
In großen roten Lettern hatte der ehemalige Heimjunge, der anonym bleiben will, seinen Dank den „Aufrichtigen, den Schützenden und den Liebenden.“ entrichtet. Und den anderen „das Jüngste Gericht und die Gnade der Gedemütigten und Zerbrochenen.“
Im städtischen Heim war es unter der Regie eines katholischen Ordens bis in die 70er Jahre zu Misshandlungen und Übergriffen gekommen.
Die Mauer mit dem Graffito steht nicht mehr - als Manifest soll die Aussage aber fortbestehen: als Inschrift einer großen Steinbank, die entlang der Waisenhauskirche entstehen wird. Auch in die drei Findlinge - sie stehen für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Geländes - werden bald Inschriften gemeißelt. Bis zum Tag der Kinderrechte im Herbst sollen sie fertig sein.
Kritische Stimmen gegen Heinz-Mohnen-Platz mehren sich: EXPRESS präzisiert Bericht
In der Affäre um die Namensgebung für das Kinderheim-Areal haben sich die kritischen Stimmen weiter verstärkt. Zuletzt hatte der Sohn des ehemaligen Heimdirektors, Wolfgang Abeln, die Benennung nach Heinz Mohnen als „völlig fehl am Platz“ bezeichnet. Dies werde der Geschichte des Platzes in keinster Weise gerecht.
Wolfgang Abeln schilderte eindrücklich seine eigenen negativen Erfahrungen in der Kindheit und seine thematischen Auseinandersetzungen mit dem Vater. In dem Zusammenhang präzisiert EXPRESS eine missverständliche Darstellung. Prügel erlebte Wolfgang Abeln in Form von regelmäßigen Ohrfeigen, nicht daheim, sondern in der Schule.
Lehrerin verteilte allen Jungs Ohrfeigen
Abeln sagte zum EXPRESS: „Wir Jungs mussten in der Volksschule in Sülz – 3./4. Klasse – morgens bei einer Lehrerin antreten und uns eine Ohrfeige rechts und links abholen, damit wir wissen, was passiert, wenn wir uns nicht benehmen.“
Nach den EXPRESS-Berichten über die Namenskontroverse haben Ehemalige des Kinderheims, Bewohner des Areals wie auch historisch interessierte Sülzer Bürger an die Bezirksbürgermeisterin Helga Blömer-Frerker appelliert, den Heinz-Mohnen-Platz gänzlich in „Platz der Kinderrechte“ umzubenennen.
Die ehemalige Lehrerin Gertrud W. hebt zunächst hervor, dass Blömer-Frerker das Projekt der „Erinnerungsorte“ bisher „sehr konstruktiv“ begleite.
Zum „Platz der Kinderrechte“ schreibt sie weiter: „Der „thematische Bezug“ des gewünschten neuen Namens ist vorbildlich, denn er stellt die Verbindung her zwischen der hundertjährigen Geschichte des Ortes, den Lebensumständen von Tausenden von Kindern, ihren Betreuer/innen und dem jeweils prägenden gesellschaftlich-politischen Bewusstsein und Wollen.“
Sie kritisiert die angeführten Gründe für die Ablehnung einer ganzheitlichen Umbenennung: „Mit einer „Ordnungs- und Orientierungsfunktion“ oder möglichen „negativen Folgen für die Anwohner“ zu argumentieren, scheint mir einem Wertekanon zu entspringen, der diesem Ort absolut nicht gerecht wird, da er dessen überragende historische Bedeutung und Aussagekraft verkennt.“