Ein Bunker unter der Gesamtschule an der Berrenrather Straße hatte im Kalten Krieg eine besondere Bedeutung. Jetzt kann man ihn zum ersten Mal besuchen.
Kölner SpezialbunkerLuftangriff auf Chorweiler – wo 1983 der Ernstfall geprobt wurde
An einem Tag im Jahr 1983. Niemand bekommt mit, was sich in einem 33 Räume umfassenden, ausgebauten Keller-Komplex des Gebäudes an der Berrenrather Straße 488, eigentlich eine städtische Realschule, abspielt.
Im Rahmen einer geheimen Nato-Übung namens „Winter-Cimex“ wird hier der Ernstfall geprobt. Der Bunker ist der Ausweichsitz für die Kölner Verwaltungsspitze im Katastrophenfall. In diesem Fall ist es der Krieg. Das Szenario: Ein Luftangriff auf Chorweiler.
Kölner Führungszentrale: Mit Stahlbeton gesichert
Über eine unscheinbare Treppe gelangt man hinunter in die von 60 Zentimeter dickem Stahlbeton, Stahltüren und Schleusen gesicherte „Verwaltungsbefehlsstelle“. Die Kommandozentrale ist ein aus den 1960er Jahren stammendes Relikt des Kaltes Krieges – mit original erhaltenem Inventar.
2010 enthüllte EXPRESS die Existenz des „vergessenen Bunkers“, so die Überschrift damals. Bei Planungen für einen Schulerweiterungsbau war der 700 Quadratmeter große Bau aus dem Jahr 1965 entdeckt worden.
Ob die unterirdische Kölner Zeitkapsel noch weitere Jahre oder gar Jahrzehnte überdauert, ist fraglich. Robert Schwienbacher, Leiter der Dokumentationsstätte Kalter Krieg (Dokk) zum EXPRESS: „Das Grundstück soll verkauft werden. Und ob ein privater Investor an einem Fortbestand der Anlage Interesse hätte, ist fraglich.“
In dem Gebäude befindet sich mittlerweile einer von zwei Standorten der Gesamtschule Lindenthal – geplant ist, die beiden Standorte am Alten Militärring zusammenzulegen. Die Nutzung an der Berrenrather Straße wäre dann offen. Schwienbacher plädiert in jedem Fall für einen Erhalt des Bunkers, er sei „ein wichtiges Kapitel Kölner Stadtgeschichte“.
Wer sich vor Ort einen Eindruck vom „Lost Place“ an der Kölner Peripherie machen möchte, der kann das jetzt erstmals tun. Zum „Tag des offenen Denkmals“ werden die schweren Türen für Besucher und Besucherinnen geöffnet. Die Telefonzentrale, die Fernschreiberanlage, der Schlafsaal des Bunkers – das alles und noch mehr ist begehbar.
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„Geschichte hautnah zum Anfassen“, nennt Schwienbacher das Aufeinandertreffen mit dem stummen Zeitzeugen des Ost-West-Konflikts, hier die Nato, da der Warschauer Pakt, der die Welt über Jahrzehnte in Atem hielt: „Die Verwaltungsbefehlsstelle an der Berrenrather Straße sollte der Ort sein, an dem der Kölner Oberstadtdirektor, seinerzeit mit deutlich mehr exekutiver Macht ausgestattet als heute, im Falle einer Katastrophe, etwa hervorgerufen durch einen möglicherweise mit Atomwaffen geführten Krieg verschiedene städtische Ämter hätte leiten sollen.“
Die Bedrohung durch Russland hat mit dem Ukraine-Krieg eine neue, besorgniserregende Aktualität bekommen. Um so spannender ist ein Nebenaspekt der Geschichte um das verborgene Hauptquartier.
Schwienbacher erzählt: „Ab 1974, also etwa zehn Jahre nach Baubeginn der Verwaltungsbefehlsstelle, wurde unmittelbar gegenüber der Schule die sowjetische Handelsmission errichtet. In den wenig schmuckvollen Immobilien, die bis heute der russischen Föderation gehören, saßen bis zur Aufgabe des Schutzraums sowjetische Agenten und Agentinnen, die unter anderem mit Abhöraufgaben betraut waren. Auch soll dieser Ort Drehscheibe für Wirtschaftsspionage rund um sanktionierte westliche Hochtechnologiegüter gewesen sein.“
„Lost Place“ am „Tag des offenen Denkmals“ erkunden
Die Türen zur Anlage öffnen sich am Sonntag (8. September 2024) um 10 Uhr und schließen um 18 Uhr. Die Führungen starten jede 15 Minuten.
Adresse: Berrenrather Str. 488. In direkter Nähe, an der Scherfginstraße, hält der Bus der Linie 978. Von der Haltestelle der Straßenbahnlinien 18 und 19 „Klettenbergpark“ sind es nur sieben Minuten Fußweg zur Schutzanlage. Eine Anmeldung ist nicht nötig, die gesamte Veranstaltung (unter fachkundiger Führung) ist kostenfrei.