Die Stadt plant den Aufbau neuer Impfzentren. An den Planungen ist auch der frühere leitende Impfarzt des Kölner Impfzentrums in Deutz beteiligt. Dr. Jürgen Zastrow ist sauer über die aktuelle Corona-Lage.
Neue Impfzentren in KölnEhemals leitender Impfarzt stinksauer – aber nicht auf die Politik
Köln. Wegen der großen Nachfrage bei den Booster-Impfungen wird nun überlegt, wie weitere Impf-Möglichkeiten in Köln geschaffen werden können. „Die Stadt ist dabei zu prüfen, wie kurzfristig die Impfkapazitäten ausgeweitet werden können. Es geht in erster Linie um den Ausbau von dezentralen und mobilen Angeboten. Geprüft wird aber auch, ob und wo größere zentrale Lösungen sinnvoll sind“, erklärt Stadtsprecher Benedikt Mensing auf EXPRESS.de-Anfrage.
Die Planungen sollen in der kommenden Woche konkretisiert werden. Damit will die Stadt eine bessere Verteilung des Impfangebots erreichen, denn derzeit bilden sich täglich lange Schlangen vor dem Gesundheitsamt am Neumarkt.
Kölner Impfarzt: „Vierte Welle ist nicht schicksalhaft, sondern selbstgemacht“
Um die große Nachfrage abzufedern und die Vielzahl an Corona-Infektionen zu bearbeiten, soll auch die Bundeswehr wieder helfen. Vor etwa einem Jahr hatten während der zweiten Infektionswelle rund 60 Soldaten bei der Benachrichtigung von Infizierten geholfen.
„Die vierte Welle ist nicht schicksalhaft, die ist selbstgemacht und durch Unvernunft verursacht“, resümiert der ehemals leitende Impfarzt des Kölner Impfzentrums gegenüber EXPRESS.de. Nun ist Zastrow als sogenannter AVO („Ansprechpartner vor Ort“) für die Stadt Köln tätig.
„In dieser Woche habe ich mehr Arbeit als im August oder im September, weil wir jetzt natürlich unsere Impfkapazitäten hochpowern müssen“, sagt Zastrow. Er sei gerade beim Gesundheitsamt in Köln gewesen und habe 100 Impfdosen abgeholt, die er an die Ärzte in seiner Umgebung umverteile. Der Kölner Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung gibt gerade Vollgas, um mehr Impfstoff für die Arztpraxen heranzuschaffen. „Die Bestellungen der Vertragsärzte waren in dieser Woche rund 100 Prozent höher als in der Vorwoche“, so Zastrow.
Kölner Impfarzt: „Keine Wiederaufnahme in Deutz geplant“
Schon im September war Zastrow kein Befürworter der Impfzentrum-Schließung. Doch so einfach wiedereröffnen könne man die zentrale Impfstation jetzt nun auch nicht mehr.
„Es ist keine Wiederaufnahme des Impfzentrums in Deutz geplant, das Messegebäude steht gar nicht mehr zur Verfügung, weil die Hallen belegt sind“, stellt Zastrow klar. Das zentrale Impfzentrum werde es also nicht mehr geben, stattdessen seien andere Angebote wichtiger.
„Wir müssen an die Lage angepasst, Impfangebote machen. Leider sind die Bürger dermaßen unvernünftig, dass die Situation jetzt so dramatisch geworden ist. Deswegen müssen wir jetzt viel mehr impfen als vorher“, ärgert sich der Kölner Mediziner.
„Das ist bedauerlicherweise so, aber das liegt am Wahnsinn der Menschen, die sich schon im August nicht mehr an die AHA-Regeln gehalten haben. Doch vor allem die Minderheit derjenigen, die sich nicht impfen lässt, ist schuld an der schlimmen Situation, vor der wir jetzt stehen“, sagt Zastrow.
Kölner Arztpraxen am Limit: „Belastung sehr hoch“
Tatsächlich ist Situation in den Kölner Arztpraxen extrem angespannt.
„Die Belastung in den Hausarztpraxen ist sehr hoch. Die Winterinfektwelle sorgt für volle Wartezimmer. Im Tagesgeschäft der Regelversorgung haben wir alle Hände voll zu tun. Dazu kommen die Corona-Impfungen, hier besonders die Auffrischungsimpfungen. Viele Praxen arbeiten an der Obergrenze der Kapazität. Die Praxisteams sind seit Monaten überlastet, spezielle Impftage oder Impfsprechstunden sind zusätzlich zu den normalen Praxiszeiten eingerichtet worden. Sie werden auch von den Patienten intensiv genutzt“, erklärt Monika Baaken vom Hausärzteverband Nordrhein gegenüber EXPRESS.de.
Köln: Impfarzt fordert verantwortungsvolles Handeln ein
Unvernunft und fehlende Eigenverantwortung seien aktuell in Köln an der Tagesordnung und der Grund für die steigenden Corona-Zahlen, findet Jürgen Zastrow. Viele Bürger würden Verbote von der Politik einfordern, anstatt selbst verantwortungsbewusst zu handeln. „Ich frage mich: Warum verhalten sich manche Bürger, als seien sie unmündig?“, so Zastrow.
Nicht von den Politikern erwarte er nun ein verantwortungsbewusstes Handeln, sondern von den Bürgern. „Der Staat muss immer wieder abarbeiten, was ihm die Bürger in den Korb legen. Das macht mich allmählich sauer. Wir könnten beim Impfen und bei der Bewältigung der Corona-Pandemie ganz woanders stehen.“