Nach Lidl-EinkaufKölner findet Glasscherbe in Dose – darum erstmal kein Rückruf
Köln – Eckehard Schneider (70) aus Köln-Poll traute seinen Augen kaum ...
Der Senior hatte am Samstagvormittag (5. Dezember) in der Lidl-Filiale an der Siegburger Straße in Deutz eingekauft – unter anderem eine Dose Kidney-Bohnen der Marke Freshona.
Bei Lidl gekauft – Kölner findet Glassplitter in Dose
Als er sich zu Hause das Essen zubereitete, ahnte er noch nichts von dem Inhalt der Dose. Erst, als er fast mit dem Essen fertig war, sah Schneider mehrere kleine Glassplitter und eine große Scherbe. „Zum Glück noch rechtzeitig – mir ist nichts passiert“, beschreibt der 70-Jährige das Schockerlebnis. Nicht auszudenken, was hätte passieren können, wenn er die scharfen Glasreste verschluckt hätte.
Im Anschluss meldete er den Vorfall direkt in der Filiale – die Glasstücke nahm er als Beweis mit. „Ein Mitarbeiter bedauerte den Vorfall und informierte sofort die Lidl-Zentrale“, erzählt Schneider. „Kurze Zeit später bekam ich einen Anruf von Lidl. Man erkundigte sich nach meinem Gesundheitszustand. Zudem wurde mir versichert, das Unternehmen werde die Sache prüfen – der Hersteller sei informiert.“
Auch EXPRESS hakte wegen der gefährlichen Glasscherbe bei Lidl nach. Ob ein Rückruf nicht notwendig sei?
Der Discounter teilte am Montag (14. Dezember) mit: „Der Schutz der Verbraucher hat für Lidl höchste Priorität. Produktsicherheit und Produktqualität sind zentrale Anliegen für unser Unternehmen. Daher nehmen wir den Vorfall sehr ernst und bedauern es außerordentlich, dass dem Kunden trotz unserer intensiven Qualitätskontrollen entlang der gesamten Lieferkette Unannehmlichkeiten entstanden sind.“
Weiter heißt es: „Aktuell prüfen wir gemeinsam mit unserem Lieferanten den genauen Sachverhalt und lassen diesem zur weiteren Beurteilung den Fremdkörper und die Dose, die vom Kunden in der Filiale abgegeben wurden, zukommen.“
Das Unternehmen entschied sich damit gegen einen schnellen Rückruf. Stellt sich die Frage ...
Wie funktioniert das mit einem Rückruf?
Den Überblick haben zwei Institutionen, bei denen die Rückrufe eingereicht werden können. Die Betonung liegt auf können – denn verpflichtet ist kein Unternehmen. Firmen können einen Hinweis über ein mangelhaftes Produkt auch auf ihrer Homepage oder über das Geschäft, wo das Produkt in den Handel kam, veröffentlichen.
Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) und das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) sind die beiden wichtigen Institutionen, bei denen Produktrückrufe gemeldet werden können.
Von 2014 bis 2018 (das ist aktuell der Zeitraum, der EXPRESS vorliegt) wurden bei der BAuA insgesamt 867 Rückrufe registriert.
BAuA-Rückrufe von 2014 bis 2018
2014: 144 Rückrufe
2015: 152 Rückrufe
2016: 190 Rückrufe
2017: 168 Rückrufe
2018: 213 Rückrufe
Gesamt: 867 Rückrufe
Ein kontinuierlicher Anstieg ist zu erkennen. Bis auf das Jahr 2017. Da gab es kurzfristig einen Rückgang auf 168 Rückrufe.
An der Spitze der öffentlich gemachten Produktrückrufe standen in dem Zeitraum von vier Jahren 194 Meldungen über Fremdkörper in Lebensmitteln oder fehlerhafte Verpackungen.
Top 5 der Rückrufe von 2014 bis 2018
1. Fremdkörper in Lebensmitteln, fehlerhafte Verpackungen: 194
2. Elektrogeräte und -zubehör: 139
3. Sport- und Freizeitartikel: 101
4. Spielzeuge: 99
5. Bekleidung, Textilien und Modeartikel: 85
Beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) sehen die Zahlen ähnlich aus. Auch hier werden immer mehr Rückrufe registriert.
BVL-Rückrufe von 2014 bis 2018
2014: 107 Rückrufe
2015: 100 Rückrufe
2016: 148 Rückrufe
2017: 161 Rückrufe
2018: 186 Rückrufe
Gesamt: 702 Rückrufe
An der Spitze der Warngründe sind mikrobiologische Verunreinigungen wie beispielsweise Bakterien in Lebensmitteln. In der Zeit von 2011 bis 2018 waren es 328 Fälle. Auf Platz 2 folgen Fremdkörper in Lebensmitteln. 233 Fälle wurden in dem Zeitraum registriert.
Top 5 der betroffenen Produkte von 2011 bis 2018
1. Fleisch, Wild, Geflügel und Erzeugnisse daraus: 145
2. Milch und Milchprodukte: 120
3. Getreide und Backwaren: 93
4. Obst und Gemüse: 73
5. Fertiggerichte: 55
Warum gibt es immer mehr Rückrufe?
Und warum gibt es immer mehr Rückrufe? Sind die Produkte und deren Herstellung etwa schlechter geworden?
Laut BVL könnte es unter anderem daran liegen, dass die Unternehmen selbst Rückrufen zunehmend weniger kritisch gegenüber stehen. Während in den Anfängen des Portals noch die „Prangerwirkung“ kritisiert wurde, werden öffentliche Rückrufe inzwischen vielfach als Bestandteil eines verantwortungsvollen Managements gesehen, mit dem auch Vertrauenswürdigkeit demonstriert werden kann.
Zudem seien die Produktstandards bei der Herstellung gestiegen, auch die Überwachung der Produktionsprozesse sei gestiegen, so dass Abweichungen schneller erkannt würden, erklärt ein Sprecher der BAuA.
Dabei ist Rückruf immer das letzte Mittel der Wahl.